19.05.2010: Die akute Krise des internationalen Krisenmanagements
Rote Fahne: Anfang des Jahres (siehe "Rote Fahne"-Interview vom 20.12.2009) hast du die Politik der krisendämpfenden Maßnahmen durch Regierung und Monopole als "Tanz auf dem Vulkan" bezeichnet. Wie hat sich das seither entwickelt?
Stefan Engel: Inzwischen beginnt der Vulkan Lava zu spucken. Das internationale Krisenmanagement hat seit November 2008 viel Geld gekostet und die nationalen Haushalte über die Maßen belastet. Insgesamt wurden weltweit schätzungsweise bisher 27 Billionen US-Dollar dafür aufgewendet. Dieser unvorstellbare Aufwand macht etwa die Hälfte eines jährlichen Weltsozialprodukts aus. Wir haben in unserer Broschüre "Bürgerliche politische Ökonomie vor dem Scherbenhaufen", die wir im Mai 2009 veröffentlicht haben, bereits kritisiert, dass das bürgerliche Krisenmanagement dem Übel nicht an die Wurzel geht. Es kann lediglich die aktuelle Krise dämpfen oder überwinden um den Preis künftiger noch tieferer und umfassenderer Krisen. Wir haben damals schon vorausgesagt, dass das gigantische internationale Krisenmanagement die Tendenz von Staatsbankrotten hervorbringt und die Destabilisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse auf die Spitze treibt. Inzwischen ist eine akute Gefahr von Staatsbankrotten in einigen Ländern der EU eingetreten. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 11. Mai 2010 spricht in diesem Zusammenhang von einer "historisch einmaligen Notsituation, die drastische Auswirkungen auf die Stabilität des Euroraumes haben könnte". Nach Einschätzung dieses Sprachrohrs der Monopole stellen die "Eurokrise und die von ihr ausgehenden Gefahren ... die internationale Finanzkrise noch in den Schatten: Es geht nicht mehr nur darum, den Zusammenbruch von Banken abzuwenden, sondern den von Staaten".
Es ist eindeutig, dass die sogenannte "Eurokrise" in Wirklichkeit eine neue Qualität der Weltwirtschafts- und Finanzkrise darstellt. Man muss sie als Krise des internationalen Krisenmanagements bezeichnen. Das verändert natürlich die allgemeine Ausgangslage, auf die wir uns taktisch einzustellen haben.
Rote Fahne: Ist denn die Gefahr der Staatsbankrotte durch den neuen 750-Milliarden-"Schutzschild" nicht gebannt?
Stefan Engel: Keineswegs! Es ist wie eine Geschichte aus "Tausend und einer Nacht", wenn behauptet wird, das Problem der drohenden Staatsbankrotte existiere nur in Griechenland. Tatsächlich betragen die Schulden Griechenlands nur 0,273 Billionen Euro. Das sind 3,14 Prozent des 8,69 Billionen Euro hohen Schuldenbergs in der EU. Die penetrant wiederholte Legende, das griechische Volk habe über seine Verhältnisse gelebt, wird auch dadurch nicht wahrer, dass sie in einer üblen Hetzkampagne der "Bild"-Zeitung mit ständig neuen Gräuelgeschichten garniert wird. Fakt ist, dass die griechische Wirtschaft in den vergangenen Jahren systematisch von den internationalen Monopolen aufgekauft und zum Spekulationsobjekt degradiert wurde. Die griechische Regierung wurde zu übermäßigen Rüstungskäufen angehalten, um den Verpflichtungen in der NATO nachzukommen. In Griechenland ist also nicht einfach eine verfehlte Finanzpolitik durch eine übermütige Regierung an die Wand gefahren worden. Die neokoloniale Ausplünderung dieses kleinen abhängig kapitalistischen Landes durch die internationalen Monopole hat einen Bankrott erlitten. Der neue "Schutzschirm", den die EU und der IWF gegen die Gefahr von Staatsinsolvenzen in Europa aufgespannt hat, hat also nur oberflächlich etwas mit Griechenland zu tun.
Allgemein muss man wissen, dass das internationale Krisenmanagement weltweit die Spekulation anheizte und dabei eine Reihe von neuen Spekulationsblasen entstanden sind, die bei der geringsten Stockung des Zahlungsverkehrs zum Platzen kommen könnten. Diese drohende Kettenreaktion, die aufgrund der weltweiten Verflechtung und Abhängigkeit der Finanzströme das imperialistische Weltsystem äußerst empfindlich gemacht hat, machte das außerordentliche neue Krisenmanagement notwendig. Ein Krisengipfel jagt den anderen und der Euro befindet sich nach wie vor im freien Fall. Das internationale Finanzparkett gleicht einem Minenfeld, auf dem sich Regierungen und Monopole bewegen müssen.
Rote Fahne: Was wird die Folge des neuen Krisenmanagements zur Vermeidung von Staatsbankrotten in der EU und gegenüber einem Verfall des Euro sein?
Stefan Engel: Die wichtigste Folge ist, dass das bisherige internationale Krisenmanagement in Europa mehr oder weniger beendet wird und an seine Stelle eine Politik zur sogenannten Stabilisierung der Staatsfinanzen tritt. Das ist allerdings äußerst gefährlich, weil die Weltwirtschafts- und Finanzkrise noch nicht vorbei ist und jetzt sogar belastende Faktoren für eine wirtschaftliche Belebung hinzukommen. Die rigorose Abwälzung der Krisenlasten auf die Arbeiterklasse und die breiten Massen rückt in den Mittelpunkt der Regierungspolitik in den EU-Ländern. Das bedeutet einen Taktikwechsel, der zu einer Verschärfung der Klassenwidersprüche beitragen wird.
Rote Fahne: Birgt dieser auf EU-Ebene vereinbarte Taktikwechsel nicht ein großes Risiko für den Erhalt des so genannten "Klassenfriedens"?
Stefan Engel: Inzwischen wurde bekannt, dass in Rumänien die Staatsangestellten 25 Prozent Lohneinbußen und die Rentner und Arbeitslosen 15 Prozent Kürzungen in Kauf nehmen sollen. Ähnliche Programme wurden in Portugal und Spanien verabschiedet und werden von der neuen Regierung in London angekündigt. In Spanien haben die Gewerkschaften ausdrücklich ihren Stillhaltepakt mit der Regierung aufgekündigt und für den 2. Juni einen ersten Generalstreik im öffentlichen Dienst angekündigt. In Griechenland geht der aktive Volkswiderstand unvermindert weiter. In Rumänien sind die Rentner auf den Plan getreten, um gegen die unverschämten Kürzungen vorzugehen. Bemerkenswert ist neben der Volksrebellion in Griechenland auch die aufstandsähnliche Situation in Thailand oder vor kurzem der bewaffnete Aufstand in Kirgisien. Das zeigt, dass auf dem Boden wirtschaftlicher Verwerfungen auch eruptive Destabilisierungen der politischen Lage möglich und häufiger zu erwarten sind.
Unmittelbar nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ging unter der Flagge der Kritik an der "zögerlichen Politik von Kanzlerin Merkel" die Diskussion los: CDU-Mann Koch glänzte in seiner Lieblingsrolle als Scharfmacher. Er forderte Steuererhöhungen und einschneidende Verschlechterungen insbesondere für Kinder, Familien und die Jugend - so die Aufhebung der "Garantie eines Betreuungsplatzes für Kinder unter drei Jahren" sowie des 10-prozentigen Anteils der Ausgaben für Bildung und Forschung. Seine Berliner Koalitionsfreunde von CDU und FDP beeilen sich, die Bevölkerung auf drastische Einschnitte und Abgaben – und Steuererhöhungen um weitere circa 20 Milliarden Euro für das Jahr 2011 einzustimmen. Vor allem werden die Sozialversicherungen und außerhalb Nordrhein-Westfalens die Subventionen für den Bergbau infrage gestellt.
Mit der Einleitung des Taktikwechsels kommen die herrschenden Politiker dem Drängen der führenden Monopolkapitalisten nach. Den forderte BDI-Chef Keitel schon am 18.1.2010: "Die Ära von 'Retten macht Spaß' hat ein Ende! ... Wer die Krise staatlich alimentiert, der verlängert sie nur. ... Deshalb plädiere ich für einen raschen, aber weichen Übergang. ... Machen wir uns nichts vor: das wird schmerzliche Einschnitte bedeuten."
Doch so einfach ist das alles nicht. Die im Wahlergebnis in NRW zum Ausdruck gekommene Entwicklung im Bewusstsein der Massen könnte durch den Taktikwechsel zur beschleunigten Erosion der Massenbasis der bürgerlichen Parteien führen. So wurden nach den Wahlen die als "Steuersenkungspläne" getarnten Subventionen an die Monopole oder die Kopfpauschale im Gesundheitswesen erst einmal auf Eis gelegt. Die latente politische Krise hat sich erheblich vertieft.
Rote Fahne: Die Bundesregierung und die verschiedenen bürgerlichen Wirtschaftsinstitute prognostizieren für 2011 unisono eine deutliche Erholung der Wirtschaft. Was ist davon zu halten?
Stefan Engel: Die tiefsten Einbrüche in der Weltwirtschafts- und Finanzkrise sind tatsächlich einer Stagnation gewichen und die Wirtschaft ist allgemein in eine Depression übergegangen. Das ist aber noch keine Überwindung der Krise! In Deutschland wird die Steigerung des Bruttoinlandsprodukts um mickrige 0,2 Prozent im ersten Quartal 2010 schon als Vorbote einer wirtschaftlichen Frühjahrsbelebung hochgejubelt. Dabei stürzte die Industrieproduktion im Jahr 2009 um 17,9 Prozent gegenüber dem Stand von 2008 ab. Mit dem Tempo der bisherigen kleinen Zuwächse in der Wirtschaft wird es noch Jahre dauern, bis der Vorkrisenstand erreicht ist. Die nach wie vor anhaltende wirtschaftliche Schwäche im Land wird durch die hohen Exportzuwächse aufgrund des billigen Euros auf dem Weltmarkt nur notdürftig überdeckt.
Rote Fahne: Es ist den Monopolen und der Regierung bisher gelungen, trotz tiefer Produktionseinbrüche ein starkes Anwachsen der Massenarbeitslosigkeit zu vermeiden. Trotzdem hat man den Eindruck, dass die Unzufriedenheit in den Betrieben wächst.
Stefan Engel: Durch Kurzarbeit, Abbau von Überstunden und Auflösung der vielen betrieblichen Vereinbarungen zur Verlängerung der Wochenarbeitszeit über die 35-Stunden-Woche hinaus ist es tatsächlich gelungen, 1,2 Millionen Entlassungen zu verhindern. Die bezahlte Wochenarbeitszeit in der Industrie ging 2009 auf 36,7 Stunden zurück. Das hat zu einem viel geringeren Anstieg der offiziellen Arbeitslosigkeit gegenüber allen seit 1981 stattgefundenen Weltwirtschaftskrisen geführt und war zweifellos der entscheidende Faktor für die Zurückhaltung der Massen gegenüber dem Krisenmanagement der Regierung. Vergessen wir aber nicht, dass die oben genannten Maßnahmen höchstens vorübergehend von den Kollegen akzeptiert werden können. Wenn Belegschaften heute bereits anderthalb Jahre Kurzarbeit schieben müssen, dann reißt das tiefe Löcher in die Familienhaushalte, die von kaum einer Arbeiterfamilie auf Dauer geschultert werden können. Hinzu kommt, dass insbesondere in den industriellen Großbetrieben die Kurzarbeit dazu missbraucht wurde, die Arbeitshetze zu steigern und die Reallöhne zu senken. Die Arbeiter in den Industriebetrieben haben 2009 durchschnittlich bereits fast 4 Prozent ihres Reallohnes eingebüßt. Das hat es seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben! Bei alledem kann trotzdem kein Arbeiter sicher sein, dass er seinen Arbeitsplatz behalten kann. All dies steigert den Unmut in den Betrieben.
Rote Fahne: Wie sind vor diesem Hintergrund die Ergebnisse der Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen zu beurteilen?
Stefan Engel: Für die schwarz-gelben Koalitionen in Düsseldorf und Berlin ist dieses Wahlergebnis ein Desaster. Die CDU verlor gegenüber der Landtagswahl 2005 1.014.770 Stimmen. Sie wurde – wie die SPD – von nur noch 20 Prozent der Wahlberechtigten gewählt. Die FDP verlor im Vergleich zur Bundestagswahl vor knapp acht Monaten 872.117 Stimmen und wurde von nur noch 3,9 Prozent der Wahlberechtigten gewählt. Die "Wunschkoalition" der Unternehmerverbände ist mit Pauken und Trompeten abgestraft worden.
Was die SPD am Wahlabend noch euphorisch als Wahlsieg feierte, war in Wirklichkeit ebenfalls ein neuer Negativ-Rekord bei Landtagswahlen in NRW. Sie verlor gegenüber dem für NRW katastrophalen Wahlergebnis von 2005, das den Rücktritt von Ex-SPD-Kanzler Schröder auslöste, noch einmal 383.452 Stimmen. CDU, SPD, FDP und Grüne wurden zusammen von nur noch knapp der Hälfte der Wahlberechtigten überhaupt gewählt. Die Wahlbeteiligung sank von 63 auf 59 Prozent. Der Prozess der Loslösung der Massen von den bürgerlichen Parteien, vom bürgerlichen Parlamentarismus und seinen Institutionen setzt sich ungehindert fort.
Die Duldung der Massen gegenüber der Regierung geht offensichtlich zu Ende. Das ist das wesentliche Ergebnis dieser Landtagswahl. Der Linkstrend hat sich weiter fortgesetzt. Die antikommunistische Stimmungsmache, die mit einer forcierten "Linksextremismus"-Debatte in Szene gesetzt wurde, hat wenig gefruchtet. Im Gegenteil scheint sie eher dem als besonders "links" geltenden Landesverband der Linkspartei Stimmen gebracht zu haben! Diese zog mit 5,6 Prozent erstmals in den Landtag ein. Dazu hat zweifellos auch die kritische Wahlempfehlung und Unterstützung der MLPD beigetragen. Auch die Grünen profitierten vom Linkstrend durch ein scheinbar linkes Auftreten als Anti-AKW- und Anti-Kohlekraftwerks-Partei mit einem "grünen Zukunftsplan". Das Gezerre um mögliche Koalitionen zeigt die großen Probleme der bürgerlichen Parteien angesichts ihrer weiter erodierenden Massenbasis. Wie man es dreht und wendet: Es gibt keine stabile Regierung! Selbst eine große Koalition mit satten Mehrheitsverhältnissen im Landtag würde die krisenhafte Entwicklung in der bürgerlichen Parteienlandschaft vertiefen und vor allem die SPD in eine selbstmörderische Zerreißprobe bringen.
Rote Fahne: Die MLPD hat in NRW zur kritischen Wahlunterstützung der Linkspartei aufgerufen. Passt sie sich seit neuestem der Linkspartei an?
Stefan Engel: Natürlich nicht! Die MLPD hat bei dieser Landtagswahl aus Gründen der Kräftekonzentration nicht kandidiert. Sie hält jedoch nichts von einer unpolitischen Ignoranz solcher Wahlen. Wir sahen im Landtagswahlprogramm der Linkspartei eine ganze Reihe von Forderungen, die früher nur die MLPD vertreten und in einer langwierigen Kleinarbeit mehr und mehr unter den Massen verankert hat. Dazu zähle ich "Weg mit Hartz IV", die Forderung nach der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, den Kampf gegen die Rente mit 67, für ein politisches Streikrecht, gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr, Verbot aller faschistischen Organisationen usw.
Wir bedauern natürlich, dass es nicht zu einem offiziellen Wahlkampfabkommen zwischen der MLPD und der Linkspartei gekommen ist. Der Landesvorstand der Linkspartei hatte der Landesleitung der MLPD im Vorfeld der Wahlen Gespräche verweigert. Man kann davon ausgehen, dass der Grund dafür darin liegt, dass die Linkspartei sich schon vor den Wahlen die Option offen halten wollte, in eine Regierung mit der SPD und den Grünen einzutreten. Eine allzu große Nähe zur MLPD könnte für ein solches Vorhaben hinderlich sein.
Die Linkspartei ist sich natürlich im Klaren darüber, dass die von uns unterstützten Forderungen in ihrem Wahlprogramm in einer solchen Regierungskoalition keinerlei Rolle mehr spielen werden. Trotzdem hat sich der Bundesparteitag der Linkspartei letztes Wochenende für eine Regierungsbeteiligung in Nordrhein-Westfalen ausgesprochen. Die MLPD kommt so in die zweifelhafte Rolle, große Teile des Wahlprogramms der Linkspartei gegen deren eigene Parteiführung verteidigen zu müssen. Eine kritische Wahlunterstützung bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen durch die MLPD war dennoch richtig, weil wir damit unterstrichen haben, dass wir auf der Grundlage des gemeinsamen Kampfes für zentrale Forderungen nach wie vor bereit sind, mit der Linkspartei zusammen zu arbeiten.
Wir wollen die Mitglieder und Funktionäre der Linkspartei zugleich dringendst davor warnen, in diese Regierung einzutreten. Sie würden damit die Verpflichtung übernehmen, das Krisenprogramm der Monopole im bevölkerungsreichsten Bundesland gegen die breiten Massen mit umzusetzen. Der Linkstrend wird sich vor allem im aktiven Widerstand gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf dem Rücken der breiten Massen weiter entfalten. Die Linkspartei muss sich entscheiden, auf welche Seite sie sich stellt!
Rote Fahne: Am 1. Mai hatte man nicht den Eindruck, dass die Hetzkampagne in den Medien gegen die "Linksextremisten" der MLPD in der Arbeiterbewegung in Deutschland verfängt.
Stefan Engel: Das Verhältnis der Masse der Teilnehmer zur MLPD war an diesem 1. Mai tatsächlich bemerkenswert. Während es im Vorfeld eine rigide antikommunistische Ausgrenzungskampagne gegen die MLPD durch Teile der DGB-Führung gab, wurden wir überall von den Teilnehmern als selbstverständlicher Bestandteil der 1.-Mai-Aktivitäten begrüßt und geschützt. Großspurig angekündigte - rechtlich übrigens gar nicht zulässige - Standverbote gegen die MLPD konnten nirgendwo durchgesetzt werden. Die Kollegen stellten sich schützend vor die MLPD, an manchen Orten hatten sich gar Aktionseinheiten zum Schutz des MLPD-Standes gebildet. So kam es in Berlin bei dem Versuch, den Stand der MLPD abzuräumen, zu einer Massendiskussion und Kundgebung von 200 Kolleginnen und Kollegen, die dies verhinderten. Natürlich richteten wir den Hauptstoß nicht gegen die DGB-Führung, sondern gegen die arbeiterfeindliche Politik von Regierung und Monopolen. Aber es ist auch klar, dass wir uns solche Ausgrenzungsversuche nicht gefallen lassen – die ja übrigens auch damit zu tun haben, dass sich DGB- und IGM-Führung zur Zeit immer stärker auf die Seite der Regierung schlagen und Kämpfe um jeden Preis verhindern wollen.
Die Stärkung der revolutionären Richtung im Linkstrend unter den Arbeitern hat sich auch schon bei den Betriebsratswahlen gezeigt, wo klassenbewusste Arbeiter ihre Positionen ausbauen konnten. Sehr gute Ergebnisse erzielten gerade diejenigen Kandidatinnen und Kandidaten, die bei der Bundestagswahl 2009 auf der MLPD/Offenen Liste kandidiert hatten und wo im Vorfeld antikommunistische Attacken offensiv beantwortet wurden.
In dieser Situation setzt sich der IG-Metall-Vorstand arrogant über einen klaren Beschluss des Gewerkschaftstages von 2007 hinweg: Statt die spalterischen Unvereinbarkeitsbeschlüsse gegen die MLPD aufzuheben, wurden diese in einer Vorstandssitzung am 9. Februar 2010 nicht nur bekräftigt, sondern sogar noch verschärft. Empörend ist für viele Gewerkschafter, dass zur Begründung nicht nur die unsäglichen Lügen des Geheimdienstes über die MLPD, sondern auch ultrarechte, dem faschistoiden Lager zuzurechnende "Wissenschaftler" als Kronzeugen gegen die MLPD aufgefahren wurden.
Die rechte IGM-Führung unter Regie von Berthold Huber stört sich bei der MLPD besonders an der Ablehnung der Klassenzusammenarbeitspolitik, der Propagierung konzernweiter, länder- und branchenübergreifender Kämpfe und dem Einsatz für einen echten Sozialismus. Besonders gegiftet wird gegen die wissenschaftliche Feststellung der Notwendigkeit einer Diktatur des Proletariats im Sozialismus, wie sie von Karl Marx als Alternative zur Diktatur der Bourgeoisie begründet wurde. Es ist ein politisches Armutszeugnis, wenn der IG-Metall-Vorstand selbständige Streiks als Konkurrenzverhalten zur IG-Metall einstuft, wohl wissend, dass die Möglichkeiten gewerkschaftlicher Streiks äußerst eingeschränkt sind, weil es kein allseitiges und vollständiges gesetzliches Streikrecht in Deutschland gibt. Der IG-Metall-Vorstand könnte sich einiges von der Bundeskonferenz der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt abgucken, wo die Forderung nach einem politischen Streikrecht sogar in die Satzung aufgenommen wurde.
Was viele vielleicht nicht wissen: Berthold Huber war bis 1980 über 12 Jahre als Spitzenfunktionär in den Vorläuferorganisation der MLPD und hier insbesondere für die Anleitung und Kontrolle der Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit tätig. Es ist pure Heuchelei, wenn er behauptet, der demokratische Zentralismus in der MLPD würde es Mitgliedern der MLPD unmöglich machen, Beschlüsse der IG-Metall mitzutragen. Würde das stimmen, hätte Berthold Huber niemals bereits zu Anfang der 1970er Jahre als aktives Parteimitglied zugleich Gewerkschaftsfunktionär werden können. Für uns sind und bleiben die Gewerkschaften überparteiliche Selbstorganisationen, in denen sich die Arbeiter und Angestellten unterschiedlicher parteipolitischer Zugehörigkeit und weltanschaulicher Prägung gemeinsam für die Verteidigung und Verbesserung ihrer Lohn- und Arbeitsbedingungen einsetzen. Berthold Huber sollte aufhören, sich als Antikommunist über die Herbeiführung solcher Beschlüsse bei wem auch immer anzubiedern. Für solche durchsichtigen Ambitionen ist die Einheit der Gewerkschaft zu bedeutend.
Die Unvereinbarkeitsbeschlüsse gegen die MLPD spalten die Gewerkschaften und schwächen ihre Kampfkraft, weil kämpferische und aktive Gewerkschafter unter das Damoklesschwert des Gewerkschaftsausschlusses gestellt und als Gewerkschaftsfeinde diffamiert werden.
Rote Fahne: Mit den 150.000 Beteiligten an den Anti-AKW-Demonstrationen im April hat sich die Umweltbewegung wieder unübersehbar zurückgemeldet. Was war der Ausgangspunkt dafür?
Stefan Engel: Der markanteste Wendepunkt im Kampf gegen die globale Umweltkatastrophe war das Scheitern des Weltklimagipfels in Kopenhagen. Dafür stehen auch die massiven Bestrebungen der Bundesregierung für 60-jährige Laufzeiten der Atomkraftwerke sowie für den Ausbau von Kohlekraftwerken trotz aller allgemein anerkannten gewaltigen Risiken für Mensch und Natur. Die Schröder/Fischer-Regierung hatte mit ihren Beschlüssen zum schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie der alten Umweltbewegung ihre Auflösung mehr oder weniger nahe gelegt. Jetzt spüren die Leute, dass es ohne aktiven Widerstand gegen die Profitgier der Monopole keine Rettung der Umwelt gibt. Meines Wissens war das die größte Anti-AKW-Demonstration, die es in Deutschland je gegeben hat. Das lässt hoffen! Denn mit der dramatischen Entwicklung zur globalen Klimakatastrophe ist ein ungleich umfangreicherer und härterer Kampf notwendig, um die Erde für das menschliche Leben zu retten.
Rote Fahne: Man hat den Eindruck, dass mit jedem toten Soldaten der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan auf größere Ablehnung unter der Bevölkerung in Deutschland stößt. Wie wird das weitergehen?
Stefan Engel: Inzwischen befinden sich weit über 100.000 NATO-Soldaten in Afghanistan, um den vermeintlichen "Hort des Terrorismus" zu befrieden. Es ist unglaubwürdig, dass dieser militärische Aufwand notwendig ist, um einige 100 Al-Kaida- und etwa 5.000 Taliban-Kämpfer zu besiegen. Offensichtlich sieht sich die NATO inzwischen einer breiten Ablehnung in der afghanischen Bevölkerung gegenüber, die in unseren Medien bewusst pauschal als Taliban-zugehörig diffamiert wird. Diesen breiten Volkswiderstand des afghanischen Volkes kann die NATO-Aggression nicht überwinden! Mit jedem toten Soldaten wächst die Ablehnung der Bevölkerung in den NATO-Ländern. Die niederländische Regierung ist daran kürzlich zerbrochen. Auch in Deutschland kann die Bevölkerung nur noch dadurch besänftigt werden, dass immer wieder für 2011 der Abzug deutscher Truppen angekündigt wird. Niemand darf jedoch denken, dass die NATO sich freiwillig erfolglos aus Afghanistan zurückziehen wird. Deshalb muss der antimilitaristische Kampf und der Kampf für den Rückzug deutscher Truppen aus Afghanistan verstärkt werden.
Rote Fahne: Die Verschärfung der latenten politischen Krise ist natürlich nicht nur eine materielle Basis für den Linkstrend. Sie kann auf der Basis von niedrigem Klassenbewusstsein unter den Massen auch rechte beziehungsweise neofaschistische Tendenzen verbunden mit aggressivem Antikommunismus provozieren. Ist die neofaschistische Gefahr in Deutschland gewachsen?
Stefan Engel: Wir dürfen nicht unterschätzen, dass dieselbe materielle Grundlage für den Linkstrend insbesondere unter rückständigen Menschen auch rechte und neofaschistische Gedanken fördern kann. Wir dürfen die Wahlerfolge der faschistischen und rechtspopulistischen Parteien in Frankreich, Ungarn, Niederlande, Italien und auch teilweise bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen nicht unterschätzen. Sie bilden objektiv eine Massenbasis für die Faschisierung und den Staatsterror gegenüber der revolutionären Arbeiterbewegung.
Umso bedeutender ist der Aufschwung des antifaschistischen Kampfes, der mit der Verhinderung des europaweiten Naziaufmarsches durch einen massenhaften aktiven Widerstand in Dresden einen Höhepunkt erreicht hat.
Rote Fahne: Mit dem international organisierten Krisenmanagement ist die Massenbewegung unter den Arbeitern, unter den breiten Massen und auch unter der Jugend zeitweilig zurückgegangen. Hat sich hier nicht inzwischen etwas geändert?
Stefan Engel: Schon in meinem letzten Interview wies ich auf eine deutliche Belebung der Rebellion der Jugend hin. Insgesamt haben sich 2009 fast eine Million Jugendliche an Protesten an der ganzen Bandbreite ihrer Lebens- und Zukunftsinteressen beteiligt. 50 Prozent davon protestierten bei den "Bildungsstreik"-Aktionen, gefolgt von antifaschistischen antiimperialistischen und antimilitaristischen Protesten sowie im Umweltbereich und bei Arbeiterprotesten. Diese Tendenz hat sich 2010 besonders in den Aktionen einer neuen Generation des Anti-AKW-Protestes und in den antifaschistischen Protesten fortgesetzt. Für den 9. Juni stehen wieder bundesweite Bildungsproteste ins Haus.
Das ist nicht nur zahlenmäßig der Höchststand seit den Protesten anlässlich des Irak-Krieges 2003. Vor allem hat sich dabei die Kapitalismuskritik deutlich belebt. Die Jugendrebellion hat heute ein qualitativ deutlich höheres Niveau. Der Jugendverband der MLPD, der REBELL, ist daran aktiv beteiligt und hat sich vorgenommen, zur ersten Adresse bei der Organisierung und Führung der Rebellion der Jugend zu werden.
Mit der Entwicklung der Rebellion der Jugend hat eine Wende auch der Arbeiter- und kämpferischen Volksbewegung stattgefunden. Die selbständigen Kampfaktionen in den Betrieben haben ebenso zugenommen wie die Aktivitäten im Kampf zum Schutz der natürlichen Umwelt, zur Verteidigung und Erweiterung der demokratischen Rechte und Freiheiten, im antifaschistischen Kampf sowie gegen den Nato-Krieg in Afghanistan. Diese Tendenz wird sich auf der Basis des Taktikwechsels der Monopole verstärken und die spontane Bewegung beleben. Die Marxisten-Leninisten werden diese Bewegungen unterstützen und höher entwickeln. Zugleich gilt es in allen Aktivitäten den Bezug zur internationalen Arbeiter- und Volksbewegung herzustellen und diese Kämpfe als Schule der Vorbereitung der internationalen Revolution zu organisieren.
Rote Fahne: Welche politischen Aufgaben hat sich die MLPD in der nächsten Zeit vorgenommen?
Stefan Engel: Die ganze Partei konzentriert sich die nächsten Monate auf die Festigung und Höherentwicklung der marxistisch-leninistischen Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit. Wir fördern die Auslösung, Führung und Höherentwicklung der Kämpfe mit der Strategie und Taktik der Arbeiteroffensive als Übergang zum Klassenkampf im eigentlichen Sinne. Wir müssen auch kritisch-selbstkritisch eine rechtsopportunistische Tendenz in der Praxis aufdecken und überwinden, die sich nur am konkreten Auf und Ab der spontanen Bewegung orientiert, sich im Nurgewerkschaftertum verliert, die Einheit von ökonomischem und politischem Kampf sowie von Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit mit der Wohngebietsarbeit auflöst. Diese kritisch-selbstkritische Auseinandersetzung muss auch in den Wohngebietsgruppen geführt werden, die vielfach ihren engen Bezug zur Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit aufgegeben und so zur Schwächung unserer Arbeit an der Hauptkampflinie beigetragen haben. Es bleibt bei unserer beschlossenen Richtlinie, bei aller Ausdehnung der Parteiarbeit auf neue Bereiche, dass wir 50 Prozent unsrer Kräfte an der Hauptkampflinie der Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit zur Gewinnung der entscheidenden Mehrheit der Arbeiterklasse konzentrieren
In der marxistisch-leninistischen Jugendarbeit haben wir in der Kritik-Selbstkritik-Kampagne wichtige Fortschritte und Erfolge erkämpfen können. Es ging insbesondere darum, die marxistisch-leninistische Jugendarbeit als Massentaktik des Parteiaufbaus zu verstehen und sie als Lebensschule der proletarischen Denkweise zu verwirklichen. Die ganze Organisation hat sich ein neues Verständnis unserer jugendpolitischen Linie erkämpft und in 15 kritisch-selbstkritischen Konferenzen mit über 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern wichtige Lehren für die Umstellung unsrer Arbeit gezogen.
Im Mittelpunkt stand dabei die Frage der dialektischen Handhabung der drei grundlegenden Wechselbeziehungen zwischen der Partei und dem REBELL: Die ideologisch-politische Führung durch die Partei als führender Faktor, die praktische Zusammenarbeit von Partei und Jugendverband als praktisches Fundament der Lebensschule der proletarischen Denkweise und die Förderung der organisatorischen Selbständigkeit als entscheidende Methode der Erziehung zur Selbstbefreiung für die Masse der Jugend und ihre Gewinnung für den Sozialismus. Als nächstes geht es darum, bestimmte Pilotprojekte in der Jugendarbeit zu konzipieren und zu verwirklichen und in allen Seiten der Kleinarbeit die Jugendarbeit als Massentaktik des Parteiaufbaus zum Grundstandard der Arbeit zu machen. Dazu müssen die Ergebnisse der Kritik-Selbstkritik-Versammlungen angeeignet und die Arbeit entsprechend umgestellt werden. Das alles kann nur verwirklicht werden, wenn der organisationspolitische Schwerpunkt Jugendarbeit allseitig durchgesetzt wird. Bis dahin wird die Kritik-Selbstkritik-Kampagne noch weitergehen.
Die derzeit stattfindenden Mitglieder- und Delegiertenversammlungen in der MLPD werden sorgsam darauf achten, dass die zweifellos erzielten Fortschritte nach der besonderen Kampagne nicht verpuffen, sondern in einer systematischen Jugendarbeit auf neuem Niveau weiter gedeihen.
Rote Fahne: Wie geht die geplante Gründung einer internationalen Organisation zur Koordinierung der praktischen Tätigkeit revolutionärer Parteien weiter?
Stefan Engel: Inzwischen ist die Initiative zur Schaffung der ICOR von der Phase der Vorbereitung in die Gründungsphase übergegangen. In den fast 70 beteiligten Organisationen werden intensiv Gründungsresolution, Präambel und Anträge zur künftigen Arbeit beraten. Die ICOR bedeutet eine neue Qualität des proletarischen Internationalismus.
Das hat ideologische, politische und organisatorische Auswirkungen auf unsere Parteiarbeit, die wir uns in der nächsten Zeit systematisch erarbeiten, aneignen und umsetzen müssen. Als Hilfestellung arbeitet das Zentralkomitee konzentriert an der Ausarbeitung einer entsprechenden Nummer des theoretischen Organs "Revolutionärer Weg".
Damit muss der Widerspruch gelöst werden, dass bereits an der Vorbereitung der internationalen Revolution gearbeitet wird, aber das notwendige feste theoretische Fundament in der ideologisch-politischen Linie der MLPD noch nicht allseitig ausgearbeitet ist. Diese theoretische Arbeit ist äußerst kompliziert, etwas historisch Neues und erfolgt mehr denn je im engsten Meinungs- und Erfahrungsaustausch mit den Revolutionären der Welt.
Rote Fahne: Die Idee einer Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen in Venezuela 2011 scheint immer mehr an Anziehungskraft zu gewinnen. Wie ist der Stand der Vorbereitung?
Stefan Engel: Es ist sehr erfreulich, dass die Idee für eine Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen von immer breiteren Teilen der kämpferischen Frauenbewegung in immer mehr Ländern der Welt angenommen wird. In Deutschland gibt es inzwischen 20 frauenpolitische Stadtkonferenzen, die aktive Träger der Vorbereitung sind. Wenn es gelingt, mit der selbständigen Initiative der kämpferischen Frauen aus aller Welt, diese Weltfrauenkonferenz in Venezuela 2011 erfolgreich durchzuführen, dann ist das eine Niederlage für die Herrschenden in dieser Welt, die mit der Absetzung der regelmäßigen Weltfrauenkonferenzen der UNO das Problem der Befreiung der Frau abhaken wollten. Aber das Problem der doppelten Ausbeutung und besonderen Unterdrückung der Masse der Frauen wird es solange geben, wie es den Kapitalismus gibt. Die MLPD unterstützt dieses Projekt aus vollem Herzen und mit allen uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, weil sie der festen Überzeugung ist: Die Befreiung der Menschheit von Ausbeutung und Unterdrückung ist ohne die Befreiung der Frau unmöglich!
Rote Fahne: Der Linkstrend in Deutschland scheint ungebrochen, aber wie verhält es sich mit der Entwicklung der revolutionären Perspektive im Rahmen des Linkstrends. Können wir von einem Aufschwung das Kampfs für den Sozialismus ausgehen oder hat sich der Antikommunismus verfestigt?
Stefan Engel: Es ist sehr bemerkenswert, dass bei einer Emnid-Umfrage vom Februar 82 Prozent der Befragten zum Ausdruck brachten, sie könnten sich vorstellen, in einer sozialistischen Gesellschaft zu leben. Damit wird der seit dem Jahre 2006 vom Europarat in allen europäischen Ländern losgetretenen antikommunistischen Kampagne eine klägliche Niederlage bescheinigt. Immerhin wird tagein tagaus in Rundfunk und Fernsehen über die angeblichen Gräueltaten des Kommunismus, insbesondere des "Stalinismus" und des "Maoismus", berichtet. Ein solches weltanschauliches Trommelfeuer hat man selbst im "Kalten Krieg" nicht erlebt. Das erklärte Ziel, die kommunistische Ideologie unter den Massen als "Wurzel des internationalen Terrorismus" zu brandmarken, ist gründlich gescheitert. Trotzdem dürfen wir nicht unterschätzen, dass viele Leute nur eine sehr verwaschene Vorstellung von einer sozialistischen Gesellschaft haben.
Auch Lafontaine hat am Wochenende wieder vom "demokratischen Sozialismus" gesprochen, in dem die Ausbeutung und Unterdrückung des Menschen durch den Menschen abgeschafft sei. Das will er allerdings durchsetzen, ohne den Kapitalismus abzuschaffen, und ohne eine revolutionäre gesellschaftliche Umwälzung. Kapitalismus und Sozialismus sind unversöhnliche Gesellschaftsformationen. Wer den Leuten erzählt, der Sozialismus könne über Parlamentswahlen friedlich eingeführt werden, der ist entweder naiv oder demagogisch. Die MLPD wird sich in den nächsten Jahren als revolutionäre Alternative gegen die parlamentarische Illusion der Verwirklichung sozialistischer Verhältnisse über Wahlen durchsetzen müssen, wenn es zu einem Aufschwung des Sozialismus kommen soll.
Der Linkstrend in Deutschland ist zweifellos eine wichtige Entwicklungsstufe des Klassenbewusstseins, die allerdings noch nicht ausreicht für einen gesellschaftsverändernden Kampf für eine neue Gesellschaft. Deshalb ist es besonders wichtig, nicht nur spontan auf den Linkstrend zu setzen, sondern einen intensiven Kampf um die Denkweise der Massen zu führen. Die Massen können nur auf Grund ihrer eigenen praktischen Erfahrungen lernen, den richtigen Weg zu gehen. Deshalb ist es so wichtig, auf der Grundlage des gemeinsamen Kampfes ihre Zukunftsinteressen kameradschaftlich zu diskutieren und die kleinbürgerlichen Illusionen in die kapitalistische Gesellschaft zu überwinden.
Für immer mehr Menschen wird offensichtlicher, wie die kleine Schicht des internationalen Finanzkapitals das Leben ganzer Volkswirtschaften diktiert und dass das imperialistische Weltsystem von einer krisenhaften Daseinsweise ergriffen ist. Dies wird zum Schrittmacher, die Massen zum Kampf zur Überwindung des Kapitalismus zu ermuntern.
Es gehört zu den Hauptschwächen der Parteiarbeit in den letzten Jahren, dass wir nur sehr ungenügend eine massenwirksame Agitation und Propaganda für den echten Sozialismus entwickeln und unter die Massen tragen konnten. Wir sind aber fest entschlossen, diesen zentralen Mangel zu überwinden und uns für eine neue Offensive für den echten Sozialismus zu wappnen. Deshalb beteiligt sich die MLPD aktiv an den Aktivitäten zum Gedenken an die Lehren des bewaffneten Aufstand gegen die Kapp/Lüttwitz-Putschisten vor 90 Jahren. Wir bereiten uns auch auf die Teilnahme an den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt Anfang 2011 und an den Senatswahlen in Hamburg 2012 vor. Wir tun das mit dem Ziel, weitere Schritte zur nachhaltigen Durchbrechung der relativen Isolierung der MLPD zu unternehmen, die Alternative des echten Sozialismus breit unter den Massen zu verankern und die MLPD und ihren Jugendverband REBELL beschleunigt aufzubauen.
Rote Fahne: Vielen Dank für das Interview!
(hier das "Rote Fahne"-Interview im einheitlichen pdf-Format zum Ausdrucken)