Erlebnisse in einem besetzten Land

Erlebnisse in einem besetzten Land

Israelische Soldaten kontrollieren Schüler

Reisebericht über sechs eindrucksvolle Tage in der Westbank

Das Westjordanland (oder auch Westbank) ist eine etwa 30 Kilometer breite und 110 Kilometer lange Landfläche und bildet neben dem Gaza-Streifen den Kern des palästinensischen Autonomiegebiets. Dort leben geschätzte 2 Millionen Menschen arabischer und 500.000 Menschen jüdischer Herkunft. Ein Leser der „Roten Fahne“ hat das Land vor Kurzem besucht und in einem exklusiven Gespräch mit der „Roten Fahne“ von dieser Reise berichtet.

„Ich war bereits einmal beruflich vor einigen Jahren in Palästina. Mich haben Land und Leute damals so fasziniert und ich war so interessiert, mehr über den Konflikt vor Ort zu erfahren, dass ich vor Kurzem einen sechstägigen Aufenthalt bei einer arabischen Familie, die bei Ramallah ein Gästehaus hat, gebucht habe. Ich bin einfach auf eigene Faust losgeflogen und eingereist“, so der Kollege.
Die Westbank, zu der Ramallah gehört, ist geografisch nicht sehr groß, so dass unser Reisender alle wichtigen Städte besuchen konnte. „In den ersten Tagen ist meine Gastfamilie mit mir in ihrem Auto herumgefahren und hat mir die Sehenswürdigkeiten gezeigt. Dabei ist Folgendes passiert: Die Israelis haben schöne neue Straßen zu ihren Siedlungen gebaut. Diese werden zeitweilig, ohne dass es angekündigt wird, für Autos mit grünem – also palästinensischem – Nummernschild gesperrt. Die israelische Armee macht diese Straßen wirklich mit Felsbrocken und Betonbarrieren dicht! Wenn man also wie wir durchs Land fährt und zwischen Städten wie Ramallah, Nablus oder Jericho unterwegs ist, muss man wegen dieser Sperren gewaltige Umwege fahren.“
Im Laufe seines Aufenthalts erlebte der Kollege weitere Unterdrückungsmaßnahmen der israelischen Besatzungsmacht: „Am ersten Tag, als wir unterwegs waren, haben wir abseits der Straße zwei Traktoren im Feld gesehen. Plötzlich sind zwei Militärfahrzeuge auf die Traktoren zugefahren. Ich wollte filmen, was mir aber aus Angst vor einer Autobeschlagnahmung untersagt worden ist. Wir sind dann schließlich ein zweites Mal vorbeigefahren und haben gesehen, wie die israelischen Soldaten auf die Bauern eingeredet haben. Laut meinem Begleiter versuchen die Israelis zunehmend, die palästinensischen Bauern von gutem Land zu vertreiben und das war wohl in diesem Moment passiert. Ich war heftig empört, aber laut meiner Gastfamilie ist das normal.“
In Hebron wurde der Kollege Zeuge, wie israelische Siedler und Armee die palästinensischen Einwohner drangsalieren: „In Hebron haben sich zunehmend israelische Siedler eingeschlichen, die ihren palästinensischen Nachbarn das Leben dadurch erschweren, dass sie ihnen ihren Abfall von oben vor die Türen und Läden kippen. Deshalb haben diese dann Maschendraht über die Straße gespannt, auf dem sich von der vollen Babywindel bis zur leeren Flasche dieser Müll fängt. Mit dem Sohn eines Ladenbesitzers bin ich auf das Dach seines Wohnhauses gestiegen und wollte zwei israelische Soldaten fotografieren. Die haben das gesehen und haben ,Kamera weg‘ geschrien, worauf mir der Junge die Kamera heruntergezogen hat. ,Die schießen uns sonst die Wasserbehälter kaputt‘, hat er gesagt. Beim näheren Hinsehen hatten alle Wasserbehälter auf den Dächern zugelötete Einschusslöcher. Das ist ein Problem für die Menschen, da die israelische Armee die Palästinenser nur zweimal die Woche an frisches Wasser lässt“, erzählt der Kollege weiter.
Durch einen jungen Rechtsanwalt aus Australien, der sich um inhaftierte palästinensische Kinder und Jugendliche kümmert, bekam der Kollege einen Einblick in die Behandlung von Gefangenen und deren Vertretern durch die israelische Armee: „Dort sitzen zum Teil Kinder ein, die Steine auf israelische Militärfahrzeuge geworfen haben. … Eines Tages kam der Anwalt abends nach Hause und war fast taub, weil die israelischen Wachen nah an seinen Ohren Platzpatronen abgefeuert haben, um ihn zu verunsichern. Einmal kam er erst am nächsten Morgen nach Hause. Seine Hose war ganz dreckig. Der arme Kerl war eine Nacht lang mit Handschellen an ein Wasserrohr gefesselt gewesen und hatte sich in die Hosen gemacht“, so der Kollege.
Berichte von der Räumung und Zerstörung arabischer und palästinensischer Häuser durch die israelische Armee, um Land für jüdische Siedlungen zu gewinnen, sind seit langem bekannt, aber auch die Ladenbesitzer in den palästinensischen  Städten können sich ihrer Existenz nicht sicher sein: „Ich habe von besagtem Anwalt eine CD erhalten, auf der zu sehen ist, wie israelische Soldaten die Besitzer von Läden aus den Läden holen, diese in Armeejeeps verfrachten und die Läden zuschweißen. Die wollten die Läden haben! Das israelische Militär herrscht dort nach Gutdünken.“
Trotz all dieser Vorkommnisse hat der Kollege die Menschen dort als sehr freundlich, herzlich und gastfreundlich kennen gelernt. Unter anderem wurde er bei einem Dorfbesuch einfach zur gerade stattfindendem Hochzeit eingeladen.
Aber die israelische Besatzung beherrscht das Leben der Massen jeden Tag aufs Neue. Auf die Frage nach der Zukunft meinte der Kollege: „Irgendwann haben die Palästinenser genug von dem, was im Moment dort passiert. Vermutlich wird es noch eine große Intifada geben und ich hoffe nicht, dass sie in einem Blutbad enden wird.“

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