„… wenn es schneller möglich ist, soll man es auch schneller realisieren!“ – Ein Gespräch mit Hans-Christian Ströbele, Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen

„… wenn es schneller möglich ist, soll man es auch schneller realisieren!“ – Ein Gespräch mit Hans-Christian Ströbele, Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen

Hans-Christian Ströbele (foto: Grüne)

Sie haben die Zustimmung des Parteivorstands zu Merkels Atomgesetz kritisiert. Was sind die Kernpunkte Ihrer Kritik?

Wir hatten bis zur Katastrophe von Fukushima gefordert, die Laufzeitverlängerungen zurückzunehmen, die im Oktober letzten Jahres beschlossen worden sind. Das war bis dahin unsere Forderung. Nach Fukushima sind wir dafür eingetreten, dass die sieben Alt-AKW plus eins weiter stillgelegt bleiben. Wir haben auch einen Gesetzesänderungsantrag eingebracht, um den alten Zustand wieder herzustellen, also die Laufzeitverlängerung zurückzunehmen.
Alle unsere Experten, zu denen ich nicht gehöre, nicht nur die der Grünen, sondern auch viele andere, sind zu der Auffassung gelangt, die Stilllegung der AKW ist schneller möglich, ohne dass Versorgungsprobleme entstehen. Das war nach Fukushima auch notwendig, weil ja das Risiko viel deutlicher geworden ist. Der nächste Super-GAU ist viel näher als gedacht, er droht nicht erst in 10.000 Jahren. Wir haben deshalb alle die Forderung nach Stilllegung bis 2017 vertreten, auch die Vorständler, alle, die jetzt für den Antrag des Bundesvorstands gestimmt haben.
Wir sind dafür auf die Straßen gegangen mit hunderttausend anderen, wir haben noch in der letzten Sitzungswoche einen Antrag eingebracht, der die Laufzeiten entsprechend abkürzt und der Parteirat hatte schon im März einen entsprechenden Beschluss gefasst. Danach kann man doch nicht einfach sagen, wir stimmen der Stilllegung 2022 zu!
Das entspricht nicht mehr dem neuesten Erkenntnisstand und auch nicht der Machbarkeit. Wenn es schneller möglich ist, soll man es auch schneller realisieren! Jeder Tag, jeder Monat, jedes Jahr, die diese Dinger länger laufen, erhöht das Risiko entsprechend. Ohne Not sollte man so einem Gesetz nicht zustimmen – das war meine ganz simple Botschaft.

Hat Sie der Zustimmungs-Beschluss des Parteitags überrascht?

Ich habe ja einen Gegen-Antrag unterschrieben, der meiner Argumentation folgte. Der enthielt auch 80 oder 90 Prozent des Antrages des Vorstands, weil richtige Dinge drinstehen. Nur in der Passage zur Änderung des Atomgesetzes sagt der Alternativantrag: Nein.
Da kann man nicht zustimmen, sondern wir sollten auf Verhandlungen drängen, um Verbesserungen zu erreichen. Ich habe natürlich zur Kenntnis genommen, dass in den letzten Wochen die gesamte Grüne Spitze, die ja bei den Grünen sehr breit ist, unisono gesagt hat, man solle dem Atomgesetz der Bundesregierung zustimmen. Jeder, der was zu sagen hat bei uns, hat sich mehr oder weniger bald da eingereiht.
Dass man sich gegen den Bundesvorstand, gegen den Fraktionsvorstand, gegen die Landesvorstände, gegen den neuen grünen Ministerpräsidenten und, und, und mit einem Alternativantrag durchsetzen kann, ist bei den Grünen nicht ausgeschlossen, wie man in Göttingen bei der Afghanistan-Entscheidung gesehen hat, aber doch eher unwahrscheinlich. Deshalb habe ich mir vorgenommen, wir versuchen das und der grüne Parteitag hat sich mit 42 bis 43 Prozent ganz widerständig gezeigt.

Worin liegt Ihrer Meinung nach die Motivation des Parteivorstands, auf Zustimmung zu drängen?

Auch in der Anti-AKW-Bewegung gibt es ja dazu geteilte Meinungen. Für den Bundesvorstand ist es ein Problem zu sagen, wir stimmen dagegen, wenn ein Antrag vorliegt, mit dem Laufzeiten im Vergleich zur bisherigen Gesetzeslage reduziert werden sollen. Das verstehe ich auch, weil man intensiv hätte argumentieren müssen.

Was sind Ihre Schlussfolgerungen aus dem Parteitagsbeschluss?

Im Antrag des Bundesvorstands steht auch drin, dass der Kampf weitergeht. Wir versuchen natürlich weiter, dafür zu kämpfen, dass die Laufzeiten verkürzt werden. Wir verfolgen das mit Vehemenz weiter. 2013 wird gewählt, danach können wir es erneut versuchen – die Türen sind weit geöffnet.

Herzlichen Dank für das Interview!

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