Grüne: Als Tiger gesprungen – als Bettvorleger gelandet

Grün war die Farbe der Anti-AKW-Demos der letzten Wochen. Ballons, Fahnen – wie von Zauberhand standen plötzlich grüne Spitzenpolitiker auf den Straßen, marschierten in der ersten Reihe, setzten sich medienwirksam in Szene.

Viel Grün auch bei den Massenaktionen gegen „Stuttgart 21“ – zumindest vor den Landtagswahlen. Ein Signal für viele, die gegen die mörderische Atompolitik oder gegen das Wahnsinns-Bauprojekt der Deutschen Bahn sind: Grün ist wieder die Farbe der Hoffnung – wer die Grünen wählt, wählt den Fortschritt. Viele Menschen belohnten vor allem die Zähigkeit, die langjährige Aktivität und Standfestigkeit grüner Mitglieder gegen die Atomkraftwerke und gegen „S 21“ mit ihrer Stimme. Die Realität hat nunmehr viele Hoffnungen zunichte gemacht: Am vergangenen Samstag stimmte ein außerordentlicher Parteitag der Grünen für die Annahme von Merkels „Atomausstieg“ …

Nach dem 11. März, als sich mit der Katastrophe von Fukushima die tödliche Gefahr der Atomtechnologie erneut dramatisch in das öffentliche Bewusstsein brannte, entwickelte sich ein neuer Sturm der Entrüstung. Massendemonstrationen in ganz Deutschland und die Montagsproteste in über 400 Städten vereinten sich unter der Forderung: Sofortige Stilllegung aller AKW! Auch international gab es vielerorts Proteste: Italiens Ministerpräsident Berlusconi musste bei einer Volksabstimmung eine heftige Niederlage einstecken, weil er in Italien wieder Atomkraftwerke bauen lassen wollte.
Regierung und Konzerne kamen unter gewaltigen Druck. Gerade erst hatten sie es geschafft, die massiven Widersprüche durch die Weltwirtschaftskrise einigermaßen in Spannung zu halten; gerade erst kamen deutliche Signale der Rebellion aus dem Mittelmeerraum; und gerade erst, kein halbes Jahr zuvor, hatten sie behauptet, die Atomkraftwerke seien sicher und die Laufzeitverlängerung mit den Energiemonopolen ausgehandelt – und jetzt Fukushima!
Noch nie war eine Bundesregierung in einer zentralen Frage so isoliert wie die Merkel-Regierung in der Atompolitik. Sie hat deshalb ein Zugeständnis an den Massenprotest machen müssen, was vorher in dieser Form noch undenkbar war: Am Donnerstag, 30. Juni, entschied der Bundestag in einem Paket aus sieben Gesetzen über den „Atomausstieg“ und die „Energiewende“ der Bundesregierung. Danach sollen acht der zwischenzeitlich abgeschalteten Alt-AKW nicht mehr ans Netz gehen, die neun übrigen Reaktoren sollen aber bis 2022 laufen.
Ein Zugeständnis, das geradezu auffordert, die in die Defensive geratene Regierung mit einer Verschärfung des Widerstands zu einer sofortigen, umfassenden Stilllegung der Atomkraftwerke zu zwingen! Denn dieser „Atomausstieg“ kann so nicht hingenommen werden. Die sofortige Stilllegung aller Atomkraftwerke ist nicht nur nötig, sondern auch möglich! Diese Technik ist nicht beherrschbar. Die Risiken wachsen mit dem Weiterbetrieb immens, denn die Atomkonzerne werden versuchen, ohne große Sicherheitsinvestitionen und Materialerneuerung ihre Anlagen über die Runden zu bringen. Kein einziges deutsches AKW ist gegen Flugzeugabsturz und Terroranschläge geschützt, auch nicht gegen stärkere Erdbeben und Überschwemmungen. Die Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW) deckten in der „Plusminus“-Sendung am 21. Juni auf, dass bei einer Revision mit Brennstabwechsel ein AKW auf einen Schlag die 160-fache Radioaktivität freisetzt wie während des sonstigen Betriebes. Das ist eine Erklärung für die gehäuften Krebs- und Leukämiefälle um die AKW.
Jetzt wäre also Gelegenheit und Gebot der Stunde gewesen, dass die Grünen die Zustimmung zu diesem halbherzigen Gesetz verweigert hätten.
Was verändern die Grünen?
Der Sonderparteitag der Grünen in Berlin hat aber am 25. 6. die Zustimmung zum „Atomausstieg“ à la Schwarz-Gelb beschlossen. Renate Künast dazu: „Ja sagen und weiterkämpfen“. Der Gipfel: Sie verkaufte den Kniefall vor Schwarz-Gelb mit einem Marx-Zitat: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert. Es kommt aber darauf an, sie zu verändern.“ Marx würde einer so rabiaten Verdrehung seiner Weltanschauung vielleicht einen Satz aus seinem „Kommunistischen Manifest“ entgegensetzen, den er auf die „kleinbürgerlichen Sozialisten“ münzte: „In ihrer weiteren Entwicklung hat sich diese Richtung in einen feigen Katzenjammer verlaufen.“
Denn was „verändern“ die Grünen mit ihrem Beschluss? Von ihnen kommt ein „Ja“ zu weiteren zehn Jahren massiver Katastrophengefahr und „alltäglicher“ Verstrahlung; ein „Ja“ zur Beibehaltung der Forschungsreaktoren, der Uran-Brennstabfabrik in Gronau, der Atomtransporte und der desaströsen Atommüll-Lager; ein „Ja“ auch zum Ausbau klimazerstörender Kohlekraftwerke. Die bürgerliche „FAZ“ lobt das als „Zeichen für den Regierungswillen der Partei“. (FAZ.Net, 27. 6. 11)
Die grüne Spitze, propagandistisch als „Umwelttiger“ gesprungen, ist als Bettvorleger des internationalen Finanzkapitals gelandet: Die tiefe Krise der FDP eröffnet schließlich neue Horizonte, wieder mal regieren zu dürfen … Dafür wurden die Interessen der Massen und die Versprechen an die Umweltbewegung verraten. Doch prompt bahnt sich für die Grünen ein „Stresstest“ an: Ganze Kreisverbände wenden sich gegen die Zustimmung zum „Atomausstieg“, Umweltorganisationen wie BUND, Ausgestrahlt, IPPNW kritisieren den Beschluss heftig, Bürgerinitiativen wie X-tausenmal quer lehnen ihn ab (s. S. 7).
Die Grünen-Spitze hat das Vertrauen, das viele wegen der Atompolitik besorgte Menschen in sie gesetzt haben, mit diesem Beschluss tief enttäuscht. Schon als die Grünen zusammen mit der SPD in der Bundesregierung saßen, sind viele Illusionen in diese Partei zerplatzt: wegen der Zustimmung ihrer Führung zum NATO-Krieg in Jugoslawien, zu Afghanistan, wegen dem „Atomkompromiss“, der statt sofortiger Stilllegung weitere Laufzeiten für die Atommeiler absicherte … Wer im Kapitalismus regieren will, muss die Politik der Monopole betreiben – das ist die Erkenntnis, die man daraus ziehen muss.
Was tun? Auf die eigene Kraft vertrauen, sich enger zusammenschließen, den Widerstand der Straße und in den Betrieben verstärken – international! Das vertritt die MLPD, dafür macht sie eine intensive Kleinarbeit, erarbeitet Analysen und Broschüren, baut neue Umweltgruppen auf, organisiert mit ihrem Jugendverband rebellische Widerstandsgruppen. Auch die Montagsdemobewegung hat den Kampf gegen die Atomkraftwerke zu ihrer Sache gemacht – das sollte fortgesetzt und gestärkt werden! Von großer Bedeutung ist der Aufbau einer internationalen Widerstandsfront. Dafür ist die einjährige Kampagne der ICOR ab 1. September zur sofortigen Stilllegung aller AKW weltweit ein wichtiger Schritt. So wird die Möglichkeit eröffnet, den Umweltkampf international koordiniert zu führen und ihn mit Arbeiter- und Massenkämpfen weltweit zu verbinden. Rettet die Umwelt vor der Profitgier! Organisiert euch in MLPD, im Jugendverband REBELL und seinen rebellischen Widerstandsgruppen!

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