Die „Sicherheitsinteressen“ der deutschen Imperialisten

Geradezu überschwänglich wurde Außenminister Westerwelle (FDP) bei seinem Besuch in Tunesien am 12. Februar, vier Wochen nach dem Sturz des Präsidenten Ben Ali durch den demokratischen Volksaufstand.

„Hier ist der Freiheitsgeist aus der Flasche gelassen worden“, sagte er und: „Deswegen ist es unser großes Anliegen als Demokraten, dass diese Demokraten auch Erfolg haben.“ Und die Welle der Volksaufstände entwickelte sich tatsächlich weiter – zur übergroßen Freude von Westerwelle und Co.? Ein Land nach dem anderen im Mittelmeer- und arabischen Raum wurde vom Kampf der Volksmassen gegen die diktatorischen Regimes erschüttert. Die Völker in Tunesien und Ägypten geben sich mit den Übergangsregierungen, getragen von den alten Machthabern, nicht zufrieden. Der Plan westlicher Imperialisten, die Aufstandsbewegung zu missbrauchen, um ihren Einfluss in der Region zu festigen, ging wohl nicht auf. In Ägypten waren am Freitag, den 8. Juli, wieder Hunderttausende auf der Straße. Die Kräfte für eine grundsätzliche gesellschaftliche Veränderung werden auch in Tunesien stärker.

So begannen die deutschen Imperialisten parallel zu ihren verlogenen „Demokratie“-Verlautbarungen verzweifelt, nach neuen „Stabilitätsankern“ zu suchen. Geeignet für die Aufstandsbekämpfung, als sichere Basis der imperialistischen Ausbeutung und Unterdrückung der Region. Saudi-Arabien ist so ein Land. Ein Königreich, in dem Frauen nicht mal Auto fahren dürfen; in dem es keine Versammlungsfreiheit gibt; in dem schon 15-jährige Kinder enthauptet werden.
Jetzt hat offensichtlich der „Sicherheitsrat“ unter Vorsitz von Angela Merkel einer Lieferung von 200 Leopard-Panzern zugestimmt. Der Leopard 2A7 ist – so die Werbung von Kraus-Maffei – ausgelegt auf die Aufruhr-Bekämpfung in „lokalen Brennpunkten“. Und tatsächlich sorgte Saudi-Arabien bereits für „Stabilität“ in der Region: Mit 1.000 Soldaten marschierte es im März in Bahrain ein und half, die Widerstandsbewegung zu zerschlagen. Wie viel deutsche Technik war dabei?
Seit den 1980er Jahren gibt es in Deutschland Versuche, Kampfpanzer nach Saudi-Arabien zu liefern. Franz Josef Strauß (CSU) und Helmut Schmidt (SPD) ließen nach Protesten aber die Finger davon. Ob diese Panzer jetzt geliefert werden, was genau im Bundessicherheitsrat beraten wurde – streng geheim, wie so viele Drecksgeschäfte in diesem Land. Doch es scheint eine undichte Stelle gegeben zu haben – jedenfalls ist die Empörung in der Bevölkerung riesig. Auch im Bundestag wurde heftig gestritten – allerdings ist das Geschrei der bürgerlichen Opposition ziemlich verlogen: Saudi-Arabien war schon immer, auch unter der SPD/Grünen-Regierung und unter der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD, ein Top-Kunde der deutschen Rüstungsindustrie. Nach aktuellen Angaben des „Bonn International Center for Conversion“ (BICC) sind die deutschen Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien in den Jahren 1999 – also unter Rot-Grün – bis 2009 von etwas über 20 Millionen Euro auf fast 170 Millionen gestiegen.
Und nicht nur die deutschen: Das Königreich steht mit einem Militärbudget von (offiziell) 59 Milliarden US-Dollar im Jahr 2011 auf dem 5. Platz der weltweiten Militärhaushalte, es ist eines der am stärksten militarisierten Länder der Welt.
Erst 2009 genehmigte die Bundesregierung den Export von Teilen für Feuerleiteinrichtungen, für Kampfflugzeuge, Raketen, Granaten usw. „Die Firma EADS erhielt am 30. Juni 2009 die Genehmigung, das saudi-arabische Grenzsicherungsprogramm zu bauen. Mit dem EADS-Grenzsicherungsprogramm lassen sich zum Beispiel Fluchtversuche aus dem Land überwachen und gegebenenfalls unterbinden“, heißt es in einer Pressemitteilung der „Aktion Aufschrei: Keine Panzer nach Saudi-Arabien!“. Für die Ausbildung in dieser Technik soll es in Riad ein Büro der deutschen Bundespolizei mit 65 Leuten geben – den größten Einsatz der Bundespolizei im Ausland.

„Gegen Terror“
Ein „wichtiger Partner im Kampf gegen den Terrorismus“ sei Saudi-Arabien, sagt die Bundeskanzlerin. Da ist er wieder, der liebste Kampfbegriff der Herrschenden seit zehn Jahren. „Gegen den Terrorismus“ – das muss herhalten für den Krieg in Afghanistan, für die Faschisierung des Staatsapparats, für die weltweite Aufstandsbekämpfung und eben auch für die Hätschelung von Terror-Regimes wie Saudi-Arabien. Man müsse auch mit Partnern zusammenarbeiten, „die nicht unseren demokratischen Maßstäben entsprechen“, lässt Außenminister Westerwelle verlauten.
Und Innenminister Friedrich: „Saudi-Arabien tut viel gegen Gewalt und Terror – davon profitieren auch wir.“ Das ist schamlos: Eine der brutalsten Diktaturen der Welt zum Friedensgaranten hochzustilisieren und allenfalls, wie Westerwelle, eine ganz zarte Kritik nachzureichen – ohne aber im geringsten die „Partnerschaft“ infrage zu stellen!
Die „Stabilität“, die sich die Imperialisten in der Mittelmeerregion und im arabischen Raum wünschen, war über Jahrzehnte die Stabilität von brutalen Diktaturen: Ob Tunesien, Ägypten, Libyen – die westlichen Imperialisten sind tief verstrickt in die menschenverachtenden Regimes eines Ben Ali, Mubarak oder Gaddafi. Ohne die großzügige Militär„hilfe“, Ausbildung der Folterschergen usw. hätten sich diese faschistoiden Regierungen nicht halten können. Aber diese garantierten über lange Zeit „Sicherheit“ für die Ausbeutung der Ölreserven und weiterer Rohstoffe durch die internationalen Übermonopole sowie für die Transportwege in diesem strategisch so wichtigen Gebiet. Bezeichnend ist die Begrifflichkeit aus dem deutschen Innenministerium für die Unterdrückung des Volksaufstands in Bahrain: Es habe sich um eine „Sicherungsmaßnahme wichtiger Infrastruktur“ gehandelt …

Revolutionäre Signale
Das Signal der länderübergreifenden revolutionären Gärung im Mittelmeer- und im arabischen Raum wird von den Imperialisten durchaus verstanden: Die Haupttendenz auf der Welt ist die Vorbereitung der internationalen sozialistischen Revolution. Die Herrschenden stellen sich zunehmend auf die Verteidigung ihrer Herrschaft ein.
Dagegen bauen sie nicht nur ihren Gewaltapparat aus. Auch ihre Propaganda wird offener reaktionär. Innenminister Friedrich (CSU) ließ die Bevölkerung wissen, dass er nichts Falsches an dem Satz des früheren Innenministers Schily (SPD) bezogen auf „Terroristen“ finden könne: „Wer den Tod liebt, kann ihn haben.“ Ein Programm für die Hinrichtung von Leuten ohne jede demokratische Legitimierung?

Aufstandsprophylaxe im Innern
Natürlich engagiert sich der deutsche Imperialismus nicht nur in fernen Ländern in der Aufstandsbekämpfung. Natürlich muss im Stammland der deutschen Übermonopole vorgebeugt werden – denn auch da mehren sich die Zeichen, dass das Volk auf Dauer nicht mehr so weiterleben will. In dieser Situation wird der Kampf um die Denkweise der Massen von den Herrschenden befeuert mit einer antikommunistischen Attacke nach
der anderen. Vorne dran das geheime Propagandaministerium, genannt „Verfassungsschutz“. So schaffte es Innenminister Friedrich doch tatsächlich bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2010, von rasant steigenden Straftaten von „Linksextremisten“ zu reden – obwohl in seinem eigenen Bericht belegt ist, dass die Zahl von Straftaten mit angeblich „linksextremistischem Hintergrund“ im Jahresvergleich um über 20 Prozent zurückgegangen ist! Das ist der Versuch, Linke zu kriminalisieren, eine radikale Infragestellung des kapitalistischen Systems als „extremistisch“ abzustempeln und in der Bevölkerung Vorbehalte und Ängste zu schüren.
„Linksextremisten“ werden da ausgemacht bei den Demos gegen die Krisenprogramme, im antifaschistischen Kampf, bei den Protesten gegen die Castor-Transporte usw. Als „extremistisch“ und von der PKK gesteuert diffamiert der Verfassungsschutz auch die Kampagne „Tatort Kurdistan“, die die Verstrickung deutscher Behörden und Rüstungsmonopole bei der Unterdrückung der Kurden in der Türkei anprangert. Die Kampagne schreibt in einer Presseerklärung vom 6. 7. 11: „Wir vermuten hinter den Ausführungen im VS-Bericht den gezielten Versuch, eine politische Intervention gegen die reibungslose deutsch-türkische Zusammenarbeit bei der Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung zu unterbinden … Die Art und Weise, wie sich hier der Staat anmaßt, zivilgesellschaftliches Engagement mit dem VS als von niemand bestelltem obersten Richter zu gängeln, hat selbst schon einen totalitären Einschlag.“ Das kann man mit Fug und Recht sagen – siehe dazu auch unser Artikel über die neue Anwendung des § 129 b gegen die PKK. Die Herrschaftssicherung der Imperialisten läuft keineswegs nur auf der Propaganda-Schiene, sondern ist durchaus handfest, auch wenn vieles unter dem Tisch gehalten wird.
„Haben sie denn so mächtige Feinde?“, fragt Bertolt Brecht in seinem Lied „Im Gefängnis zu singen“. Es endet mit den Zeilen:
Eines Tages,
und das wird bald sein,
werden sie sehen,
daß ihnen alles nichts nützt.
Und dann können sie
noch so laut Halt schrei’n,
Weil sie weder Geld
noch Kanonen mehr schützt.

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