Der Überfall der Hitlerfaschisten auf die Sowjetunion 1941

aus Rote Fahne 22/2011

RoteFahne22_11.jpg1. Teil: Hintergründe und Vorgeschichte

 

Kriege und Kriegsgefahr sind im staatsmonopolistischen Kapitalismus eine Gesetzmäßigkeit. „Das politische Wesen des Imperialismus ist das Streben nach Weltherrschaft“, heißt es dazu im Parteiprogramm der MLPD.

 

Aufgrund seiner späten Entwicklung drängte der deutsche Imperialismus mit besonderem Nachholbedarf auf die Weltherrschaft und wurde 1914 zum Hauptverantwortlichen für den ersten imperialistischen Weltkrieg. Die rechte Führung der SPD verriet damals die Arbeiterinteressen und unterstützte die Kriegsführung des Kaisers. Dagegen orientierten sich die revolutionär gebliebenen Kräfte um Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg an dem Vorbild Lenins in Russland und riefen zur Umwandlung des Kriegs in einen Bürgerkrieg gegen die herrschende Klasse auf.

Nach seiner Niederlage und der Kapitulation 1918 wurde Deutschland im Vertrag von Versailles von den imperialistischen Konkurrenten ein Siegfrieden diktiert, der Reparationen, Gebietsabtretungen und den Verlust aller Kolonien erzwang, sowie Bewaffnung und Militärstärke begrenzte. So ungerecht der imperialistische Krieg war, so ungerecht war auch der nachfolgende Frieden, der für die deutsche Arbeiterklasse eine doppelte Ausbeutung bedeutete – sowohl durch die eigene Bourgeoisie wie durch die imperialistischen Siegermächte. Es entstand eine Revanchestimmung, die besonders unter den kleinbürgerlichen Massen den Nationalismus erzeugte, der von Hitler und seiner demagogisch als „nationalsozialistisch“ bezeichneten Partei angefacht wurde.

 

Ablehnung der sowjetischen Angebote

1922 war unter Lenins Führung der Rapallo-Vertrag zwischen der Sowjetunion und Deutschland geschlossen worden. Verschiedene Wirtschaftsabkommen brachten zahlreichen deutschen Arbeitern eine Beschäftigungssicherung. Die Rote Armee bot der Reichswehr auf sowjetischem Territorium zudem militärische Übungsmöglichkeiten. Führende Kräfte des Monopolkapitals verlangten jedoch eine andere Politik: Sie sahen im Bolschewismus die Bedrohung ihrer Klassenherrschaft und waren strikt gegen eine Zusammenarbeit mit der Sowjetunion. In Hitler fanden sie den ihnen genehmen Politiker, der in dem 1924–26 verfassten Buch „Mein Kampf“ seine gegen den Sozialismus gerichtete Mission entwickelt hatte, die er in einem Bündnis mit England verwirklichen wollte.

Im Februar 1936 gewährte Hitler dem britischen Kulturphilosophen Arnold J. Toynbee (1889–1975) eine Audienz, die er zu einem über zweistündigen Vortrag nutzte. Toynbee schilderte später das Werben um die britische Partnerschaft gegen die „kommunistische Gefahr“, die Hitler als asiatische Bedrohung ausmalte: „Hitler begann mit einer Frage: ,Warum seid ihr Rußland so freundlich gesinnt? … Ich weiß, warum. Weil ihr euch vor Japan fürchtet. Aber wenn ihr einen Freund braucht, der euch gegen Japan hilft, warum sollte dann Rußland euer Freund sein? Warum sollte nicht ich der Freund sein, den ihr braucht? Natürlich, wenn ich euer Freund in der Not sein soll, dann müßt ihr mir meine Kolonien zurückgeben …‘“

Der Brite zeigte sich äußerst beeindruckt: „… seine Stimme war für mich unerwartet angenehm – menschlich in der Tonlage und in der Tonhöhe, das heißt solange er nicht über Rußland sprach. Sobald aber das Wort ,Rußland‘ über Hitlers Lippen kam, wurde seine Stimme rauh, und er kreischte heiser – ein Kreischen, das einen hatte zittern lassen, wenn man eine seiner aufpeitschenden, demagogischen Reden im Rundfunk hörte.“ (Zitiert in: „Der Spiegel“, Nr. 9/1967, S. 99/100)

 

Hitlers Umweg nach Osten

Die Monopole hatten Hitler 1933 zum Reichskanzler gemacht, als in der Folge der Weltwirtschaftskrise die SPD-Führung die Arbeiter nicht mehr bändigen konnte und eine Revolution unter kommunistischer Führung drohte. Die Herrschaftsform der bürgerlichen Demokratie wurde aufgegeben und der kreischende Antikommunist Hitler zum Retter der Kapitalsherrschaft erkoren. Arbeiterparteien und Gewerkschaften wurden verboten und ein Aufrüstungsprogramm begonnen, dass die Massenarbeitslosigkeit weitgehend beseitigte – auf die Gefahr eines neuen Krieges hin! „1939 stand die deutsche Gruppe vor einem Wendepunkt. Die deutsche Kriegsrüstung war im allgemeinen abgeschlossen. Es blieben der deutschen Wirtschaft nur drei Wege offen: 1. Umstellung auf normale Produktion und riesige Ausdehnung der Ausfuhr. Dieser Weg war infolge der hohen Zollmauern des Auslands undurchführbar. 2. Drosselung der Produktion und als Folge eine Millionen-Arbeitslosigkeit. Dieser Weg war aus innenpolitischen Gründen nicht gangbar. 3. Expansion zur Eroberung der notwendigen Rohstoff- und Absatzgebiete. Dieser Weg bedeutete Krieg, war aber für die deutsche Gruppe der einzig mögliche. Da nun die für die deutsche Industrie in Frage kommenden Rohstoff- und Absatzgebiete in Händen des englisch-französischen Kapitalismus lagen, mußte die Expansion nach dem Westen erfolgen.“ (Willi Dickhut, „Proletarischer Widerstand gegen Faschismus und Krieg“, S. 80)

Hitler bot der Sowjetunion einen Nichtangriffsvertrag an, den Stalin akzeptierte, nachdem er zuvor mehrere Jahre lang erfolglos versucht hatte, mit den Westmächten ein gemeinsames Vorgehen gegen die drei aggressivsten faschistischen Staaten – Deutschland, Japan, Italien – zustande zu bringen. Die Sowjetunion, die sich über Hitlers eigentliches Ziel vollkommen klar war, konnte damit auch Zeit für ihre eigene Aufrüstung gewinnen.

Am 7. September 1939, nachdem Hitler Polen überfallen und in der Folge England und Frankreich ihm den Krieg erklärt hatten, machte Georgi Dimitroff, der Generalsekretär der Kommunistischen Internationale, folgende Notizen über Stalins Einschätzung der Lage: „Der Krieg wird zwischen zwei Gruppen von kapitalistischen Staaten geführt – (arme und reiche im Hinblick auf Kolonien, Rohstoffe usw.) um die Neuaufteilung der Welt, um die Weltherrschaft! – Wir haben nichts dagegen, daß sie kräftig aufeinander einschlagen und sich schwächen. – Nicht schlecht, wenn Deutschland die Lage der reichsten kapitalistischen Länder (vor allem England) ins Wanken brächte. – Hitler selbst zerrüttet und untergräbt, ohne es zu verstehen und zu wollen, das kapitalistische System …“ (Georgi Dimitroff, „Tagebücher 1933–1943“, Berlin 2000, S. 273)

Willi Dickhut, der in seinen – 1941 bis 1945 während der illegalen Widerstandsarbeit angefertigten – Analysen zu exakt derselben Einschätzung kam, schrieb dazu, dass Hitler damit einen entscheidenden Fehler beging: So wie der deutsche Imperialismus im I. Weltkrieg irrtümlich Frankreich statt England als Hauptfeind betrachtete, so richtete er sich jetzt gegen England in Verkennung der Tatsache, dass die Sowjetunion sein Hauptfeind war. Das sollte sich bitter rächen, auch wenn Hitler durch den Bruch des Nichtangriffsvertrags und den Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 zunächst die Oberhand erlangte!

2. Teil: Bedeutung und Bewertung

Im Dezember 1941 analysierte Willi Dickhut in seiner Anleitung für die illegale antifaschistische Widerstandsarbeit der Solinger KPD die Wandlung des 1939 begonnenen II. Weltkriegs: „Wenn bisher dieser Krieg ein rein imperialistischer Krieg war, eine kapitalistische Auseinandersetzung zur Eroberung von Rohstoff- und Absatzgebieten, ein Krieg, der die koloniale Neuaufteilung der Erde auf die Tagesordnung setzte, so trat durch den Angriff der deutschen Gruppe auf die Sowjetunion die kapitalistische Auseinandersetzung weit in den Hintergrund. Jetzt wurde der Krieg gekennzeichnet durch die große soziale Auseinandersetzung der aggressiven kapitalistischen Gruppen gegen die sozialistische Gruppe. Das war der Sinn der großen Wandlung…“ (Willi Dickhut – „Proletarischer Widerstand gegen Faschismus und Krieg“, Düsseldorf 1987, S. 103)

 

War Stalin „abgetaucht“?

Der Bruch des zwischen Deutschland und der Sowjetunion bestehenden Nichtangriffsvertrags zu diesem Zeitpunkt traf die Sowjetunion überraschend. Die faschistischen Truppen konnten gewaltige Anfangserfolge erzielen. Die MLPD hat es zurecht als Fehler Stalins bezeichnet, dass er der Warnung, die durch den kommunistischen Kundschafter Richard Sorge aus Japan übermittelt wurde, keinen Glauben schenkte. Sorge hatte den Termin des Überfalls in der deutschen Botschaft in Japan erfahren und nach Moskau gefunkt. Stalin hatte jedoch auch Gründe für die Vermutung, es handle sich um eine Fehlinformation: Die Unterzeichnung eines Neutralitätspaktes mit Japan als deutschem Verbündeten am 13. April 1941 sprach seiner Meinung nach gegen einen bevorstehenden Krieg. Zudem hatte die britische Regierung kurz zuvor versucht, die „persönliche Mission“ des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß, der allein nach England geflogen war, um ein Friedensabkommen zu erreichen, gegen die Sowjetunion zu nutzen. Als sie dem sowjetischen Botschafter Maiski Anfang Juni mehrere Warnungen zukommen ließ, fasste Stalin das als Finte auf.

Von antikommunistischer Seite wurde diese Fehleinschätzung als „Versagen“ Stalins bezeichnet, der Revisionist Chruschtschow ging bei seinen Angriffen sogar soweit, ihn für die Verluste der Roten Armee persönlich verantwortlich zu machen. In seiner „Geheimrede“ auf dem XX. Parteitag der KPdSU 1956 behauptete er, Stalin sei deprimiert, reaktions- und arbeitsunfähig gewesen. Als „Beweis“ dafür wurde seitdem immer wieder angeführt, dass er sich erst 14 Tage nach dem Überfall an das sowjetische Volk wandte – vorher sei er völlig verzweifelt „abgetaucht“. Der Historiker Geoffrey Roberts stellte 2006 dazu sachlich fest: „Wenn man Stalins persönliche Reaktion auf den deutschen Angriff herausfinden will, ist man vielleicht besser beraten, sich die zeitgenössischen Zeugnisse seines Handelns in den ersten Tagen des Krieges anzusehen. Nach seinem Terminkalender hielt Stalin, als der Krieg ausbrach, zahlreiche Besprechungen mit den Mitgliedern der militärischen und politischen Führung ab. Die ersten Kriegstage verlangten von ihm viele Entscheidungen. Am Tag, als der Krieg ausbrach, erließ er 20 unterschiedliche Befehle und Dekrete. Am 23. Juni richtete er eine Stawka (Hauptquartier) des Oberkommandos ein, eine gemischte politische und militärische Einrichtung – deren Vorsitz Verteidigungsminister Timoschenko übernahm –, um die strategische Leitung des Krieges zu beaufsichtigen. Am 24. Juni wurde beschlossen, einen Evakuierungsrat zu gründen, um Bevölkerung und Materialien aus der Kriegszone zu evakuieren. Außerdem wurde ein sowjetisches Informationsbüro (Sowinform) eingerichtet, mit der Aufgabe, die Kriegspropaganda zu koordinieren … Am 22. Juni begann der Tag in Stalins Büro um 5.45 Uhr, als Molotow mit der Nachricht der deutschen Kriegserklärung von einem Treffen mit Schulenburg zurückkam ... Ein anderer früher Besucher in Stalins Büro an diesem Tag war der Leiter der Komintern, Georgi Dimitrow, der in seinem Tagebuch vermerkte: ‚Um sieben Uhr morgens wurde ich dringend zu Stalin in den Kreml gerufen… Bemerkenswerte Ruhe, Entschlossenheit, Vertrauen von Stalin und allen anderen...‘“. (Geoffrey Roberts – „Stalins Kriege“, Berlin 2008, S. 111-112)

 

Stalin – ein „Dilettant“?

In der Besprechung der „FAZ“ zu einer aktuellen Neuerscheinung zum 70. Jahrestag des Überfalls wird zum x-ten Mal die Behauptung wiederholt: „Als Feldherren waren sie ‚gehörige Dilettanten‘, Stalin noch mehr als Hitler.“ (Christian Hartmann – „Unternehmen Barbarossa“, München 2011, siehe „FAZ“, 2. Mai 2011, S. 9) Den Angriff auf Stalin hatte der Verleumder Chruschtschow in die Welt gesetzt, als er in der „Geheimrede“ behauptete, Stalin habe die Frontoperationen anhand eines Globus geleitet. Nicht nur wurde das von dem sowjetischen Marschall Shukow, der zunächst Chruschtschow-Anhänger war, in seinen Memoiren ausführlich und konkret widerlegt. (siehe in G. K. Shukow – „Erinnerungen und Gedanken“, Berlin 1987, S. 360) Bekannt ist zudem, dass Stalin seine militärischen Führungsqualitäten nach der Oktoberrevolution im Bürgerkrieg gegen die Konterrevolution erlangte und seitdem zielgerichtet weiterentwickelte. John Thomas Murphy, Mitbegründer der KP Großbritanniens, schrieb dazu 1945 in seiner Stalin-Biographie:

„Stalin selbst hatte sich auf seinen als Heerführer im Interventionskrieg erworbenen Lorbeeren nicht ausgeruht. Er war es gewesen, der Michael Frunse in die Führung der Roten Armee berufen hatte. In der Anfangszeit der Revolution hatte sich Frunse als militärisches Genie erwiesen… Von Frunse, der 1925 starb, hat Stalin viel gelernt… Frunses Schriften wurden die offiziellen militärischen Lehrbücher der Roten Kriegsakademie. Aber es gab noch einen anderen Heerführer der Roten Armee, der gleichfalls mit einigem Recht als militärisches Genie bezeichnet wurde. Er heißt Marschall Boris Michailowitsch Schaposchnikow… Abgesehen von seinen militärischen Fähigkeiten ist er auch wissenschaftlicher Mathematiker. 1932 besuchte Stalin seine Vorlesungen und studierte mit ihm moderne Kriegsführung. Stalin hat nie etwas über diese Studien verraten, aber sie lehrten ihn gründliches Verständnis für die Theorie der Reserven und der Einkreisung, für den Bewegungskrieg und den totalen Charakter der modernen Kampfführung.“ (J. T. Murphy – „Stalin“, Zürich 1945, S. 284–285)

In der Realität zeigte sich, dass die damals stärkste Militärmacht der Welt – der deutsche Faschismus auf dem Höhepunkt seiner Macht – nur durch eine Kraft zu stoppen war, durch die sozialistische Sowjetunion unter Stalins Führung! Willi Dickhut zeigte in seinen Analysen das sowjetische Vorgehen konkret auf und sagte bereits 1941 die Niederlage Hitlers voraus. Als die Faschisten im Dezember 1941 vor Moskau zum Stehen kamen, war der Krieg für sie faktisch schon verloren, wenn auch noch lange nicht beendet. Zurecht urteilt die MLPD deshalb heute unter der Überschrift „Unvergängliche Erfolge beim Aufbau des Sozialismus“: „Der Sieg der Sowjetunion über den deutschen Imperialismus war ein historischer Sieg der sozialistischen Gesellschaftsordnung über den Faschismus, über die brutalste Form der kapitalistischen Gesellschaftsordnung, die auf Antikommunismus, Rassismus und offenem Terror aufgebaut war.“ (Stefan Engel – „Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution“, Essen 2011, S. 107) (dk)

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