Atemnot des internationalen Finanzmanagements

Die Weltwirtschafts- und Finanzkrise verschärft sich in den letzten Wochen dramatisch. Von den erneuten Kursstürzen an den weltweiten Börsen waren vor allem Aktien der Großbanken betroffen.

Um bis zu zehn Prozent stürzten die Aktienkurse der Deutschen Bank am Montag, den 5. September, ab. Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann schlug Alarm: „All dies erinnert an den Herbst 2008.“ Damals war die bis heute andauernde Weltwirtschafts- und Finanzkrise in Zusammenhang mit dem Platzen einer gigantischen Spekulationsblase ausgebrochen. Um einen „erneuten Zusammenbruch des Finanzsystems“ zu verhindern, seien „weitere Anstrengungen“ nötig. Aufgrund der enorm gewachsenen Staatsverschuldung gebe es dieses Mal aber „wenig oder gar keinen Spielraum, mit Steuersenkungen oder Subventionen“ dagegen vorzugehen.

Damit bestätigt er unfreiwillig die Vorhersage, wie sie von der MLPD in dem Buch „Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution“ getroffen wurde, dass durch das beispiellose internationale Krisenmanagement „die zugrunde liegenden Widersprüche nur in Spannung gehalten, aufgestaut und in die Zukunft verschoben wurden“ (S. 174).
In immer kürzeren Abständen erweisen sich die „Rettungsschirme“ und die damit verknüpften Krisenprogramme zur Abwendung von Staatsbankrotten einzelner EU-Länder als nicht mehr ausreichend. Die sich vertiefende Wirtschaftskrise in Griechenland mit 7,5 Prozent Rückgang der Wirtschaftsleistung im ersten Halbjahr 2011 hat die Hoffnung der Krisenmanager auf eine Rückzahlung der Schulden zunichte gemacht. Dazu kommt, dass die Umsetzung der bereits beschlossenen Krisenprogramme und Privatisierungen auf wachsenden Widerstand stößt. Der griechische Wirtschaftsminister sieht kaum noch Spielraum für „weitere Einsparungen und Ausgabenkürzungen im öffentlichen Dienst“. Mittlerweile sind in der EU nicht nur Griechenland, Portugal und Irland faktisch zahlungsfähig. Mit Italien und Spanien sind auch das dritt- und viertstärkste imperialistische Land der Euro-Zone davon bedroht. Dies birgt die Gefahr einer Kettenreaktion bis hin zum drohenden Auseinanderbrechen der EU.
Die europäischen Regierungen befinden sich insgesamt in der Zwickmühle zwischen der notwendigen drastischen Abwälzung der Krisenlasten und dem wachsenden Widerstand der Massen. In Italien hat am 6. September ein landesweiter Generalstreik das Land weitgehend lahmgelegt. Bereits zuvor hatten rund 2.000 Bürgermeister gegen eine von der Regierung verordnete Zusammenlegung ganzer Städte- und Gemeindeverwaltungen protestiert. Berlusconi hat diese Verordnung daraufhin wieder zurückgenommen und verzichtet auch auf die geplante Abschaffung von vier staatlichen Feiertagen einschließlich des 1. Mai. Das wiederum führte dazu, dass die Rating-Agenturen bereits ankündigten, die Kreditwürdigkeit Italiens weiter herabzustufen, was die Gefahr des Staatsbankrotts erneut verschärft.
Auch in Madrid gab es am Tag des Generalstreiks in Italien eine Massendemonstration gegen das Krisenprogramm der Regierung. In Israel demonstrierten am Wochenende zuvor 450.000 Menschen gegen die Regierung und in Portugal hat der Gewerkschaftsdachverband Massenproteste für den 1. Oktober angekündigt.  

Merkel-Regierung vor dem Ende?
Vor diesem Hintergrund nehmen auch die Zerfallserscheinungen in der Berliner Regierung zu. Bei einer Probeabstimmung der Regierungsfraktionen von CDU/CSU und FDP am 5. September verweigerten insgesamt 25 Abgeordnete dem Gesetzesentwurf zur Ausweitung des „Euro-Rettungsfonds“ EFSF ihre Zustimmung, der kurz zuvor vom Regierungskabinett beschlossen worden war. Es sieht vor, den Garantierahmen für Bürgschaften auf 780 Milliarden Euro aufzustocken. Außerdem soll er neue Kompetenzen zum Aufkauf von Staatsanleihen kriselnder Euro-Staaten und zur Finanzierung staatlicher Stützungsmaßnahmen für in Schieflage geratene Großbanken erhalten. Der Anteil Deutschlands an den Bürgschaften erhöht sich damit von 123 auf 211 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der gesamte Bundeshaushaltsplan für 2011 hat eine Größenordnung von 307 Milliarden Euro. Im Kern handelt es sich bei dem EFSF um ein Rettungspaket für die internationalen Großbanken auf Kosten der Steuerzahler, weil Staatsanleihen angeschlagener Länder aufgekauft werden sollen und damit deren Risiko übernommen wird. Nach einer Statistik der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) vom 11. April 2011 sind Griechenland, Portugal, Irland, Spanien und andere EU-Länder gegenüber deutschen Banken mit 370 Milliarden Dollar verschuldet, gegenüber Banken Großbritanniens mit 280 Milliarden und französischen mit 253 Milliarden Dollar.
Angesichts des Einbruchs ihrer Massenbasis, wie sie bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern deutlich wurde, fällt es auch Abgeordneten der Regierungsparteien immer schwerer, diese Politik gegenüber den eigenen Mitgliedern und Wählern zu verkaufen. Bundestag und Bundesrat sollen dem Gesetzentwurf Ende September zustimmen. Davor sind noch die Landtagswahlen in Berlin. Bekäme die Regierung keine eigene Mehrheit mehr zustande, würde dies die Regierungskrise offen aufbrechen lassen und einen Regierungswechsel auf die Tagesordnung setzen. Das unter anderem von Josef Ackermann und BDI-Präsident Hans-Peter Keitel auch für Deutschland geforderte verschärfte Krisenprogramm (Keitel: „Deutsche sollen Opfer bringen“) könnte diese Regierung aufgrund ihrer geschrumpften Massenbasis kaum mehr durchzusetzen.

Rückfall innerhalb der Weltwirtschafts- und Finanzkrise
Der Hintergrund der akuten Atemnot des internationalen Finanzmanagements ist, dass die Hoffnung und Spekulation des internationalen Finanzkapitals auf einen „selbsttragenden Aufschwung der Weltwirtschaft“ geplatzt ist. Mehr und mehr Anzeichen deuten auf einen erneuten Rückfall innerhalb der Weltwirtschaftskrise hin. In den USA liegt die reale Massenarbeitslosigkeit weit über den offiziell ausgewiesenen 9,1 Prozent. Nach Auslaufen des bisherigen Konjunkturprogramms sind die Möglichkeiten der Notenbank (FED), mit ihrer faktischen Nullzinspolitik und dem unterbewerteten Dollar auf die Wirtschaftsentwicklung Einfluss zu nehmen, weitgehend ausgeschöpft. Mit der Weigerung von Senat und Repräsentantenhaus, das Verschuldungslimit von 14,3 Billionen US-Dollar aufzustocken, wurde dieses Problem offensichtlich. Auch die mühsam durchgesetzte Aufstockung der Obergrenze um 2 Billionen konnte nicht davon ablenken, dass es ein ernsthaftes Schuldenproblem in den USA gibt, während die wirtschaftliche Entwicklung stagniert und noch nicht einmal den Vorkrisenstand erreicht hat. Auch in der BRD läuft die vorübergehende Belebung innerhalb der Weltwirtschaftskrise aus. Nach dem deutlichen Rückgang der Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts im zweiten Quartal 2011 sind die Auftragseingänge für die Maschinenbauindustrie im Juli um 4 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen.

SPD und Grüne – die besseren Krisenmanager?
Während die CDU und FDP bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern ein regelrechtes Desaster erlebten, konnten vor allem die Grünen und zum Teil die SPD davon profitieren (siehe S. 19). Beide versuchen sich angesichts des rapiden Vertrauensverlustes in die Merkel-Regierung als die besseren Krisenmanager zu profilieren. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel beteuerte jedoch, seine Partei werde „die Vergemeinschaftung von Schulden mittragen, weil es im Interesse der exportorientierten Bundesrepublik“ notwendig sei („faz-net“, 31. 8. 11). Es müssten jedoch noch „Einzelheiten der parlamentarischen Beteiligung bei den Rettungsmaßnahmen des EFSF geklärt werden“. Das Parlament soll schließlich seine Rolle als Nebelwand zur Verschleierung der Diktatur des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals nicht verlieren.
Die SPD ist wie die Grünen und die Bundesregierung für die Einführung einer sogenannten Finanztransaktionssteuer. Dabei geht es allerdings lediglich um einen Promillesatz von 0,01 Prozent des Volumens der Kapitalspekulation. Schätzungen gehen in diesem Fall von 2 Milliarden Euro zusätzlichen Steuereinnahmen aus, während allein die Zinszahlungen an die Großbanken 2011 laut Bundesfinanzplan 38,1 Milliarden Euro betragen. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein, der zudem nichts an den Gesetzmäßigkeiten ändert.
Die Grünen propagieren einen „Green New Deal“, um die „Krise gemeinsam (zu) überwinden“. Ihr Positionspapier dazu gibt Aufschluss, wer bei diesem „Deal“ über den Tisch gezogen werden soll. Darin wird von den Werktätigen in Ländern wie Griechenland, Portugal und Spanien „Zurückhaltung bei Löhnen über einen längeren Zeitraum“ gefordert und gleichzeitig der „europäische Bankenrettungsfonds“ als Beitrag zu einer „solidarischen europäischen Wirtschaftspolitik“ verkauft. Der Unterschied zur derzeit scheiternden Regierungspolitik von „schwarz-gelb“ ist kaum noch zu erkennen.

„Staatsstreich der Finanzmärkte“?
Zu begrüßen ist, dass die Linkspartei die Erweiterung des Euro-Rettungsschirms EFSF für die Banken ablehnt. Bemerkenswert ist allerdings die Aussage von Klaus Ernst, einem der beiden Vorsitzenden der Linkspartei: „Die Euro-Krise wird zum Staatsstreich der Finanzmärkte und die Bundesregierung spielt mit.“ (www. linksfraktion.de) Ein „Staatsstreich“ ist bestimmt das Letzte, was das internationale Finanzkapital heute nötig hätte, um in den Genuss der gigantischen „Rettungsschirme“ zu kommen. Systematisch haben sich die führenden Übermonopole seit dem Ausbruch der Weltwirtschafts- und Finanzkrise der Nationalstaaten als ihrer Dienstleister bedient und deren Verschuldung dabei ohne Skrupel in schwindelnde Höhen getrieben. Die Bundesregierung spielte dabei nicht nur widerwillig mit, sie trieb diese Politik maßgeblich voran. Was so wortradikal daher kommt, ist im Kern die alte reformistische Illusion eines über den Klassen schwebenden Staates. Statt der von den Marxisten-Leninisten geförderten Erkenntnis, dass die Diktatur des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals nur revolutionär beseitigt werden kann, wird damit auf die Verteidigung dieses bürgerlichen Staates und dessen parlamentarischer Scheindemokratie orientiert.

Das Potenzial einer politischen und revolutionären Weltkrise
Mit der dramatischen Verschärfung der Weltwirtschafts- und Finanzkrise erweitert sich das Potenzial für die Stärkung der revolutionären Richtung im Linkstrend und die Entstehung einer politischen – und revolutionären Weltkrise. Die allgemeine Krisenhaftigkeit des imperialistischen Weltsystems und die Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Produktionsweise können auch durch Neuwahlen nicht überwunden werden. Einen grundsätzlichen Ausweg eröffnen nur die Vorbereitung der internationalen sozialistischen Revolution und die Errichtung der vereinigten sozialistischen Staaten der Welt. Dazu bedarf es der entschiedenen Stärkung der in der neuen weltweiten Organisation ICOR zusammengeschlossenen revolutionären Parteien und Organisationen und der kämpferischen Opposition.
Angesichts der großen Probleme der Regierung und der Forderung der Unternehmerverbände, zur verschärften Abwälzung der Krisenlasten überzugehen, passt die überparteilich organisierte bundesweite Herbstdemonstration am 17. September – einen Tag vor der Landtagswahl in Berlin – gut in die Situation. Sie steht unter dem Motto „Von Athen und Barcelona bis Berlin – gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf den Rücken der Bevölkerung! Für eine lebenswerte Zukunft!“    

Dieter Ilius

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