Kämpfe um Lohnnachschlag haben lange Tradition

In den bürgerlichen Medien und zum Teil auch in der gewerkschaftlichen Diskussion wird der Eindruck erweckt, als ob Lohnforderungen außerhalb von Tarifrunden geschweige denn ihre Durchsetzung mit Streiks völlig abwegig wären. Wenn die letzte Lohnerhöhung durch steigende Inflation und Abzüge längst aufgefressen ist und höhere Löhne und Gehälter überfällig sind, wird meistens auf die nächste Tarifrunde verwiesen. Tatsächlich haben selbständig organisierte Streiks für Teuerungszulagen und Lohnnachschlag in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung durchaus eine nachahmenswerte Tradition …

Nach dem II. Weltkrieg sahen sich erstmals 1969 und vor allem 1973 die Arbeiter gezwungen, mit Streikwellen die Friedenspflicht zu durchbrechen, an die sie durch die Tarifverträge gebunden waren. Was war passiert?

Angesichts der sprunghaft steigenden Profite – der Flick-Konzern erhöhte z. B. 1968 seinen Reingewinn um 30 Prozent – und der unzureichenden Tariflohnerhöhungen sowie langen Laufzeiten der Tariflöhne staute sich 1968/69 eine wachsende Unzufriedenheit bei den Arbeitern. Im September 1969 kam es, ausgelöst in den Hoesch-Werken, zu einer spontanen Streikwelle für höhere Löhne. Sie sprang auf insgesamt 69 Betriebe über, rund 140.000 Streikende waren daran beteiligt.

Eine Monopoloffensive, d. h. ein Raubzug der Monopole auf die erkämpften bzw. gewährten Errungenschaften der Arbeiter, löste Anfang der 1970er Jahre die bis Ende der 1960er vorherrschende Politik der „Reformen von oben“ ab. Denn 1972 war die jahrzehntelange wirtschaftliche Aufschwungsphase nach dem II. Weltkrieg zu Ende gegangen. Die Regierung erhöhte die Steuern und Sozialabgaben und die Inflation nahm sprunghaft von 2 Prozent Anfang 1970 auf 7 Prozent Anfang 1973 zu. Diese massive Verschlechterung ihrer Lebenslage ließen die Arbeiter nicht kampflos zu. Von Februar bis September 1973 kam es immer wieder zu selbständigen Streiks für Teuerungszulagen, an denen sich etwa 230.000 Kollegen beteiligten.

Es begann bei den Hella-Werken in Lippstadt und Paderborn. 3.000 Arbeiterinnen und Arbeiter ausländischer Herkunft, die besonders niedrig bezahlt wurden, traten im Juli 1973 in einen selbständigen Streik für die Forderung nach einer Teuerungszulage. Die deutschen Kollegen schlossen sich kurze Zeit später an. Als dann 6.150 Kolleginnen und Kollegen gemeinsam für 50 Pfennig mehr pro Stunde streikten, riefen die Hella-Bosse die Polizei. Brutal wurde einzelnen Streikbrechern der Weg in den Betrieb frei geprügelt. Doch die Arbeiter gaben nicht nach. Nach drei Tagen musste Hella eine Zulage von 40 Pfennig für die unteren und von 30 Pfennig für die oberen Lohngruppen zugestehen. Außerdem musste sich der Betrieb verpflichten, die drei Streiktage zu bezahlen und keine Repressalien gegen Streikaktivisten einzuleiten.

Dieser Streik war ein Signal für viele Belegschaften in Deutschland, selbständig Streiks für einen Lohnnachschlag zu organisieren. Der Höhepunkt dieser Streiks war am 24. August 1973, als über 40.000 Arbeiter allein in Nordrhein-Westfalen die Arbeit niederlegten. 19.000 Beschäftigte bei Opel in Bochum und 17.000 bei Ford in Köln, wo fünf Hundertschaften der Polizei den Werkschutz verstärkten, beteiligten sich. Wegen der Beteiligung am Streik wurden sogenannte „Rädelsführer“ entlassen. Das konnte aber die Kampfbereitschaft nicht brechen.

Je länger die selbständigen Streiks dauerten und sich ausdehnten, umso mehr wurden auch politische Forderungen gestellt: So verbreitete sich erstmals die Forderung nach einem vollständigen und allseitigen gesetzlichen Streikrecht, die der KABD (Vorläuferorganisation der MLPD) am 1. Mai 1972 aufgestellt hatte. Viele Belegschaften setzten den Lohnnachschlag durch. Fast immer wurde auch die Wiedereinstellung der wegen Beteiligung am Streik entlassenen Kollegen durchgesetzt.

Auch in den 1980er Jahren gab es immer wieder in einzelnen Betrieben selbständige Streiks für Lohnnachschlag. Bei Krupp in Duisburg-Rheinhausen streikte im August 1980 die Hauptwerkstatt für eine Zulage von 200 DM. Zweimal streikten Ende September des gleichen Jahres Kolleginnen bei Krone in Ludwigsburg für eine Anhebung ihrer Lohngruppe. Bei Madsack in Hannover wurden 30 Pfennig mehr pro Stunde erstreikt. Ein Höhepunkt war der neuntägige selbständige Streik der Westberliner Reichsbahner unter anderem für mehr Lohn. Viele dieser Kämpfe waren eng mit der Kleinarbeit der MLPD bzw. ihrer Vorläuferorganisationen verbunden.

Seit den 1980er Jahren spielten – zum Teil erbitterte – Kämpfe gegen Massenentlassungen eine wachsende Rolle, wie 1987/88 bei Krupp in Duisburg-Rheinhausen, selbständige Kämpfe um Lohnnachschlag traten zeitweilig in den Hintergrund. Durch die aktuelle Entwicklung der verstärkten Inflation und des Lohnraubs durch Monopole und Staat gewinnen sie aber wieder an Bedeutung.

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