„Wir sind ein Experiment von IWF und EU für ganz Europa“

Rote-Fahne“-Interview mit Errikos Finalis von der Kommunistischen Organisation Griechenlands (KOE)

Wie ist die Lage bei euch?

Das ganze Establishment auf internationaler Ebene hat keine klare Politik gegenüber der Krise in Griechenland. Dies widerspiegelt ihre zwischenimperialistischen Widersprüche. Doch sind sie sich alle einig in einer Politik gegenüber den griechischen Massen, die zu extremer Verarmung führt. Zurzeit werden sieben Sondersteuern erlassen, unter anderem eine Steuer auf alle Einkommen, auf Löhne, Renten und die Einkommen freier Berufe. Selbst Arbeitslose, sofern sie 2010 noch beschäftigt waren, sollen diese Steuer – sie macht 300 bis zu mehreren 1.000 Euro pro Person aus – zahlen. Außerdem wird eine Sondersteuer auf Häuser, auch auf kleine Häuser erlassen. Das wird auch 500 bis 600 Euro bis zu mehreren 10.000 Euro pro Familie ausmachen. Die Steuer wird von den Elektrizitätsgesellschaften eingezogen. Bei Nichtzahlung wird der Strom abgeschaltet. Das ist volle Absicht, denn Hunderttausende sind buchstäblich nicht in der Lage, das zu zahlen.

Die Troika (IWF, EU und EZB = Europäische Zentralbank) überlegen außerdem, die Löhne und Gehälter für ein bis zwei Monate um 40 bis 60 Prozent zu kürzen. Eine weitere Maßnahme ist, dass Angestellte für ein Jahr mit einem Teil des Gehalts freigestellt und danach entlassen werden sollen. Seit zwei Tagen werden außerdem direkte Entlassungen mehrerer Zehntausender Beschäftigter im öffentlichen Dienst in die Diskussion gebracht. Hinzu kommt der nationale Aspekt, der praktische Verlust der nationalen Souveränität Griechenlands, das jetzt wie eine Kolonie regiert wird.

Wie reagieren die Massen auf diese Situation und was ist eure Politik dazu?

Es gibt eine breite Stimmung unter den Massen, dass sie diese Sondersteuern nicht zahlen wollen. Wir als KOE versuchen, diese Bewegung zu organisieren. Das heißt: Volksversammlungen und Komitees in den Stadtvierteln und an den Arbeitsstätten organisieren, die sich um die Nicht-Zahlen-Kampagne, eine Kampagne zivilen Ungehorsams, kümmern. Wir erklären: Es gibt eine Lösung zugunsten der Menschen. Nämlich eine große Volksrevolte, die das ganze politische System beiseite fegt. Das ist die Vorbedingung, um eine Lösung zu finden.

Was sind die Fragen der Massen dazu? Was stellen sie sich vor, was nach einem Sturz der Regierung sein wird?

Die Radikalisierung der griechischen Gesellschaft vertieft sich. Viele Menschen suchen nach einer anderen Perspektive, d. h. auch nach einer sozialistischen Perspektive, selbst wenn sie das Wort Sozialismus nicht benützen. Denn sie stellen fest, dass das kapitalistische System nicht funktioniert.

Verschärft sich angesichts dieser Entwicklung nicht auch das gewaltsame Vorgehen des Staates?

Schon jetzt herrscht eine Situation großer Repression. Als Hauptfeind sieht die Regierungspolitik die Bewegung des zivilen Ungehorsams, den Widerstand des Volkes. Wir sind sicher, dass sie, die Troika und die Regierung, wenn die Volksbewegung ihre Herrschaft entscheidend herausfordert, sich nicht auf Kampfgas und Polizeischlachten beschränken werden. Die griechischen Massen wollen aber nicht in der Situation einer Kolonie leben.

Welche Solidarität muss entwickelt werden? Die KOE ist eine der ICOR-Parteien, deren Aufgabe die Koordinierung und Höherentwicklung, die gegenseitige Unterstützung ist.

Das ist ungeheuer wichtig. Die europäischen Arbeiter müssen wissen: Wir sind praktisch ein Laboratorium, ein Experiment für ganz Europa. Wenn einmal die Transformation Griechenlands in ein Land der Dritten Welt gelingt, mit Lebensstandards, die viel mehr an Länder der dritten Welt als an die Europas erinnern, wird dieses Modell auf ganz Europa übertragen. Dafür werden bereits Anstrengungen in Richtung Italien, Spanien, Portugal usw. gemacht.

Die Bruderparteien und -Bewegungen in Europa müssen als erstes die Hetzkampagne gegen das griechische Volk kontern, dass die Griechen faul und korrupt seien, nicht arbeiten würden. Außerdem brauchen wir weitere Formen der Solidarität, Demonstrationen vor europäischen Institutionen usw. Die Herrschenden versuchen, uns zu spalten. Dem muss entgegen gearbeitet werden. Es gilt klarzumachen, dass Griechenland praktisch keine parlamentarische Demokratie mehr hat, dass es eine akute und rapide Verarmung der Bevölkerung gibt und dass der Widerstand und die Revolte der griechischen Massen eine Hilfe für die ganze Arbeiterklasse in Europa sind. Die herrschende Klasse sagt immer: es gibt keine Alternative, die Unterwerfung sei das einzig Realistische. Aber die Geschichte hat bewiesen, dass es realistisch und nützlich ist, zu widerstehen.

Vielen Dank für das Interview, wir stehen hinter eurem Kampf, der auch unser Kampf ist.

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