Griechenland, Portugal, Italien … Berechtigte Rebellion gegen Krisendiktate

Am 19. und 20. Oktober fand in Griechenland der größte Generalstreik seit dem Kampf zum Sturz der Militärdiktatur im Jahre 1974 statt. 500.000 Menschen beteiligten sich an den Streiks und gingen auf die Straßen.

In Deutschland entspräche das umgerechnet auf unsere Bevölkerungszahl rund vier Millionen Menschen.

Erstmals standen die Industriearbeiter im ganzen Land gleichzeitig mit den Beschäftigten im öffentlichen Dienst im 48-Stunden-Generalstreik. Auch Kleinhändler, Taxifahrer und Lehrer nahmen daran teil, Schul- und Universitätsunterricht wurde boykottiert. Gegen den erklärten Willen der Bevölkerung und mit Polizeiangriffen gegen die Demonstranten prügelte die Regierung dennoch ihr Krisenprogramm regelrecht durch.

Revolutionäre Stimmung wächst

Es mehren sich die Anzeichen, dass die Herrschenden nicht mehr so regieren können, wie sie wollen, und dass die Arbeiter, die Massen, die Jugend nicht mehr bereit sind, so zu leben, wie es ihnen diktiert wird. Zwar ist diese Entwicklung in Griechenland am weitesten fortgeschritten, aber sie steht in Wechselwirkung und stärkt sich gegenseitig mit den demokratischen Aufstandsbewegungen in arabischen Staaten und derzeit vor allem mit dem Widerstand der Massen gegen ähnliche Krisenprogramme in Portugal, Spanien und Italien.

Der Kampf in Griechenland hat seit den ersten Versuchen zur Durchsetzung des EU- und IWF-Diktats im Frühjahr 2010 an Breite, Zielgerichtetheit und Führung durch die Industriearbeiter gewonnen. Ging es zunächst um die Rücknahme des Krisenpakets, so steht jetzt für immer mehr Menschen die Verjagung der Regierung und die Diskussion über gesellschaftliche Alternativen im Mittelpunkt.

Wirtschaftliche und soziale Forderungen gegen die einzelnen Seiten des Krisenprogramms werden verbunden mit dem gemeinsamen Ziel „Weg mit der Regierung und allen, die der Troika dienen“ (die „Troika“ besteht aus den Vertretern des IWF, der EU und der Europäischen Zentralbank). Zunehmend werden so der Staat und die neokoloniale Abhängigkeit des griechischen Regimes vom EU-Finanzkapital ins Visier genommen.

Die Müllarbeiter weigerten sich, zur Arbeit zu erscheinen, selbst als sie wie Soldaten „notstandsmäßig“ dienstverpflichtet wurden. Auch nachdem das Krisenprogramm durchs Parlament gepeitscht wurde, geht der Kampf weiter. Der Generalsekretär der Gewerkschaft im öffentlichen Dienst ADEDY, Ilias Iliopoulos, erklärte an die Adresse der Regierung: „Unsere Antwort lautet: Verschwindet, so schnell ihr könnt. Ihr habt keinen Platz mehr in Griechenland!“ Das Gesetzespaket werde „nicht umgesetzt“.

Die Zersetzung geht bis in zentrale staatliche Institutionen und ins Regierungslager: Die Arbeitsministerin stimmte Teilen des Pakets nicht zu, wurde umgehend aus der Fraktion ausgeschlossen und soll nun aus der Partei hinausgeworfen werden.

Hunger greift in Griechenland um sich

In der Privatwirtschaft wurden in den letzten zwei Jahren 250.000 Arbeitsplätze, im öffentlichen Dienst 200.000 vernichtet. Immer mehr Menschen leiden Hunger. Die jetzt beschlossenen Maßnahmen – unter anderem 40 Prozent weniger Lohn im öffentlichen Dienst (700.000 sind dort beschäftigt), weitere Entlassungen im öffentlichen Dienst, weitere Rentenkürzungen, die Betriebe dürfen Tarife unterlaufen – stürzen Millionen Griechen in absolute Not. Ebenso die drastischen Steuererhöhungen auf Häuser und Einkommen, die selbst Arbeitslose zu zahlen haben. Viel mehr Menschen als in Deutschland haben sich bisher in Griechenland mit relativ wenig Geld kleine Häuser gebaut. Wohlweislich will die Regierung die Steuern von den Elektrizitätswerken einnehmen lassen: Wer nicht zahlt, dem wird der Strom abgesperrt.

Krisenmanagement der EU in der Krise

Das Krisenmanagement des imperialistischen EU-Blocks ist rundum selbst in die Krise geraten. In Griechenland ökonomisch durch die rasche Vertiefung der Überproduktionskrise. Im zweiten Halbjahr brach das Bruttoinlandsprodukt um 7,5 Prozent ein. Allein das durchkreuzt alle Pläne, die Zahlungsfähigkeit Griechenlands mit den geplanten „Rettungsschirmen“ zu überbrücken. Griechenland hängt für unbestimmte Zeit am Tropf von IWF/EU, die immer größere Summen hineinbuttern werden. Und vor noch drastischeren Krisenprogrammen scheuen die Herrschenden zurück. Das ist der Hintergrund, warum jetzt ein „Schuldenschnitt“ überlegt wird. Dieser hat aber wieder Auswirkungen auf andere hoch verschuldete Länder und auf die Gläubigerbanken, die möglichst keine Abstriche an ihren Spekulationsgewinnen hinnehmen wollen. In diesem Punkt sind sich nicht einmal die beiden führenden Mächte der EU einig, hat doch Frankreichs Finanzkapital wesentlich mehr Kapital in die Staatsanleihen gesteckt als die deutschen Banken.

Vor allem politisch droht das EU-Krisenmanagement zu scheitern, und zwar am Widerstand der griechischen Massen. An Griechenland wollen EU und IWF ein Exemplar statuieren. Unter dem Vorwand, es gebe keinen anderen Weg, soll getestet werden, wie weit man ein Volk ausplündern kann. Diese Rechnung geht immer weniger auf, vielmehr reift die Erkenntnis, dass gerade der Widerstand und Angriff auf das allein herrschende Finanzkapital der einzige Ausweg ist. Das führt zu noch hektischeren Reaktionen im Krisenmanagement der EU. Ein Regierungstreffen jagt das andere. Denn ein offiziell erklärter Staatsbankrott Griechenlands könnte die Weltwirtschafts- und Finanzkrise beschleunigt vertiefen. Es geht aber nicht nur um Griechenland, drohend zeigt sich die Gefahr weiterer Staatsbankrotte wie in Spanien und Italien mit viel größerem Umfang. Das kann den imperialistischen EU-Block im weltweiten Konkurrenzkampf empfindlich zurückwerfen.

Nationalistische Spaltung überwinden

Mit immer dreisterer Hetze versuchen Regierung und bürgerliche Massenmedien bei uns den Bazillus des Aufstands gegen die Diktatur des Finanzkapitals isoliert zu halten. So hat die „Bild“-Zeitung, nachdem sie bisher über die „Pleitegriechen“ herzog, nun entdeckt, dass „die“ Griechen doch gar nicht so pleite sind. Vielmehr versuchten sie nun in Scharen, ihr Geld ins Ausland zu bringen. Als ob griechische Arbeiterfamilien, Rentner und Arbeitslose noch irgendwelche Reichtümer zu horten hätten. Ganz absichtlich werden sie mit den wenigen wirklichen Krisenprofiteuren in einen Topf geworfen, die ohnehin vor allem in den führenden EU-Ländern anzutreffen sind (siehe auch S. 9).

Es ist wichtig, dieser Hetze am Arbeitsplatz und überall entgegenzutreten. Denn die Zusammenhänge in der krisenhaften Entwicklung sind schwer zu durchschauen, sodass solche Hetze auf der Grundlage von Einflüssen der kleinbürgerlich-nationalistischen Denkweise zum Teil wirken kann. Damit wird Spaltung getrieben – ebenso, wenn in Griechenland gegen „die Deutschen“ Stimmung gemacht wird. Den Herrschenden geht es darum, den gemeinsamen Kampf und die Vorbereitung der internationalen sozialistischen Revolution zu verhindern.

Nicht nur in Griechenland …

In Portugal steht die erst in diesem Jahr neu gewählte Regierung vor Massenstreiks und -demonstrationen. 50.000 forderten am 15. Oktober allein in Lissabon „Schluss mit Haushaltskürzungen auf Kosten sozialer Leistungen“. In Italien demonstrierten am selben Tag 500.000, begleitet von Streiks. Ministerpräsident Berlusconi will zusätzliche 48 Milliarden Euro aus den Massen herausholen. Fiat fordert, nur noch betriebliche Tarife zuzulassen, was ein Angriff auf alle Gewerkschaften und alle Löhne und Gehälter ist. Die Regierung ist bereits schwer angeschlagen. In Spanien demonstrierten am 22. Oktober zigtausend Schüler, Lehrer und Studenten gegen die Kürzungen im Bildungswesen. In Deutschland nehmen in den Betrieben kämpferische Initiativen gegen Entlassungen und Lohnabbau zu. Auch in der weltweiten „Occupy the Wallstreet“-Bewegung kommt die wachsende Kapitalismuskritik – vor allem der Jugend – zum Ausdruck.

Bei aller wachsenden Gemeinsamkeit dieser Kämpfe, der Übernahme von Organisations- und Kampfformen sowie Losungen ist vor allem eine gemeinsame gesellschaftliche Perspektive und die notwendige internationale Koordinierung noch unterentwickelt.

ICOR stärker machen!

In Griechenland hilft die marxistisch-leninistische KOE (Kommunistische Organisation Griechenlands), die auch Mitglied der ICOR (Internationale Koordinierung revolutionärer Organisationen) ist, den Arbeitern und breiten Massen, die Rolle des Staates als Dienstleister des internationalen Finanzkapitals zu durchschauen. Sie verbindet dies mit der Förderung der Selbstorganisation der Massen in den Gewerkschaften, in kommunalen und Wohngebietskomitees usw. und leistet Überzeugungsarbeit für eine revolutionäre sozialistische Alternative (siehe Interview S. 6/7).

In dem Maße, wie es gelingt, revolutionäre Parteien und Organisationen in allen Ländern aufzubauen und ihre Tätigkeit eng zu koordinieren, wird dies ihre Anziehungskraft erhöhen und wird die internationale Arbeiterklasse eine dem Imperialismus überlegene Kraft herausbilden. Diese Koordinierung und Revolutionierung der Kämpfe hat sich die vor rund einem Jahr gegründete ICOR zur Aufgabe gestellt, aber auch die gegenseitige Unterstützung des Parteiaufbaus.

Jeder kann zu dieser vorwärts weisenden Arbeit beitragen – durch Spenden für die ICOR und durch die Stärkung des Parteiaufbaus im eigenen Land, in Deutschland am besten durch Mitgliedschaft in MLPD und REBELL. Nicht zuletzt ist Klarheit über den Weg der Vorbereitung der internationalen Revolution nötig. Jeder ist herzlich eingeladen, an den Studiengruppen zum Buch „Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution“ teilzunehmen.

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