DGB-Studie bestätigt: ERA ist ein Lohnsenkungsprogramm!

DGB-Studie bestätigt: ERA ist ein Lohnsenkungsprogramm!

Kolleginnen und Kollegen kritisieren die „geringere Wertschätzung“ ihrer Arbeit durch ERA

Die Einführung des Entgeltrahmenabkommens (ERA) in der Metallindustrie ist in fast allen Betrieben auf Unmut und Widerstand der Beschäftigten gestoßen. Inzwischen liegen zwei Studien der Hans-Böckler-Stiftung des DGB über die Auswirkungen von ERA vor. Die erste stammt aus dem Jahr 2009 und bewertet die Auswirkungen der ERA-Einführung nur in Baden-Württemberg1, die zweite ist 2011 erschienen und untersucht „die Akzeptanz von ERA“ für Baden-Württemberg, NRW und Niedersachsen2. Beide sind, trotz ihres teilweise entsetzlichen Soziologen-Kauderwelschs, sehr lesenswert, denn sie liefern Belege dafür, dass ERA sich als Programm zur Lohnsenkung und Abwertung der Arbeitskraft erwiesen hat.

Mit ERA wird ein Entlohnungsprinzip eingeführt, nach dem die Lohngruppeneinstufungen in erster Linie von den aktuellen Tätigkeiten abhängen, während Ausbildung, Qualifikation und Berufserfahrung nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Das führte zu Abgruppierungen in großem Umfang. Die Quote der Beschäftigten, deren Tariflohn durch ERA abgesenkt wurde, liegt zwischen 54 Prozent in Baden-Württemberg und 35 Prozent in Niedersachsen. Erkämpfte betriebliche Entgeltniveaus wurden durch ERA ebenso abgebaut wie die Honorierung von Berufserfahrung, Betriebszugehörigkeit usw. Damit allerdings zerstört ERA auch eine materielle Grundlage der Klassenzusammenarbeit.

Die Studie von 2009 belegt auch, dass die sogenannte „Kostenneutralität“ von ERA ein ausgemachter Betrug war. Zum Ausgleich angeblicher Mehrkosten durch ERA von 2,79 Prozent wurde in drei Lohnrunden eine „ERA-Strukturkomponente“ von der Tariferhöhung einbehalten, obgleich die Lohnkosten in Wahrheit nicht gestiegen, sondern gesunken sind.

In der Studie von 2011 kommt ein vernichtendes Urteil der Beschäftigten über ERA zum Ausdruck. Nur eine Minderheit bewertet ERA als positiv. In Baden-Württemberg fällt die Bewertung überwiegend negativ aus, 46 Prozent halten ERA für „schlecht“ bzw. „ganz schlecht“. 60 Prozent der Befragten gaben die „geringere Wertschätzung der Arbeit“ als Hauptgrund ihrer Unzufriedenheit an, noch vor „Absenkung des Verdienstes“ (42 Prozent). Tatsächlich beschränkt sich der Unmut keineswegs auf die unmittelbar von Lohnsenkung betroffenen Beschäftigten. Die Geringschätzung von Ausbildung, Qualifikation und Erfahrung durch ERA legt gnadenlos die Abwertung der Arbeitskraft bloß: „Wenn … weder die eigene Person noch Lebensleistung, Seniorität, Loyalität … eine Rolle spielen, dann wird das von vielen Beschäftigten als Zumutung erfahren.“

Verklausuliert kommen die Verfasser der Studie zu der bemerkenswerten Feststellung, dass sich die Arbeiter bei der Bewertung von ERA zunehmend an den Interessen der gesamten Klasse orientieren: „… dürften gemeinsame Belegschafts- oder Abteilungsdiskurse oder solidarische Orientierungen dafür sorgen, dass sich die Grenze persönlicher materieller Vor- und Nachteile nicht unverzerrt in der ERA-Bewertung ausdrückt.“

Die Metall-Kapitalisten hatten den Widerstand der Belegschaften gegen ERA gewaltig unterschätzt. In vielen Betrieben habe es „erhebliche Konflikte bis hin zu informellen Arbeitsniederlegungen“ (zu deutsch: selbständige Streiks) gegeben. Während ERA einerseits den Flächentarifvertrag untergräbt, wird dadurch andererseits die Tarifauseinandersetzung in die Betriebe verlagert und so der Spielraum für selbständige Kämpfe erweitert. Aktuell zeigen vor allem die Protestaktionen bei Ford, dass das Konzept, die Arbeiter durch ERA zu spalten, nicht aufgegangen ist. Nicht die Konkurrenz um Lohngruppen ist das Bestimmende, sondern das Ausgehen von den gemeinsamen Klasseninteressen. Die betriebliche Kleinarbeit der MLPD hat dazu nicht unwesentlich beigetragen.

ERA muss vom Tisch – sicherlich ungewollt wird das durch die beiden Untersuchungen eindrucksvoll bestätigt. Der Kampf gegen ERA ist noch keineswegs gelaufen – er fängt erst richtig an!

 

1 Bahnmüller/Schmidt, Riskante Modernisierung: Wirkungen und Bewertungen der ERA-Einführung in Baden-Württemberg, WSI-Mitteilungen 3/2009

2 Kuhlmann/Schmidt, Materielle Interessen und soziale Anerkennung – Die ERA-Umsetzung aus Sicht der Beschäftigten, in: „Ein Meilenstein der Tarifpolitik wird besichtigt – die Entgeltrahmenabkommen in der Metall- und Elektroindustrie“, Düsseldorf 2011

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