Opel Eisenach: Erneut Verzicht für Managerboni?

Eisenach (Korrespondenz): Am Dienstag, den 17. Januar, wurden die IG-Metall-Mitglieder der Nachschicht kurzfristig zu einer Abstimmung zusammengerufen. Schon seit Monaten wurde immer wieder verbreitet, dass die Konzernleitung die Nachtschicht „exekutieren“ will, weil es angeblich nicht genug Arbeit für drei Schichten gibt. Hinter den Kulissen fanden Verhandlungen zwischen Betriebsrat, IG Metall und Geschäftsleitung statt, zum Inhalt wurde geschwiegen. Stattdessen wurde überall Spaltung zwischen den Schichten befeuert. So wurde in der Wechselschicht das Bild verbreitet, man müsse jetzt verzichten, damit die Nachtschicht ihren Lebensstandard halten kann.
Nach Schichtende um 6 Uhr am Dienstagfrüh wurde dann der Plan verkündet: die Arbeitszeit der Nachtschicht soll für zehn Monate von 38 auf 30 Wochenstunden gesenkt werden, ohne Lohnausgleich. Die der Wechselschicht für vier Monate auf 33 Stunden. Wenn die Kollegen der Unterschreitung des Tarifvertrags zustimmen, würde die Schicht für diese Zeit weiter bestehen. Im Vorfeld der Abstimmung wurde auch die grundsätzliche Kritik diskutiert, dass es nicht Aufgabe einer Gewerkschaft sein kann, über die Unterschreitung der eigenen Tarifverträge abstimmen zu lassen.
Bei vielen Kollegen kochte berechtigt die Wut im Bauch. Seit zwei Jahren „verzichtet“ die Belegschaft auf Lohnerhöhung, Weihnachts- und Urlaubsgeld. Dazu die Kurzarbeit seit Oktober 2008. Tausende Euros gehen jedem Kollegen seit Jahren verloren. Und was ist dadurch besser geworden? Anstatt in diesem Jahr wieder auf Tariflohn zu kommen, jetzt erneut „Verzicht“? Dabei hat der Opel-Mutterkonzern General Motors (GM) im letzten Jahr 4,7 Milliarden Dollar als offiziellen Gewinn ausgewiesen, so viel wie seit 2004 nicht mehr. Mit regelrechter Nötigung versuchten Betriebsrats- und IG-Metall-Vertreter, die Kollegen zu überzeugen, dass es ihre einzige Chance ist, dem Plan zuzustimmen und dass man noch hoffen und bangen müsse, dass GM das „Verzichtsangebot“ annimmt. Denn auch die Eisenacher Geschäftsleitung wolle nicht, dass die GM-Pläne umgesetzt werden. Dieser Appell an die scheinbare Eintracht zur Rettung des Werkes verfängt aber bei der Mehrheit der Kolleginnen und Kollegen nicht mehr.
Der Betriebsratsvorsitzende machte dann auch noch Stimmung gegen die spanischen Kollegen im Schwesterwerk Zaragoza. Die lauern angeblich nur darauf, uns den Corsa wegzunehmen, um „ihr“ Werk auszulasten. Es ist wichtig, die Verbindung nach Zaragoza weiter zu verbessern. Eine Reihe Kollegen machen sich Gedanken, dass so ein Kampf nicht in Eisenach alleine gewonnen werden kann – nur im konzernweiten Kampf werden wir überlegen sein – aber das muss auch jemand organisieren!
Auf die Frage, wie viel Geldverlust das ausmacht, gab der Betriebsratsvorsitzende die dreiste Antwort: Das habe man nicht so genau ausgerechnet. „Verzichten wir wieder für die Boni der Manager?“ – wollte ein anderer Kollege unter Beifall der Versammlung wissen. Dazu konnte ebenfalls niemand etwas sagen. „Und was wird aus den Leiharbeitern?“ – auf diese Frage eines Leiharbeiters gab es auch nur ausweichende Antworten.
Eine derartige Abstimmung zwischen Pest und Cholera ist eine Farce. Am Ende stimmten etwa zwei Drittel der Kollegen dem Verzicht zu. Es gab deutlich mehr Gegenstimmen als bei bisherigen Erpressungen. Die allermeisten stimmten mit einem riesigen Kloß im Bauch zu, weil sie wissen, dass es nicht das Ende sein wird, und nach Ablauf der zehn Monate dieselbe Frage wieder kommt. Ein Kollege fasste zusammen: „Das ist Kapitalismus – selbst wenn wir umsonst arbeiten kommen, ist denen das noch nicht genug.“
Viele Kollegen waren von der berechtigten Angst getrieben, dass ein Abbau der Nachtschicht über kurz oder lang das Ende des Werkes bedeuten würde. Diese Angst ist berechtigt, aber sie kann nicht durch Verzicht aus der Welt geschaffen werden. Der Entschluss, sich nicht mehr erpressen zu lassen, bedeutet den Kampf aufzunehmen. Davor schrecken viele noch zurück, gleichzeitig hat sich das Bild der Bochumer in die Köpfe eingebrannt. Opel hat die Kündigungen zurückgenommen, weil sie sich nicht erpressen ließen!
Nach der Abstimmung fing die Diskussion erst richtig an. Die Erpressung wird von immer mehr Kollegen grundsätzlich abgelehnt, und zwar in allen drei Schichten. Es gibt aber auch noch Vorstellungen, dass bessere Manager „wie bei VW“ das Problem lösen könnten. Ein wichtiger Verarbeitungsprozess ist im Gang.

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