„Clara Zetkin kann stolz sein auf die Frauen der Welt“

Interview mit der Delegation aus Deutschland auf der ersten Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen

Stellt ihr euch unseren Leserinnen und Lesern bitte vor.
Wir sind die Delegation aus der Bundesrepublik Deutschland und vertreten Arbeiterinnen, junge Frauen, Migrantinnen, Frauen der Friedensbewegung und Frauen aus den neuen Bundesländern. Organisiert sind wir in verschiedenen Gewerkschaften, wie Ver.di, der GEW und der IGM-Betriebsratsgruppe Offensiv Opel Bochum. Weiterhin sind einige von uns organisiert im Jugendverband REBELL, im Kämpferischen Frauenrat, im Frauenverband Courage, in der AG
Lisa (Feministische Frauenarbeitsgemeinschaft der Partei DIE LINKE) und in der Partei DIE LINKE. An Organisationen, Vereinen, Verbänden, Initiativen und Projekten sind noch zu nennen: der Kurdische Kultur Verein Mannheim, das Kinderprojekt Flüchtlingskinder – Diyarbakir, die MigrantInnenorganisation „Einheit der Arbeiter und Freundschaft der Völker“, der „Rat der afghanischen Frauen in Hamburg“, der „Koordinierungsrat der Iranerinnen und Iraner“, der „Deutsche Friedensrat im Weltfriedensrat“, der Landesfrauenrat Sachsen e.V. und das Netzwerk Chemnitzer Fraueninitiativen.

Wie ist die Lage der Frauen in Deutschland?
Deutschland hat 82,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Davon sind 51 Prozent Frauen und 16 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Von den 16 Millionen stammen 25 Prozent aus der Türkei/ Kurdistan.
64 Prozent der Frauen sind erwerbstätig. In über 20 Prozent der Familien sind die Frauen die Haupternährerinnen, verdienen aber im Durchschnitt nur drei Viertel des Lohns der Männer. Zu dem kommt, dass die Löhne in den neuen Bundesländern immer noch niedriger als in den alten Bundesländern sind. Die Löhne der Frauen in den neuen Bundesländern sind noch mal niedriger. Die Arbeitsverhältnisse werden mit Ausbau der Leiharbeit, befristeten Verträgen und immer mehr Niedriglohn-Jobs verschlechtert. Von den 4,9 Millionen Teilzeitbeschäftigten in Deutschland sind 87 Prozent Frauen. Die doppelte Ausbeutung und Unterdrückung der berufstätigen Frauen verschärft sich. 38 Prozent der alleinerziehenden Mütter sind armutsgefährdet. Durch das Gesetz Namens „Hartz IV“, das 2004 in Kraft trat, ist heute jedes sechste Kind in Deutschland arm.
Im deutschen Grundgesetz in Artikel 3 heißt es: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Wir haben sogar eine Bundeskanzlerin. Die Familienministerin Schröder wird jedoch nicht müde, die Lebenslüge von der angeblichen Gleichstellung der Frau zu verkünden. Deutschland ist im sogenannten „Gleichstellungsindex“ im Ländervergleich von Platz 5 im Jahr 2006 auf Platz 13 zurückgefallen. Deutschland liegt heute sogar hinter Ländern wie Lesotho und Südafrika.

Welche Kämpfe führen die Frauen, welche Auseinandersetzungen finden statt?
Ein bedeutender Kampf der organisierten Arbeiterklasse war 2004 der selbständige Streik der Opel-Arbeiterinnen und Arbeiter. Das Werk in Bochum wurde besetzt, nichts ging rein oder raus. Die Opel- Arbeiterinnen und Arbeiter schlossen sich international zusammen und organisierten einen gemeinsamen Aktionstag. Im Herbst 2010 gab es viele gewerkschaftliche Proteste gegen die Rente mit 67 mit einer großen Beteiligung von Arbeiterinnen, Frauen und Jugendlichen. Bereiche, in denen vor allem Frauen arbeiten, wie Krankenhäuser, Kindergärten und der Einzelhandel, begannen in den letzten Jahren verstärkt für bessere Arbeits- und Lohnbedingungen zu kämpfen. Hunderte Hebammen streikten, um von ihrem Beruf noch leben zu können. Mit viel Ausdauer kämpfen die Milchbäuerinnen um ihre Existenz.
Eine Form zur Unterdrückung der Frauen ist der Sexismus. Er wird vor allem über die Medien propagiert. Besonders Mädchen und junge Frauen sollen einem vorgegebenen Ideal entsprechen und sich mit sich selbst beschäftigen. Das spaltet, frisst das Selbstbewusstsein an und verhindert, die gesellschaftlichen Verhältnisse in Frage zu stellen. Schluss mit dem Sexismus, ob am Arbeitsplatz, in der Werbung oder wo auch immer!
Viele Frauen sind nicht mehr bereit, ihre Doppelbelastung innerhalb der Familie mit noch höherem Einsatz und sämtliche Probleme, die den Familien auferlegt werden, individuell zu lösen. Sie fordern eine gesellschaftliche, eine politische Lösung. Frauen wollen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Frauen fordern gleichen Lohn für die gleiche Tätigkeit wie die Männer, einen Mindestlohn, um von ihrer (Erwerbs-)Arbeit auch leben zu können.
Frauen kämpfen oft gegen die patriarchalen Strukturen in den Gewerkschaften. Die Frauen in den Gewerkschaften wollen auch, dass sie zu ihren Kampforganisationen werden.
Viele Frauen werden aktiv gegen die Schließung von Schulen, Schwimmbädern und Büchereien. Frauen sind aktiv in der Friedensbewegung, demonstrieren gegen Krieg und fordern den Abzug deutscher Truppen aus Afghanistan und anderen Ländern. Frauen werden aktiv und kämpfen gegen Atomkraftwerke. Frauen sind bei Umweltprotesten immer dabei. Ebenfalls sind Frauen bei der  Montagsdemo-Bewegung gegen Hartz IV dabei. Sie sind bei „Stuttgart 21“ auf der Straße und bei der Abschiebung von Flüchtlingen.
Migrantinnen sind oft organisiert in ihren verschiedenen Migrantenorganisationen. Diese sind wichtig, um für die Rechte der Migrantinnen und Migranten in Deutschland einzutreten. Gleichzeitig sind sie in den verschiedenen Organisationen sehr zersplittert. Die Vorbereitung der Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen hat die Vereinigung der Migrantinnen gut voran gebracht.
Die kämpferische Frauenbewegung in Deutschland ist gewachsen und stärker geworden in der Vorbereitung der Weltfrauenkonferenz. Es haben Gewerkschaftsfrauen, Parteifrauen, Einzelfrauen, Institutionen, Frauen- und Migrantenorganisationen zusammengearbeitet. Das ist ein wichtiger Fortschritt auf unserem Weg.

Warum seid ihr zur Weltfrauenkonferenz gekommen, was sind eure besonderen Anliegen?
Wir sind nach Caracas gekommen, um unsere Zukunft in die eigenen Hände zu nehmen. Wir wollen mit den Frauen der Welt Erfahrungen austauschen, uns über die Zusammenarbeit und gemeinsame Aktionen verständigen, Beschlüsse fassen und Forderungen aufstellen. Natürlich wollen wir auch Freundschaften schließen, feiern, Kontakte knüpfen und Netzwerke aufbauen z.B. von Arbeiterinnen aus internationalen/globalen Konzernen.
Wir wollen uns, ganz im Sinne von Clara Zetkin, für ein Leben in Freiheit und Gleichheit für alle Frauen einsetzen. Die Weltfrauenbewegung lebt und sie kämpft für ihre Forderungen. Wir wollen gemeinsam für die Befreiung der Frau in
einer Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung kämpfen.

Wie beurteilt ihr die Weltfrauenkonferenz (bisher)?
Trotz aller Schwierigkeiten in der Vorbereitung und Durchführung – die erste selbst organisierte und selbst finanzierte Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen findet statt.
Es sind Delegationen aus 39 Ländern in Caracas. Die Länderberichte zur Lage der Frauen, ihren Kämpfen und Organisationsformen haben wir mit großem Interesse, Begeisterung und Bestürzung verfolgt. Am dritten Tag der Konferenz können wir sagen, die Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen ist ein Erfolg. Das Prinzip der zwei Säulen (Generalversammlung und Massenprogramm mit Foren und Workshops) hat sich als sehr gut erwiesen.

Wollt ihr noch etwas hinzufügen?
Clara Zetkin kann stolz sein auf die Frauen der Welt.

Infos: www.weltfrauenkonferenz.de

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