„Sixpack“: Legt in Zukunft die EU-Kommission unsere Löhne fest?
Gegen europaweites Lohndumping gingen schon im Jahr 2006 massenhaft Arbeiterinnen und Arbeiter auf die Straße – 150.000 Kolleginnen und Kollegen aus zahlreichen Ländern demonstrierten allein am 14. 2. 2006 in Straßburg (unser Bild). rf-foto
Ende September 2011 wurde vom Europäischen Parlament ein sechsteiliges „Gesetzgebungspaket zur wirtschaftspolitischen Steuerung“ verabschiedet, salopp als „Sixpack“ bezeichnet. Es erlaubt der EU-Kommission, Eingriffe in die Tarifautonomie in bestimmten Ländern der EU vorzunehmen.
Auf dieser Grundlage wurde von der „Troika“ aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) die Regierung und das Parlament in Griechenland massiv dazu erpresst, dem vorläufigen Verbot von Tarifverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Kapitalisten zuzustimmen. Neue Tarifverträge, die höhere Löhne beinhalten könnten, sind bis auf Weiteres nicht mehr möglich. Die Gehälter der Beschäftigten im öffentlichen Dienst wurden um 25 Prozent gesenkt, der Mindestlohn im privaten Sektor massiv gekürzt.
Das Vorgehen der EU ist kein Einzelfall: Schon im Juni 2010 wurde die Regierung in Bukarest angewiesen, „ein reformiertes Arbeitsrecht und eine gesetzliche Regelung der Tarifverhandlungen einzuführen, um die Einstellungskosten zu senken und die Lohnflexibilität zu verbessern“. Auch Belgien wurde zur Aufgabe des „Indexlohns“ (der automatischen Inflationsanpassung) aufgefordert, weil „die Lohnstückkosten in Belgien rascher gestiegen sind als in den Nachbarländern“. Das geschah aber noch ohne rechtliche Handhabe.
Im Juni 2011 wurde dann von der EU-Kommission ein „Euro-Plus-Pakt“ vereinbart, der eine Aushöhlung der Rechte der Gewerkschaften, unabhängig von staatlicher Einmischung Tarifverträge auszuhandeln, ausdrücklich vorsah. Das „Sixpack“ erlaubt nun auch juristische Sanktionsmöglichkeiten gegenüber Ländern, die sich nicht an die „Empfehlungen“ der EU unter anderem zur Lohnhöhe halten.
So soll unter Aufsicht der „Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen“, in Absprache mit den nationalen Wirtschaftsministerien und der Europäischen Zentralbank, ein „Scoreboard“ (Statusanzeiger) Alarm schlagen, sobald ein „makroökonomisches Ungleichgewicht“ oder ein „Verlust an Wettbewerbsfähigkeit“ zu gravierend wird. Dann werden den betreffenden Ländern entsprechende „Empfehlungen“ gegeben. Wenn sich ein Land nicht daran hält, kann es finanziell bestraft werden. Zu den Indexzahlen, die das „wirtschaftliche Gleichgewicht“ anzeigen sollen, zählen auch die Lohnstückkosten, die die Entwicklung der nationalen Löhne im Verhältnis zu denen der anderen EU-Länder messen.
Unter dem Mantel der Sicherung des wirtschaftlichen Gleichgewichtes sollen so die europäischen Arbeiter in eine Konkurrenz untereinander getrieben werden. Die Absicht ist, eine allgemeine Senkung der Löhne und Gehälter durchzusetzen zur Steigerung der „Wettbewerbsfähigkeit“ der europäischen Übermonopole in einem immer schärfer werdenden internationalen Konkurrenzkampf.