Ein würdiger Abschluss am Triumphbogen
Bericht der Delegation aus Bochum bei der Protestkundgebung der PSA-Arbeiter
(Korrespondenz): Wir fuhren morgens um 5.12 Uhr in Essen mit dem Thalis nach Paris. Am Gard du Nord schenkte uns eine Frau nach einem Gespräch, warum wir hier sind, zwei Tickets, die sie übrig hatte. Um 10.40 Uhr waren wir vor Ort in Paris zur Sitzung des europäischen Konzern-Komitees. Es waren zwischen 1.500 bis 2.000 Teilnehmer. Wir wurden begeistert begrüßt und von vielen Kollegen direkt angesprochen. Auch von den Genossen der marxistisch-leninistischen Organisation OCML-VP.
Mitglieder der Gewerkschaft CGT erwarteten uns bereits. Die CGT hatte einen Übersetzer zur Verfügung gestellt. Es gab mehrere Redebeiträge von Vertretern der Gewerkschaften CGT, CFDT und SUD aus verschiedenen Werken des Landes. Haupttenor war gegen die Schließung von Aulnay und die mögliche Schließung weiterer Werke, wenn PSA damit durchkommt. Die CGT habe schon vor zwölf Monaten gesagt, was passieren würde in Aulnay, aber der Vorstand von PSA hat sich nie konkret geäußert. Die Arbeiter wurden belogen und betrogen, die Geschäftszahlen jedes Jahr gefälscht, um die Leute zu täuschen, wie schlecht es dem Konzern gehe. Ein Kollege sagte, dass die Produktion gleich geblieben und bei manchen Modellen sogar angestiegen sei. Ein anderer Kollege sagte, dass die aktuelle Krise nicht von uns gemacht ist und wir auch nicht dafür herhalten wollen. Ein weiterer meinte, wir sollten überlegen, „ob wir überhaupt wieder an unsere Arbeit gehen sollen.“ Da gab es Beifall von einer Truppe, die ganz vorne stand, aber weiter hinten war es eher weniger Zustimmung. Der Moderator der CGT hat uns zwei- bis dreimal über Mikro angekündigt und begrüßt. Wir gaben vier Interviews mit RFI, Libération, nach unserer Rede noch mit AFP (Agence France Presse) und Reuters. Unsere Handzettel wurden sehr gerne genommen und positiv aufgenommen. Lisa konnte am Mikrofon sprechen. (siehe S. 9) Unser zweiter Delegationsteilnehmer sollte auch noch etwas sagen, was aber aus angeblichen Zeitgründen nicht mehr zugelassen wurde. Wir können nicht ganz einschätzen, ob das politisch begründet war, denn plötzlich sollte eine Demo stattfinden, die gar nicht angemeldet war und das sollte schnell gehen, obwohl es keinen Zeitdruck gab. Wir hielten unser Transparent hoch und es gab frenetischen Beifall dafür.
Wir haben mit vielen Arbeitern gesprochen, meist in Gruppen. Unser Besuch wurde sehr positiv bewertet. Wir kamen schnell ins Detail über die extreme Ausbeutung in den Betrieben, vor allem Unterdrückungsmaßnahmen gegenüber Kranken. Ein Kollege meinte, dass es da eine enge Zusammenarbeit zwischen Gericht und Regierung gibt. Viele waren erstaunt, dass bei Opel in Deutschland die selben Unterdrückungsmethoden herrschen. Ein Kollege hielt in der Kundgebung ein Röntgenbild seiner Wirbelsäule hoch, um zu demonstrieren, wie kaputt sein Rücken von der Arbeit ist.
Kollegen aus Rennes erzählten, dass viele Kollegen wegen Stress psychisch erkrankt sind. Außerdem gibt es die Methode, Kollegen beliebig zu versetzen von einem Werk zum anderen. In Poissy arbeiten derzeit 8.000 Kollegen, davon zwei Drittel in der Produktion und davon ist jeder Dritte Leiharbeiter. Die CGT kämpft schon lange für gleiche Bedingungen für Leiharbeiter. Den Leiharbeitern wird oft erschwert, sich in der Gewerkschaft zu organisieren. Sie werden im Werk wie Fremdarbeiter behandelt, die kommen und gehen. Sie werden mit dem Versprechen auf Festanstellung mobilisiert, was aber nicht erfolgt. Leiharbeiter sind vor allem junge Leute. Ein Kollege erzählte, dass die Belegschaft in drei Kategorien eingeteilt wird: Alte, Behinderte und Jüngere. Die Jungen werden über eine Gesellschaft in andere Betriebe ausgeliehen, die Leute entlassen haben und wieder Arbeiter brauchen, so z. B. Carrefour, Coca Cola und Airbus. In Mulhouse arbeiteten 1991 14.000 Festangestellte und 2.100 Leiharbeiter. Heute sind dort 9.800 Festangestellte und 7.000 Leiharbeiter.
Wir sprachen mit einer Gruppe junger Arbeiter von PSA Aulnay und Leiharbeitsfirmen dort. Sie sprachen uns zuerst an wegen eines Fotos mit uns. Sie waren überwiegend ursprünglich aus nordafrikanischen Ländern. Dann haben wir sie gefragt, ob sie unterschreiben wollen für das „Manifest“. Dadurch entstand sofort eine lebhafte Debatte. Wir fragten, ob bei ihnen gestreikt wird. Sie sagten nein, es wären nur einige Ausgewählte, die teilnehmen. Später sagte ein Funktionär, dass in Aulnay gestreikt würde. Sie erzählten von Streikbrechern aus dem Betrieb, die die Geschäftsleitung finanziert. Sie redeten von 3.000 Euro. Sie erzählten, dass sie als Leiharbeiter auf dem Gelände sich nur in einem kleinen Bereich, wo sie arbeiten, aufhalten dürfen. Sie würden ganz gut verdienen und jedes Jahr für Lohnerhöhung streiken und dann immer so 30 bis 50 Euro Lohnerhöhung bekommen. Das wollte das Unternehmen ändern und gab eine Lohnerhöhung von 100 Euro, um die Kollegen zu beruhigen und versuchte dann durch neue Gewerkschaften, die Einheit der Kollegen zu zerstören.
Ein Kollege führte aus, dass es in Frankreich ein echtes Problem ist mit der Gewerkschaftsvielfalt und viele Betriebe auch darauf achten, dass viele Gewerkschaften im Betrieb vertreten sind. Er erzählte, dass er früher in einem neu eröffneten Elektrobetrieb arbeitete, wo sie dann eine Gruppe der CGT gegründet haben. Das passte der Betriebsleitung nicht und so förderte sie, dass es weitere Gewerkschaften in der Firma gab, um die Einheit der Arbeiter zu spalten.
Es war insgesamt ein sehr erfolgreicher Tag, den wir am Triumphbogen würdig beendet haben.
Rede von Lisa Gärtner, Leiterin der Bochumer Opel-Delegation, vor den PSA-Arbeitern in Paris
„Liebe Kollegen, wir möchten euch herzliche und solidarische Grüße der Opel-Arbeiter aus Bochum überbringen. Auch unser Werk soll geschlossen werden und wenn wir diesen Kampf gewinnen wollen, müssen wir ihn gemeinsam führen. Die Chefs von GM und PSA versuchen, uns mit ähnlichen Methoden mürbe zu machen. In Bochum wird systematisches Massenmobbing gegen die Belegschaft betrieben. Die Leute werden versetzt, Arbeitshetze, nicht mal mehr Zeit, um zur Toilette zu gehen; es gibt auch viele psychische Erkrankungen (dazu gab es laute Buhrufe und Pfiffe). Lange Zeit hat uns das eingeschüchtert und viele auch mutlos gemacht. Doch wir erkämpften uns die Initiative zurück, schlossen uns enger zusammen. Einer für alle, alle für einen. Wir brauchen nicht nur irgendwelche Arbeitsplätze, wir brauchen Arbeitsbedingungen, die wir mit gutem Gewissen an unsere Kinder übergeben können. (Dazu gab es viel Applaus, vor allem von den wenigen Frauen, die da waren) Jahrelang wurden wir mit Verzichtsprogrammen hingehalten. Wir befinden uns in einem neuen Einbruch der Weltwirtschaftskrise, aber das ist nicht unsere Krise. Kein Verzicht hat auch nur einen Arbeitsplatz gerettet. Deshalb fordern wir: Kein Verzicht mehr, alle Lohnkürzungsprogramme müssen zurückgenommen werden und wir müssen um jeden Arbeitsplatz kämpfen. Als GM und PSA ihre Allianz eingingen, begannen sie sofort, uns gegeneinander auszuspielen. So streuen sie Gerüchte, Modelle sollen von Frankreich nach Deutschland oder von Deutschland nach Frankreich verlagert werden. Lassen wir uns auf solche Spielchen ein, können wir nur verlieren. Deshalb müssen wir Arbeiter eine Allianz bilden, ein Allianz, die viel stärker ist als die Allianz von GM und PSA. Es ist an der Zeit, nicht nur einen Abwehrkampf zu führen, sondern offensive Forderungen zu stellen. So haben wir uns eine Arbeitszeitverkürzung von 30 Stunden pro Woche (Applaus) bei vollem Lohnausgleich längst erarbeitet. Damit können Arbeitsplätze erhalten und sogar neue geschaffen werden. Unsere Allianz ist eine ganz andere als die von Merkozy und wir gratulieren euch, dass ihr Sarkozy losgeworden seid. Aber wir haben aus unseren Erfahrungen gelernt. Bei unserem Streik 2004 ist uns die sozialdemokratische Regierung in den Rücken gefallen, deshalb müssen wir wachsam sein und unseren Kampf selbst in die Hand nehmen. Das haben wir auf dem ,Internationalen Automobilarbeiterratschlag‘ begonnen. Dort waren auch Kollegen aus Aulnay. Es wurde ein Manifest verabschiedet. Das könnt ihr unterschreiben, damit wir in Kontakt bleiben können.“