Eine bedeutende Kraftprobe bei Maruti/Suzuki in Manesar, Indien

Seit Mitte Juli entwickelt sich im Industriegürtel Gurgaon-Manesar (Bundesstaat Haryana) südlich von Delhi eine bedeutende Kraftprobe der Arbeiter mit dem internationalen Übermonopol Maruti-Suzuki. Der Industriegürtel ist eines der weltweit größten Zentren des internationalen Industrieproletariats, insbesondere der Automobilproduktion, mit Millionen Beschäftigten. In dem 2007 gegründeten Werk in Manesar kam es bereits im Sommer 2011 zu einem 33-tägigen Streik gegen die Lohn- und Arbeitsbedingungen und die Spaltung der Belegschaft in 1.000 Festeingestellte, 800 Trainees (Anlerner), 400 Auszubildende und 1.200 Leiharbeiter. Der Kampf ging ferner um die Anerkennung der gewerkschaftlichen Organisation.

Der Lohn der Festeingestellten mit 13.000 Rupies (200 Euro) setzt sich zusammen aus 5.000 Rupies Grundlohn (gesetzlicher Mindestlohn) und 8.000 Rupies Prämien für Anwesenheit, Pünktlichkeit, Produkivität usw. Leiharbeiter erhalten 6.500 Rupies. Ganze 2 Prozent machen die Löhne und Gehälter (einschließlich Management) von Maruti Suzuki India am Gesamtumsatz aus. Den Arbeitern stehen neben 30 Minuten Mittagspause zweimal 7,5 Minuten Tee- und Toiletten-Pause zu, wobei Kantine und Toilette 400 Meter entfernt liegen.

Der aktuelle Kampf um diese Forderungen wurde ausgelöst, nachdem am 18. Juli ein Manager einen Arbeiter beleidigt hatte und dieser entlassen wurde, als er sich wehrte. Daraus entstand eine aufstandsähnliche Situation im Werk. Die Belegschaft wurde ausgesperrt. Der Personalchef kam ums Leben und weitere Führungskräfte wurden verletzt. Etwa 100 Arbeiter wurden verhaftet und unter Mord-Anklage gestellt. Von wem die Gewalt ausging, ist Gegenstand der Untersuchung. 2011 waren es Besitzer von Leiharbeitsunternehmen, die auf die Arbeiter schossen, um den Streik zu brechen.

Die Belegschaft überwand mit ihrem Streik die Spaltung zwischen Kasten und zwischen Festangestellten und Leiharbeitern. Die Solidarität wächst und die Arbeiter von mindestens acht Fabriken legten am 25. Juli die Arbeit nieder. Am 31. Juli dauerten Aussperrung und Streik weiter an. Der unabhängige Gewerkschaftsdachverband NTUI (Neue Gewerkschaftsinitiative) fordert, dass Maruti die Anzeigen zurücknimmt und alle bedingungslos wieder einstellt. Die „Rote Fahne“ sprach mit dessen Generalsekretär Gautam Modi, der auch auf dem Internationalen Automobilarbeiterratschlag vom 17. bis 19. Mai in München teilnahm.


Interview mit Gautam Modi, Sekretär der NTUI (New Trade Union Initiative)

Wie ist die gegenwärtige Lage bei Suzuki-Maruti in Manesar?

Die Fabrik wurde geschlossen, die Arbeiter sind ausgesperrt. Seitens der Geschäftsleitung gibt es überhaupt keine Informationen, wann sie die Fabrik wieder öffnen will. Es gibt Gerüchte, die die Arbeiter beunruhigen und wonach nur die sogenannten „guten“ Arbeiter wieder eingestellt werden, was immer auch mit „guten Arbeitern“ gemeint ist. Es gibt auch Gerüchte, wonach Arbeiter, die das Gelände betreten und Arbeit fordern, von der Polizei verhaftet werden.

Halten die Arbeiter an ihren Forderungen fest?

Ja, sie fordern ihre Wiedereinstellung, sie fordern, dass sie auf das Betriebsgelände gelassen werden, um mit dem Management verhandeln zu können.

Was sind die Hauptgründe für den gegenwärtigen Kampf?

Es gab bis zum 18. Juli keinen aktuellen Kampf, keine Agitation der Arbeiter im Betrieb. Es gab aber Verhandlungen, die abgebrochen wurden, da das Management einfach nicht willens war, in der Frage der Festanstellungen der Leiharbeiter weiter zu verhandeln.

Im Laufe der Verhandlungen wurde am 18. Juli ein Arbeiter von einem Manager massiv beschimpft. Und als er sich gegen diese Behandlung zur Wehr setzte, wurde er entlassen. Die Gewerkschaft forderte seine Wiedereinstellung und stattdessen die Entlassung des Managers. In dieser Situation begann die Agitation. Es gab also bis dahin keine Agitation auf dem Betriebsgelände. Die Arbeiter in der Fabrik arbeiteten normal weiter. Das Management weigerte sich, die Forderungen der Arbeiter zu erfüllen. Es hatte vorher einem Zeitplan für die Verhandlungen zugestimmt, an die es sich jedoch nicht hielt.

Was hat es mit der Propaganda auf sich, dass sogenannte „terroristische Aktivitäten“ stattfinden?

Es wird behauptet, dass es „Terroristen“ gibt und dass es „Maoisten“ sind. Tatsache ist jedoch, dass alles, was geschieht, sich in der Fabrik abspielt. Wer ist verantwortlich dafür, wer in der Fabrik ist? Das ist das Suzuki-Management, denn es waren ihre Beschäftigten, die in der Fabrik waren.

Der zweite Punkt betrifft die Art und Weise, wie Arbeiter behandelt werden. Es überrascht nicht, dass die Arbeiter militanter geworden sind, denn sie haben sich gegen fortlaufende Angriffe zu wehren, sie werden extrem ausgebeutet, haben sehr schlechte Lohnbedingungen. Wenn also einige Arbeiter sehr militant eingestellt sind, dann darf das nicht überraschen.

Welche Rolle spielen die Gewerkschaften und Parteien?

Die betriebliche Gewerkschaftsorganisation ist eine unabhängige Gewerkschaft, sie ist unabhängig von allen nationalen Gewerkschaftszentren. Alle fortschrittlichen Gewerkschaften unterstützen die Arbeiter in ihrem Kampf entsprechend ihren Möglichkeiten.

Welche Rolle spielt die antikommunistische Propaganda?

Ich denke nicht, dass es eine ausgesprochen antikommunistische Propaganda gab. Es wird eher eine Propaganda gemacht gegen die Arbeiter: dass die Arbeiter gewalttätig sind, dass die Arbeiter Leute beschimpfen, dass sie zu hohe Lohnforderungen stellen. Es ist eine Propaganda gegen die Arbeiterklasse, die durch die Regierung verbreitet wird. Es ist keine ausdrücklich antikommunistische Propaganda.

Das ist ein sehr wichtiger Kampf des internationalen Industrieproletariats in den Fabriken der internationalen Monopole; welche Rolle spielt er in den Kämpfen der Arbeiter in Indien und für andere Bewegungen der Massen?

Es ist ein wichtiger Kampf, ein Kampf, der an einem kritischen Punkt angelangt ist. Er geht in eine Richtung, die die gesamte fortschrittliche Gewerkschaftsbewegung dazu aufruft, den Kampf zu unterstützen, zu stärken und zu verteidigen. Und wenn wir diesen Kampf verlieren, dann werden wir auch verlieren, dann wäre auch viel für die Gewerkschaften verloren.

Es gab auch andere Kämpfe, nicht nur solche, bei denen Arbeiter aufgrund von „Gewalt“ entlassen wurden. Es gab bei den Auseinandersetzungen sowohl Angriffe auf Arbeiter als auch auf Manager. Tatsache ist, dass Berichte über Angriffe auf Manager sehr weit verbreitet werden, auch international, während über die Angriffe auf Arbeiter wenig berichtet wird, selbst auf lokaler Ebene.

Die Angriffe auf die Arbeiter haben zugenommen, auf Leih-arbeiter etc., es gibt viel mehr Angriffe auf Arbeiter als auf Manager. Das ist also nicht der einzige Kampf.

Wir brauchen eine Strategie, bei der wir diese Kämpfe zusammenführen in eine Einheitsfront. Es geht darum, dass die Kämpfe nicht vereinzelt geführt werden, sondern dass man sich für den gemeinsamen Kampf zusammenschließt, dass ein Kampf geführt wird, der gestärkt wird und andere Kämpfe unterstützt. Das Gebot der Stunde ist, wie die Solidarität organisiert und die Bewegung an der Basis gestärkt werden muss.

Der Streik findet in der Situation der anhaltenden Weltwirtschafts- und Finanzkrise statt. Gibt es auch eine Solidarität in Gurgaon oder Manesar oder auf internationaler Ebene?

Nein, wir haben keine große internationale Solidarität für den Industriegürtel Gurgaon gesehen, die wirklich von Bedeutung wäre. Was vor allem von Bedeutung ist, ist die Solidarität, die an der Basis besteht, unter allen Gewerkschaften, die vor Ort sind und im ganzen Land.

Wie können die Beziehungen des Internationalen Automobilarbeiterratschlags und der ICOR genutzt werden?

Wir sollten diskutieren, wie wir das bei der ICOR voranbringen. Ich denke, dass es wichtig ist, dass ein Zusammenschluss wie die ICOR schnell und effektiv reagiert, um die Arbeiter international zusammenzuschließen, denn die ICOR kommt aus der Tradition der kämpferischen Bewegung und der Solidarität.

Wir würden uns freuen, ständig über die weitere Entwicklung aktuell informiert zu werden. In Europa entwickeln sich Kämpfe vor dem Hintergrund der Weltwirtschafts- und Finanzkrise und es geht darum, diese länderübergreifend zu koordinieren und höherzuentwickeln.

Ich denke, wir sollten auch darüber in den nächsten Tagen sprechen und wir werden euch auch eine Antwort geben. Wir sollten das bald machen.

Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen den indischen Arbeitern viel Erfolg in ihrem Kampf.

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