Wie der Fernsehzweiteiler „Der Turm“ das Ende der DDR aufbereitet …
Eine spannende Familiengeschichte ist der Zweiteiler „Der Turm“, der zum diesjährigen „Tag der deutschen Einheit“ am 3. und 4.Oktober von der ARD zur besten Sendezeit ausgestrahlt wurde. Als Widerspiegelung des Zerfalls der DDR in den letzten Jahren ihres Bestehens wird mit hervorragenden Schauspielern der Zerfall der Familie eines Chirurgen im Dresdner Nobelviertel „Weißer Hirsch“ geschildert.
Der Familienvater praktiziert eine bürgerliche Doppelmoral, indem er einerseits eine heile Familie vorspielt, andererseits aus einer zweiten Beziehung eine Tochter hat, die er vor seiner Frau und dem Sohn verheimlicht. Andererseits ist da der Sohn, der im Internat beim Lesen faschistischer Literatur ertappt wird und nur mit Mühe und mit Hilfe eines mit der Familie befreundeten Rechtsanwalts „rausgepaukt“ werden kann. Der sieht es dann als gerechten Lohn für seine geleisteten Dienste, wenn er mit der Mutter schläft. Der Sohn wiederum löst sich während seines Militärdienstes bei der „Nationalen Volksarmee“ und bei seiner Arbeit in einem Chemiekombinat aus der Bevormundung seiner Eltern und geht schließlich seine eigenen Wege. Und nicht zuletzt durch ihr gewachsenes Selbstbewusstsein im Widerstand gegen das DDR-Regime beendet seine Mutter während des Zusammenbruchs der DDR 1989 dann doch die Beziehung zu ihrem Mann, dem sie zu Recht hemmungslosen Egoismus vorwirft.
Am Rande schildert der Zweiteiler „Der Turm“ die gesellschaftlichen Verhältnisse während der letzten Jahre des Bestehens der DDR und geißelt dabei eklatante Missstände, etwa den zunehmenden Materialmangel im Krankenhaus, in dem der Familienvater arbeitet, oder den menschenverachtenden Drill bei der Nationalen Volksarmee, der im Film ein Todesopfer fordert, oder auch den untauglichen Versuch, in der FDJ Widersprüche bürokratisch von oben herab zu lösen.
Aber auch, dass ein Lektor und Verwandter der Arztfamilie gegen seine eigenen Überzeugungen gezwungen wird, das Romanmanuskript einer regimekritischen Autorin abzulehnen. Schließlich dann die Anwerbung des Familienvaters als Spitzel, wobei offen bleibt, ob der die Fluchtpläne seines Freundes an die Stasi verrät oder nicht. Und das Ganze wird wiederholt mit inhaltslosen „sozialistischen“ Phrasen versehen.
Und genau hier liegt der antikommunistische Kern des Zweiteilers „Der Turm“: Er sagt bei aller berechtigten Kritik eben nicht, dass es sich beim Gesellschaftssystem der DDR seit der Mitte der Fünfzigerjahre des letzten Jahrhunderts nicht mehr um den Aufbau eines sozialistischen Staats, sondern um einen bürokratischen Staatskapitalismus handelte, in dem eine entartete Bürokratenkaste die Herrschaft an sich gerissen hatte. Das war freilich auch wegen der Aufrechterhaltung mancher sozialer Errungenschaften schwer zu durchschauen.
An wenigen Stellen kommt der Film an die Frage heran, um welchen tatsächlichen Charakter es sich bei der ehemaligen DDR gehandelt hat. So bei den Fragen der handelnden Personen, wie: „Ist es das, wofür unsere Eltern gekämpft und gelitten haben?“
Eine Antwort darauf verweigert der Film und sucht sie auch gar nicht. Und so sollen die sozialistischen Phrasen weismachen: Seht, so unmenschlich ist der Sozialismus. Dafür lohnt es doch nicht zu kämpfen … Und so bedient sich der Zweiteiler „Der Turm“ wesentlicher Methoden des modernen Antikommunismus. Er gibt sich kritisch, hetzt nicht offen, sondern gibt vor, angeblich hinter die Fassaden der besseren Gesellschaft in der DDR zu blicken und verschweigt dabei, dass hinter der Fassade des sogenannten real existierenden Sozialismus in Wahrheit der bürokratische Kapitalismus existiert. Wo sich unter der gehobeneren Schicht des Funktionärskörpers eine Doppelmoral mit all ihren widerlichen Auswüchsen breit gemacht hat.