„Vierter Armuts- und Reichtumsbericht“: Merkels geschönte „Erfolgs“-Bilanz

Es ging hoch her im Bundestag am 21. Februar. Thema war der „Armuts- und Reichtumsbericht“ der Bundesregierung.

Am Anfang des Berichts steht die Frage: „Wer schafft den Aufstieg in Deutschland?“ Geht es nach Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), lautet die Antwort: „Wir sind Wachstumsmotor für ganz Europa und die Welt schaut auf uns.“ Dabei blendet er allerdings ein paar „Kleinigkeiten“ aus. Der angebliche „Wachstumsmotor“ Deutschland ist zu Beginn der tiefsten Weltwirtschafts- und Finanzkrise des Kapitalismus sogar mit am stärksten abgestürzt, konnte sich zwischenzeitlich aber erholen und verharrt nicht so tief in der Krise wie etwa Griechenland, Spanien oder auch Frankreich. Unter anderem deshalb, weil die Krisenlasten auf die anderen europäischen Länder und zahlreiche Entwicklungsländer abgewälzt wurden. Aber auch deshalb, weil sich die deutsche Wirtschaft mit der größten Absenkung des allgemeinen Lohnniveaus und damit einher gehenden Verschärfung der Ausbeutung innerhalb Europas – ab 2003 im Rahmen der „Agenda 2010“ – einen entscheidenden Konkurrenzvorteil verschafft hat. Sprunghaft gewachsen sind dadurch nicht nur die Maximalprofite der Übermonopole in Deutschland. Gewachsen sind dadurch auch Armut und Existenznot – von Arbeitslosen, Rentnern, Alleinerziehenden und immer mehr Menschen, die Arbeit haben. Die sich verschärfenden Klassengegensätze passen nichts ins regierungsamtliche Bild vom erfolgreichen Krisenmanagement Merkels. Sie bestätigen vielmehr die marxistisch-leninistische Analyse von der gesetzmäßigen Tendenz zur absoluten und relativen Verelendung wachsender Teile der Arbeiterklasse im Kapitalismus. Deshalb schreckten Merkel und Rösler nicht einmal davor zurück, den Regierungsbericht zu zensieren und zu beschönigen, nachdem sie ihn sechs Monate lang zurückhielten.

Das wiederum bringt auch zahlreiche bürgerliche und kleinbürgerliche Wissenschaftler, Sozialverbände gegen die Regierung auf. So kritisiert der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider: „Das Geeiere der Bundesregierung um die Verabschiedung des Armutsberichtes kann nur noch als lächerliches Possenspiel bezeichnet werden. … Was übrig bleibt, ist im Wesentlichen peinliche Hofberichterstattung, mit der die Maßnahmen der Bundesregierung wahlkampftauglich in ein möglichst gutes Licht gerückt werden sollen.“

Immer mehr arbeitende Menschen arm
Obwohl die Merkel-Regierung bemüht ist, weiter an ihrer hauptsächlichen Krisendämpfungspolitik innerhalb der Weltwirtschafts- und Finanzkrise festzuhalten, macht selbst der „Armuts- und Reichtumsberichts“ deutlich, wie sich hinter dieser Fassade in den letzten Jahren die sozialen Gegensätze verschärft haben. Die Regierung brüstet sich vor allem mit dem Rückgang der offiziellen Arbeitslosigkeit. Jetzt zeigt sich, welcher Art die „neu geschaffenen“ Arbeitsplätze sind. Unter der Losung „Hauptsache Arbeit“ wurde in Deutschland der mittlerweile größte Niedriglohnsektor in Europa geschaffen. Belegschaften wurden zu Lohnverzicht, Auslagerungen in Fremdfirmen, Hinnahme der Ersetzung von immer mehr festen Stammarbeitsplätzen in Leiharbeiterjobs und befristete Stellen sowie zu ständig steigender Arbeitshetze erpresst. Mit den von der EU diktierten Krisenprogrammen soll diese Politik nun im Schnellverfahren  auch in andere Länder Europas „exportiert“ werden.

Im Ergebnis verfügen heute 10 Prozent der reichsten Haushalte über 61 Prozent des gesamten Nettovermögens in Deutschland. 1998 waren es noch 45 Prozent. Über die Hälfte der Bevölkerung besitzt dagegen weniger als ein Prozent des Nettovermögens.1998 waren es noch drei Prozent.

16 Prozent der Bevölkerung sind inzwischen von Armut betroffen, das sind rund 13 Millionen Menschen. Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der Rentner mit einem Minijob auf etwa 761.000 gestiegen, ein Plus von knapp 60 Prozent. Darunter waren im Jahr 2011 auch rund 120.000 Minijobber, die 75 Jahre und älter sind. Jeder dritte junge Beschäftigte in Deutschland erhält nur Niedriglohn, das sind im Westen laut offizieller Statistik weniger als 9,53 Euro und im Osten weniger als 7,22 Euro. Im Jahr 2010 gehörten zirka 2,2 Millionen Fachkräfte zu den Geringverdienern, trotz Vollzeitarbeit und Berufsabschluss.

Nach den Ursachen dieser Entwicklung sucht man im „Armuts- und Reichtumsbericht“ vergeblich, er hat vielmehr die Aufgabe, sie systematisch zu vertuschen. Die „Agenda“-Politik der verschiedenen Regierungen seit Schröder/Fischer hat über die Absenkung des allgemeinen Lohnniveaus, aber auch der Sozialversicherungsbeiträge und der sozialen Leistungen die Ausbeutung der Arbeiter und Angestellten enorm verschärft. Gleichzeitig sind sie am stärksten betroffen von den wachsenden Preissteigerungen bei Energiekosten, Mieten und Lebensmitteln. Ihnen und ihren Familien nutzt es nicht viel, dass die offiziellen Arbeitslosenzahlen zurückgehen. Für sie ist es seit dem immer komplizierter geworden, das ganze Leben zu meistern. Oft jagen sie von einem zum nächsten Job.

Im Zentrum stehen dabei die Hartz-Gesetze.  Von den Sorgen der davon betroffenen Menschen liest man meist nur noch zu den Jahrestagen der Einführung dieser Gesetze. Der Vizepräsident des Kölner Arbeitsgerichts erklärte gegenüber dem „Kölner Stadtanzeiger“ zur wachsenden Flut von Klagen im Hartz-IV-Bereich: „Die Menschen, die teilweise schon nach einem Jahr Arbeitslosengeld II beziehen und dadurch deutlich tiefer stürzen als früher in der Arbeitslosenhilfe, kämpfen wie der Teufel um jeden Cent, was ich auch verstehen kann.“ (13. 3.2013) Sie widersetzen sich damit aber auch völlig zu Recht zahlreichen Schikanen und bürokratischen Entscheiden der Arbeitsagenturen.

Die Sorgen der „Agenda“-Politiker
In der Bundestagsdebatte   beteuerte Matthias Zimmer (CDU), seines Zeichens „Sozialpolitiker“, in Deutschland fände keine Massenverelendung statt. Im Gegenteil, seit der Regierungsübernahme durch Angela Merkel im Jahr 2004 schließe sich die soziale Schere wieder. Die Debatte orientiere sich zu sehr am Geld. Genau. Wer mag sich denn auch mit so weltlichen Dingen befassen. Der „wahre Reichtum“ liegt im Herzen!

Die bürgerlichen Parteien verteidigen die Lebenslüge vom „Sozialstaat Deutschland“ mit allen Mitteln gegen die wieder wachsende Kapitalismus-Kritik. Das ist auch der Hintergrund, warum solche Berichte verfasst und debattiert werden. Und nebenbei wird auch nach Wahlkampfmunition gesucht. Unter dem Druck der Kritik aus der Bevölkerung wurde besonders die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn diskutiert, die Vorschläge reichen von 8,50 Euro (Grüne) bis 10 Euro (Linkspartei). Wenn Deutschland wie 20 andere Länder der EU endlich einen gesetzlichen Mindestlohn bekäme, wäre das zu begrüßen. Es ist allerdings eine Illusion, zu glauben, ein Kreuz für die SPD, die Grünen oder die Linkspartei würde die Klassengegensätze aufheben und der Bevölkerung kampflos eine Besserung der Verhältnisse bringen.

Katja Kipping (Linkspartei) sagte in der Debatte, die Bezahlung klaffe so weit auseinander, dass man das nicht mehr mit Leistungsunterschieden begründen könne. Der Bahnchef habe 2011 das 86-Fache eines Zugbegleiters verdient – könne aber unmöglich das 86-Fache gearbeitet haben. Das verwischt den grundlegenden Unterschied von Löhnen und Managergehältern. Auch die Arbeiter erhalten keinen Gegenwert für ihre „Leistung“. Die von ihnen geschaffenen Werte sind um ein Vielfaches höher als die Bezahlung ihrer Arbeitskraft in Form des Lohns. Das Einkommen des Bahnchefs ist dagegen Bestandteil des Profits aus der Ausbeutung der Arbeitskraft der Arbeiter. Schon Karl Marx hat die Vorstellung eines „gerechten Lohns“ im Kapitalismus zerpflückt: „Der Ruf nach Gleichheit der Löhne beruht daher auf einem Irrtum, ist ein unerfüllbarer törichter Wunsch. Er ist die Frucht jenes falschen und platten Radikalismus, der die Voraussetzungen annimmt, die Schlußfolgerungen aber umgehn möchte. … Nach gleicher oder gar gerechter Entlohnung auf Basis des Lohnsystems rufen, ist dasselbe, wie auf Basis des Systems der Sklaverei nach Freiheit zu rufen.“ (Marx/Engels, Werke, Bd. 16, S. 131/132)

Mitmach-Wahlkampf
Die MLPD tritt auch gegen antikommunistischen Gegenwind konsequent für den Sozialismus als Alternative ein. Sie kandidiert zur Bundestagswahl im September 2013, revolutionär und radikal links. Selbst aktiv werden ist dabei Trumpf, die Wählerinitiativen der MLPD führen einen Mitmach-Wahlkampf.

Die MLPD tritt in diesem Wahlkampf aber auch ein für die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, für einen Mindestlohn von 10 Euro und gegen die Rente mit 67. Die MLPD ist die einzige Partei, die konsequent „Weg mit Hartz IV“ fordert und einen entschiedenen Kampf um jeden Arbeitsplatz sowie für höhere Löhne führt. All diese Kämpfe sind eine Schule des Klassenkampfs, eine Schule der internationalen sozialistischen Revolution!         


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