Was steckt hinter der Wahlkampflosung „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“?

Ein Vergleich der Programme der im Bundestag vertretenen Parteien zur Bundestagswahl 2013 zeigt einen ausgeprägten Gleichklang in der Frauen- und Familienpolitik.

CDU/CSU:

Dazu gehört beispielsweise auch, 24-Stunden-Kitas und andere flexible Betreuungsangebote einzurichten, um Eltern mit wechselnden Arbeitszeiten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern.“ (S. 61/62) „Heute findet über 70 Prozent der Pflege zu Hause in der Familie statt. Wir werden auch in Zukunft die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf fördern und die Bereitschaft von Unternehmen, sich an Programmen zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf zu beteiligen, weiter stärken.“ (S. 79)

SPD:

Wir wollen dafür sorgen, … dass endlich Frauen und Männer in Deutschland für gleiche und gleichwertige Arbeit auch den gleichen Lohn bekommen und die Vereinbarkeit von Beruf, Kindererziehung und Unterstützung bei Pflege in unserem Land zur Normalität wird.“ (S. 9/10) „Der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern beträgt 22 Prozent, und beruflicher Aufstieg gilt immer noch als Männersache, während die Vereinbarkeit von Beruf und Familie als Frauensache gilt.“ (S. 18)

Grüne:

Wer GRÜN wählt … verbessert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.“ (S. 150) „... so schaffen wir die Voraussetzung für eine wirkliche Vereinbarkeit von Beruf und Eltern-Sein. “ (S. 151) und „Die Vereinbarkeit von Lebens- und Arbeitswelt ist auch ein Thema für Männer.“ (S. 244)

Linkspartei:

Eltern brauchen Betreuungseinrichtungen mit flexiblen Öffnungszeiten, damit sie Beruf und Familienleben vereinbaren können. “ (S. 44/45, Leitantrag zum Bundestagswahlprogramm DIE LINKE 2013)

Bei allen konkret unterschiedlichen Positionen sind sie sich in der Grundrichtung einig, dass Kindererziehung und Pflege, die ganze unentgeltliche Familienarbeit, Privatsache der Einzelfamilien sind. Und dass sie mit der Berufstätigkeit, also damit, dass die Frauen und Männer für die kapitalistische Ausbeutung in den Betrieben voll zur Verfügung stehen, vereinbart werden muss. Woher kommt diese – auf den ersten Blick vielleicht überraschende – Vereinheitlichung auf das Leitbild von „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“?

Das geht zurück auf die Ausrichtung der Monopolverbände, die die Politik aller Bundesregierungen bestimmen. So schrieb die „Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände“ (BDA): „Die Wirtschaft kann es sich auf Dauer einfach nicht leisten, auf das Potenzial gut ausgebildeter Frauen zu verzichten.“ So sei es „nur folgerichtig, wenn vorausschauende Unternehmen das Fähigkeitspotenzial ihrer Mitarbeiter unabhängig vom Geschlecht voll erschließen.“1

Dementsprechend wurde die staatliche Frauen- und Familienpolitik neu orientiert auf die „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“.

In der Umsetzung dieser Ausrichtung wurden unter der SPD/FDP-Regierung ab 1989 mehr Kindergärten eingerichtet, Ganztagsschulen eingeführt und die Alten- und Krankenpflege ausgebaut. „Der private Charakter von Haushaltsführung, Erziehung usw. wurde nicht grundsätzlich angetastet. Die staatlichen Maßnahmen waren auch von vornherein nur ,familienergänzend‘ gedacht. Die staatliche Politik zur ,Vereinbarkeit von Beruf und Familie‘ war deshalb von Anfang an eine Illusion und ein Betrug an den Frauen. Sie mündete in eine massenhafte Zerreißprobe für die erwerbstätigen Mütter und oftmals die ganze Familie.“2

Diese Zerreißprobe hat sich seitdem verschärft. Frauen in Deutschland sind heute zu 80 Prozent erwerbstätig und 20 Prozent von ihnen sind Haupternährerin ihrer Familie. Viele davon mit mehreren Minijobs oder Teilzeitarbeit. Die Hauptverantwortung für Kinder, Haushalt, Kranken- und Altenpflege bleibt ihnen aber! Das hat die chronische Krise der bürgerlichen Familienordnung vertieft. Ein Ausdruck davon ist: Wurden 1964 noch 1,4 Millionen Kinder in ganz Deutschland geboren (Höchststand der Geburtenrate), waren es 2010 mit 670.00 noch rund die Hälfte davon. 2011 lebte nur in 53 Prozent der Familien mindestens ein minderjähriges Kind. Nur noch 14,2 Prozent der Haushalte in Deutschland (2011) sind Ehepaare mit Mutter, Vater und Kind(ern) unter 18 Jahren. (Angaben des Statistischen Bundesamtes, eigene Berechnungen). Die kapitalistische Gesellschaft zeigt ihre zunehmende Unfähigkeit, sich selbst zu reproduzieren, indem sie die bürgerliche Kleinfamilie zur Randerscheinung macht, obwohl sie für die Aufrechterhaltung ihrer Ausbeuterherrschaft auf diese angewiesen ist. Dieser Widerspruch ist in diesem System unlösbar und führt zu seiner fortschreitenden Destabilisierung. Deshalb hatte auch die Krisendämpfungspolitik von Regierung und Monopolen seit dem Ausbruch der Weltwirtschafts- und Finanzkrise 2008 einen besonderen Schwerpunkt in der Frauen- und Familienpolitik. So wurde das Kindergeld minimal erhöht, wurden gewisse Steuererleichterungen gewährt, das U3-Betreuungsgesetz und das sogenannte „Bildungspaket“ beschlossen. Damit wurde zeitweilig eine bestimmte Dämpfung der Widersprüche erreicht, die allerdings auch in Deutschland nicht von Dauer sein wird.

Die MLPD setzt sich für die Entlastung der Familien und insbesondere der Frauen von den Aufgaben der Reproduktion der Arbeitskraft ein. So z. B. durch die Forderung nach „Entlastung der Familien von den Aufgaben der Reproduktion der Arbeitskraft und der Kindererziehung“ oder nach „kostenloser, qualifizierter Ganztagsbetreuung der Kinder in Krippen, Kindergärten, Horten und Ganztagsschulen“. Sie steht darüber hinaus vor allem für eine sozialistische Gesellschaft, in der die Betreuung, Ausbildung und Förderung der Kinder und Jugend, die ganze Verantwortung für die Zukunft Aufgabe der ganzen Gesellschaft ist. Genauso wie die Versorgung und Pflege von Alten und Kranken und ihre optimale Unterstützung dabei, ihre Erfahrungen und Fähigkeiten weiter einzubringen. Eine Gesellschaft, in der Familienbeziehungen nicht mehr auf ökonomischen Abhängigkeiten, sondern auf Liebe beruhen.

Das erfordert allerdings die radikale, revolutionäre Lösung der sozialen Frage – die Befreiung der Arbeiterklasse und die Befreiung der Frau als zwei Seiten des gemeinsamen Kampfes für eine befreite, sozialistische Gesellschaft. In einer sozialistischen Gesellschaftsordnung wird es eine tatsächliche „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ geben.

Wer mehr über die Frauenpolitik der MLPD erfahren – und wer – noch besser – selbst zur grundsätzlichen Lösung der Probleme beitragen will, ist herzlich eingeladen zur Mitarbeit in den Wählerinitiativen und als Mitglied der MLPD!

 

Quellen:

1 „Chancen für Frauen in der Wirtschaft“, Hrsg. BDA, Deutscher Instituts-Verlag, Köln 1989, S. 30. Zitiert nach Engel/Gärtner-Engel, „Neue Perspektiven für die Befreiung der Frau“, S. 110/111.

2 Engel/Gärtner-Engel, „Neue Perspektiven für die Befreiung der Frau“, S. 116)

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