Bulgarien: Im ärmsten Land Europas brodelt es
Seit 2007 ist Bulgarien in der EU. Aus den Medien erfährt man kaum etwas über dieses interessante Land im Herzen Osteuropas. Dabei brodelt es in diesem kleinen Land mit 7,5 Millionen Einwohnern. Bulgarien steckt in einer tiefen wirtschaftlichen Krise. Es ist das ärmste Land der EU.
Die offizielle Arbeitslosenquote beträgt 12,6 Prozent. Auffällig ist die äußerst schwache Wirtschaftsleistung mit einem Bruttoinlandsprodukt von nur rund 40 Milliarden Euro. Rund die Hälfte der deutschen Übermonopole machen im Jahr einen Umsatz, der höher ist als das gesamte Bruttoinlandsprodukt von Bulgarien!
Die große Masse der Arbeiter und der Bevölkerung lebt in Armut, viele Menschen hungern sogar und sind verzweifelt, ihnen fehlt das Nötigste zum Leben. Eine Rente von 240 Leva – das sind umgerechnet 120 Euro – ist nichts Außergewöhnliches. Auf der anderen Seite gibt es eine kleine Schicht von Superreichen, meist ehemalige Angehörige der bürokratischen Kapitalistenklasse, die sich schon damals bereichert haben.
Arbeiterstreiks und Volksproteste lösten seit Anfang des Jahres eine anhaltende offene politische Krise aus. Im Januar begann der Streik der 12.000 Metall-Arbeiter des WMS-Werkes in Sopot. Sie hatten drei Monate keine Löhne erhalten. Arbeiterinnen des Werkes demonstrierten mit Schildern: „Wir wollen ein normales Leben!“ Im März wurde der Streik erfolgreich beendet.
Zeitgleich gab es mehrere Streiks von Bergarbeitern aus dem Kohle- und Gold-Bergbau. Bulgarien hat Steinkohle, Gold, Blei, Zink, Uran, Bauxit, Kupfer, Mangan und Gips. Im Bergbau arbeiten noch 32.000 Bergleute unter schwierigsten Bedingungen und ohne ausreichenden Arbeitsschutz. Ständig gibt es Unglücke. Die Streiks richteten sich gegen Entlassungen, nicht ausbezahlte Löhne und gegen Privatisierung. Es gibt Pläne, die Löhne der Bergarbeiter um 20 Prozent zu kürzen.
Im März lösten horrende Strompreiserhöhungen Massenproteste aus. Stromrechnungen für eine Familie stiegen auf bis zu 250 Euro bei einem Durchschnittslohn von 300 bis 400 Euro. Einer der größten Stromlieferanten ist E.on. Die Verbindung von Arbeiterstreiks und Volksprotesten stürzte im März die Regierung von Boiko Borisov, dem beste Kontakte zur Mafia nachgesagt werden.
Doch auch die Neuwahlen brachten keine Stabilisierung. Die Wahlbeteiligung lag bei 51 Prozent, das sind 3,5 Millionen Wähler, und die Regierungskoalition aus drei Parteien – der revisionistischen BSP, der protürkischen DPS und der faschistischen ATAKA – wurde von nur 1,6 Millionen Menschen gewählt, die ATAKA von 250.000.
Die Regierung geriet sofort in eine Legitimationskrise. Nach dem 29. Mai, gerade einmal 15 Tage im Amt, wurde diese Regierung schon mit heftigsten Protesten konfrontiert. Seit dem 14. Juni gibt es jeden Abend Massenproteste in Sofia vor Parlament, Präsidentensitz und Parteizentralen, die den Rücktritt der Regierung fordern. Auch in anderen großen Städten wie Burgas, Varna und Plovdiv wird täglich protestiert. Bis in kleine Dörfer geht der Widerstand: im Rila-Gebirge streikten Arbeiter gegen Entlassungen und einen korrupten Bürgermeister.
Die offene politische Krise in Bulgarien bestätigt die Einschätzung der MLPD, dass das Potenzial einer revolutionären Weltkrise sich aufbaut. Aber die Menschen in Bulgarien brauchen Klarheit, woher die Probleme kommen, und über den Verrat am Sozialismus durch die Revisionisten. Dem Sozialismus wieder zu einem neuen Ansehen zu verhelfen – dafür haben die bulgarischen revolutionären Organisationen, von denen drei Mitglieder der ICOR sind, eine bedeutende Verantwortung. In der entstandenen komplizierten Situation brauchen die Menschen Klarheit.