Wen rettet der nächste „Rettungsschirm“ für Griechenland?
Neues aus der Weltwirtschafts- und Finanzkrise
Die Wahllokale waren am 22. September in Deutschland noch nicht geschlossen, da verhandelte die berüchtigte Troika bereits wieder über einen möglichen dritten „Rettungsschirm“ für Griechenland.
Nur einmal hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble das Unwort einer neuen „Griechenlandhilfe“ in den Mund genommen, sich ein Stirnrunzeln seiner Kanzlerin eingefangen und dann flugs wieder den Mund gehalten.
Jetzt aber drängt die Zeit. Denn die Verschuldung Griechenlands – ebenso wie die zahlreicher anderer Länder – ist desolater denn je. Selbst der ehemalige Chefvolkswirt der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), William White, warnt: „Es ist kaum vorstellbar, dass all diese Schulden bedient und zurückgezahlt werden. Das ganze System kann zusammenbrechen.“
Im Zusammenhang mit einem möglichen neuen „Rettungsschirm“ für Griechenland wird auch über einen weiteren „Schuldenschnitt“ debattiert. Danach sollen keinesfalls wie bisher Banken und Konzerne auf Teile der Tilgung und fällige Zinsen für von ihnen gewährte Kredite an den griechischen Staat verzichten. Diesmal sollen die staatlichen Aufkäufer griechischer Staatsanleihen – vor allem die Europäische Zentralbank – für den „Schuldenschnitt“ geradestehen. Und das wird unmittelbarer als bisher auf die Steuerzahler im gesamten Euro-Raum zurückschlagen – und ganz besonders auf Deutschland.
Diskutiert wird auch die Forderung von Vertretern des europäischen Finanzkapitals, dass sie selber über eine eigene Holding den Verkauf griechischen Staatseigentums betreiben. Obwohl Häfen, Flugplätze, Straßen und andere öffentliche Einrichtungen schon bisher an internationale Investoren verschleudert werden, brachte das nach Meinung der Troika zu wenig ein.
Mit üblen Zahlentricksereien wird die griechische Regierung erpresst und auch die hiesige Öffentlichkeit getäuscht. So wird behauptet, die „Sparanstrengungen“ seien ungenügend, weil der Schuldenstand Griechenlands nicht nennenswert abgebaut worden sei. Dabei werden immer die Schulden im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt gemessen. Allerdings ging dieses Bruttoinlandsprodukt seit Beginn der Weltwirtschafts- und Finanzkrise im Jahr 2008 bis 2012 um 19,5 Prozent zurück: Und zwar immer schneller: 2009 um 3,2 Prozent, 2011 um 7,2 und 2012 von 6,3 Prozent. Logisch, dass gemessen daran die Schuldenquote selbst bei einem Schuldenabbau weiter ansteigt.
„Gerettet“ wurden mit den Geldern der Steuerzahler aus der gesamten EU allerdings Banken und Konzerne. Von den 207 Milliarden „Griechenlandhilfe“ landeten 162 Milliarden direkt bei den europäischen Banken und großen Kapitalanlegern. Ein Drittel sahnten dabei deutsche Banken ab. Selbst von den 47 Milliarden, die einen Umweg über den griechischen Staatshaushalt machten, hat Griechenland 35 Milliarden für Zinszahlungen an die Besitzer von Staatsanleihen sofort wieder hergeben müssen. („Süddeutsche Zeitung“ vom 17. 6. 2013).
Für eine Belebung der griechischen Wirtschaft – einzige Aussicht, dass es jemals zu einer realen Verbesserung der Lage kommt, blieb da nichts. Im Gegenteil: Seit dem ersten „Rettungsbeginn“ gingen etwa 100.000 vor allem kleinere Unternehmen in Konkurs, die Arbeitslosenquote explodierte auf 27 Prozent, über eine Million Menschen (bei einer Gesamtbevölkerung von 11,3 Millionen) verloren ihren Job. Durchschnittlich büßten die noch Beschäftigten und die Rentner 30 Prozent ihres Einkommens ein. 500.000 Familien sind mittlerweile ohne jedes Arbeitseinkommen („NZZ“ vom 14. 9. 2013). Streichprogramme gibt es vor allem bei den Renten, im Gesundheits- und Bildungswesen. Steuereinnahmen und Konsumfähigkeit im Inland gehen in die Knie.
Auch die Entwicklung der gesamten Weltwirtschafts- und Finanzkrise bietet keinen Spielraum für eine Änderung der Lage Griechenlands. Die Statistiken der OECD weisen aktuell eine rückläufige Industrieproduktion in 22 Staaten aus. Dazu gehören 14 EU-Staaten, darunter Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien und Spanien.
Mit den Griechenland-Hilfen wurde der Staatsbankrott Griechenlands nur zeitweilig vermieden, der drohte, die ganze EU mit in einen neuen Krisenstrudel zu stürzen. Aufgeschoben heißt aber nicht aufgehoben. Schon im Kommunistischen Manifest stellten Karl Marx und Friedrich Engels fest: „Wodurch überwindet die Bourgeoisie die Krisen? Einerseits durch erzwungene Vernichtung einer Masse von Produktivkräften; andrerseits durch die Eroberung neuer Märkte und gründlichere Ausbeutung alter Märkte. Wodurch also? Dadurch, daß sie allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel, den Krisen vorzubeugen, vermindert.“ („Manifest der Kommunistischen Partei“, Marx/Engels, Werke, Bd. 4, S. 468)
Anna Bartholomé