Es bleibt dabei: Hartz-Gesetze müssen weg!

Die diesjährige Herbstdemonstration der bundesweiten Montagsdemonstrations-Bewegung am 19. Oktober in Berlin wird bereits die dritte „neue“ Regierung seit ihrem Bestehen kämpferisch begrüßen.

Zum zehnten Mal findet diese Demonstration mittlerweile am Sitz der Bundesregierung statt, seit sie am 3. Oktober 2004 erstmals gegen das damals gerade beschlossene Hartz-IV-Gesetz und die „Agenda 2010“ organisiert wurde.

Sie ist der jährliche Höhepunkt einer selbst organisierten Bewegung, die an Beharrlichkeit und Konsequenz ihresgleichen sucht.

Gegenteil des bürgerlichen Politikbetriebs
Die Montagsdemo-Bewegung steht im krassen Gegensatz zum herrschenden bürgerlichen Politikbetrieb, wie er auch aktuell mit den Koalitionsverhandlungen stattfindet. Was versprachen die Berliner Parteien nicht alles vor der Wahl? Hinter verschlossenen Türen verschachern sie jetzt nahezu sämtliche vorherigen Verlautbarungen. Wer Merkel loswerden will, muss SPD wählen, versprach SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Ungeachtet dessen verhandelt die SPD jetzt über eine große Koalition. Die Montagsdemo-Bewegung verkörpert das Gegenteil der bürgerlichen „Pseudo-Demokratie“. Mit ihren basisdemokratischen Abstimmungen auf der Straße durch die betroffenen Menschen selbst, einem bundesweiten Delegierten-System, offenem Mikrofon zur Klärung strittiger Fragen verwirklicht sie Prinzipien, wie sie auch eine künftige sozialistische Demokratie prägen werden.

Geburtsstunde 2004
Geboren wurde sie aus einer Massenbewegung, die im Sommer 2004 innerhalb von vier Wochen auf bis zu 250.000 Teilnehmer anwuchs. Inspiriert von der demokratischen Volksbewegung am Ende der DDR versammelten sich auf ihrem Höhepunkt Montag für Montag in rund 230 Städten aufgebrachte Menschen, um gegen das Hartz-IV-Gesetz zu protestieren.
Versprochen hatte die damalige SPD/Grünen-Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder unter anderem die Halbierung der Arbeitslosigkeit. Tatsächlich war die Arbeitslosenzahl bis 2005 auf offiziell über fünf Millionen gestiegen. Hartz IV war das letzte einer Reihe von Gesetzen, die nach dem maßgeblich für ihre Ausarbeitung verantwortlichen Ex-VW-Manager Peter Hartz benannt wurden. Sie sollten vor allem die Langzeitarbeitslosigkeit eindämmen. Schon die Erfahrung mit den ersten drei Hartz-Gesetzen zeigte, dass es in Wirklichkeit um etwas grundsätzlich anderes ging: die Kürzung der Sozialausgaben von Staat und Monopolen, die massive Senkung der Löhne sowie Ausdehnung von Leiharbeit und Niedriglohn-Jobs. Als dann die geplanten Hungersätze des zukünftigen Arbeitslosengelds II und die im Gesetz vorgesehenen massiven Sanktions-Möglichkeiten (bis zur Komplettstreichung der Bezüge) bekannt wurden, gingen die Tassen hoch.

Gleichzeitig entwickelte sich 2004/2005 eine Serie konzernweiter Streiks, in denen reformistische Manöver wie Sozialpläne, Standortpropaganda oder Beschäftigungsgesellschaften ihre Wirkung verloren. Ihr Höhepunkt war der siebentägige selbständige Streik bei Opel in Bochum im Oktober 2004. Insbesondere der Kern des Industrieproletariats löste sich zunehmend von der sozialdemokratisch geführten Regierung.

Ein Sieg über Spaltung und Antikommunismus
Die erste zentrale gemeinsame Demonstration der jungen Montagsdemo-Bewegung wurde auf der bundesweiten Konferenz am 28. August 2004 in Leipzig in Form eines Sternmarsches nach Berlin beschlossen. Zirka 50 Montagsdemonstrationen führten an der Basis Abstimmungen zu Gunsten des Sternmarsches am 3. Oktober durch. Als Reaktion darauf wurde auf einer von den Führungen der PDS (Vorläufer der Linkspartei) und ATTAC anberaumten Konferenz am 11. September 2004 eine zweite Demonstration am 2. Oktober beschlossen und damit die Montagsbewegung gespalten.

Der Berliner PDS-Partei- und Fraktionsvorsitzende Stefan Liebich hatte schon am 21. September 2004 geäußert, dass die PDS nur bis zum 2. Oktober demonstrieren wolle und dass er über „Alternativen“ nachdenke, wie „Informationsveranstaltungen über das Ausfüllen von Hartz-IV-Anträgen“ („Tagesspiegel“, 21. 9. 04). Der großen Masse der über 50.000 Demonstranten am 2. Oktober stand der Sinn jedoch nicht nach Kapitulation. Sie waren genauso wie die 25.000 Teilnehmer des Sternmarschs am folgenden Tag fest entschlossen, den Kampf gegen Hartz IV und die ganze unsoziale Regierungspolitik weiter zu führen.

Die jährlichen Demonstrationen in Berlin festigten seitdem den bundesweiten Zusammenhalt der Montagsdemo-Bewegung. 2006 und 2007 wurde schließlich auch die bis dahin wirkende Spaltung zu einem Teil der Montagsdemonstrationen in den neuen Bundesländern überwunden. Die Bewegung verlor zwar ihren anfänglichen Massencharakter. Sie hat sich über die Jahre jedoch ein großes Ansehen unter der Bevölkerung erworben. Ein wesentliches „Erfolgsgeheimnis“ für ihre Stabilität besteht in der gleichberechtigten und vorbehaltlosen Zusammenarbeit von Teilnehmern unterschiedlicher Weltanschauung und Parteizugehörigkeit – mit Ausnahme von Faschisten. Gerade ihre Offenheit für die sozialistische Perspektive und gleichberechtigte Teilnahme von Vertretern der MLPD hat der Bewegung wiederholt antikommunistische Diffamierungen eingebracht. Besonders in diesem Gegenwind hat sie sich gestärkt und jede Woche neue Argumente entwickelt. Damit hat sie sich auch eine bestimmte Unabhängigkeit von der herrschenden Meinungsmanipulation inklusive dem modernen Antikommunismus als Kern erkämpft.

Die „Erfolgs“-Bilanz von Hartz IV
Bis heute ist der Kampf gegen Hartz IV hochaktuell. Bei den gegenwärtigen Sondierungsgesprächen zur Bildung einer neuen Regierungskoalition sind sich alle Berliner Parteien einig, dass an den Hartz-Gesetzen festgehalten werden soll. Die Bundeskanzlerin nahm sich zu dem Thema im Bundestagswahlkampf auffallend zurück. Schwammig lobte sie in der Regel nur die „erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik“ ihrer Regierung.

Der Rückgang der offiziellen Arbeitslosenzahlen ist jedoch maßgeblich auf die Verschiebung eines Teils der Massenarbeitslosigkeit zugunsten der Aufblähung der Unterbeschäftigung zurückzuführen. Verbunden ist das mit einem europaweit einzigartigen Anschwellen von Niedriglöhnen und der massenhaften Verarmung von Arbeitslosen und arbeitenden Menschen.
Seit 1995 bis 2010 hat die Zahl der Niedriglohn-Beschäftigten um 2,3 Millionen auf rund 8 Millionen zugenommen, in den alten Bundesländern um 68 Prozent, in den neuen um 3 Prozent. In Deutschland muss mittlerweile jeder Vierte von einem Niedriglohn leben (24,1 Prozent). Nur in Litauen werden noch mehr Menschen niedrig entlohnt. Im europäischen Vergleich arbeiten in Deutschland auch die meisten Frauen im Niedriglohnsektor (34,4 Prozent).

Zahlreiche Bezieher der früheren Arbeitslosengeld (das bei 63 Prozent des vorherigen Nettolohns lag) wurden im Zuge der Hartz-Gesetze in das Arbeitslosengeld II gedrängt, das gerade so hoch liegt, dass minimale Grundbedürfnisse des Lebens zu decken sind. Gab es 2003 noch 1,9 Millionen Bezieher von Arbeitslosengeld, erhielten 2012 nur noch 849.000 Menschen das neue, ohnehin deutlich gekürzte Arbeitslosengeld I (60 Prozent vom Bruttolohn). Der größte Teil der Arbeitslosen wird auf das Niveau der früheren Sozialhilfe gedrückt – egal, welchen Beruf sie ausübten

Seit Einführung von Hartz IV ist die Zahl der Sanktionen gegen Arbeitslose, um sie zur Annahme aller erdenklichen Jobs zu zwingen, immer weiter gestiegen. 2012 waren es bereits 1,017 Millionen, 38 Prozent mehr als 2009. Mittlerweile gibt es doppelt so viele Leistungskürzungen wie vor sechs Jahren. Aktuell erhielten allein in Essen tausende Hartz-IV-Bezieher Rückforderungen in Höhe von zusammen 29 Millionen Euro wegen angeblicher „Überzahlungen“.

Seit Mai 2009 dürfen Hartz-IV-Betroffene – mit Befragungen von Nachbarn, Vermietern, Banken und Versicherungen sowie Oberservationen und Hausbesuchen – ausgeschnüffelt werden.
Wie willkürlich bei den Sanktionen vorgegangen wird, zeigt die Tatsache, dass fast jede zweite Klage (44 Prozent) gegen Hartz-IV-Bescheide teilweise oder voll erfolgreich ist. Vielfach geben Jobcenter vor den Gerichten ohne jeden Urteilsspruch nach. Noch nie wurden so viele Widersprüche und Klagen gegen Hartz-IV-Bescheide eingereicht. Im August 2013 erreichten sie ein Rekordhoch von fast 400.000.

1,3 Millionen Menschen bekamen 2012 Hartz IV, obwohl sie einen Job haben. Seit 2007 ist die Zahl dieser sogenannten „Aufstocker“ vor allem unter Frauen stark angestiegen (26 Prozent), viele davon sind alleinerziehend. Zwar müssen immer mehr Hartz-IV-Bezieher alle denkbaren Arbeitsgelegenheiten annehmen, dem Hartz-IV-Bezug entrinnen sie dadurch noch lange nicht. Nur eine Handvoll der 120 Hartz-IV-Empfänger, die die „Deutsche Forschungsgemeinschaft“ über sieben Jahre befragte, habe dies geschafft. Studienleiter Klaus Dörre: „Das heißt aber nicht, dass die anderen passiv gewesen sind. Wir haben zum Teil 10, 12, bis zu 20 berufliche Stationen in den sieben Jahren. Das geht von 1-Euro-Jobs zu Gelegenheitsjobs. Dann kam wieder eine erwerbslose Phase, dann eine Maßnahme und so weiter.“

Großes Zukunftspotenzial
Es gibt also nicht nur allen Grund, am Kampf für die Abschaffung der Hartz-Gesetze festzuhalten. Es gibt auch darüber hinaus immer mehr Gründe, die Montagsdemonstrations-Bewegung zu stärken. Sie ist eine geeignete Plattform zur Bündelung der verschiedensten Seiten des Protests gegen die Regierungspolitik. Schon in den letzten Jahren wurde sie immer wieder zum Teil massenhaft zum Anlaufpunkt im Sinne des Montags als Tag des Widerstands: 2011 nach dem Atom-GAU in Fukushima oder zur Solidarität mit Massenkämpfen in Griechenland und der Türkei.

Alle Zeichen deuten auf eine verschärfte Abwälzung der Lasten der nach wie vor anhaltenden Weltwirtschafts- und Finanzkrise. Der Chef des IW-Instituts der Unternehmerverbände, Michael Hüther, fordert angesichts des staatlichen Schuldenbergs bereits Kürzungen im Gesundheitsbereich und bei Hartz IV. Unter anderem sollten die Übergangszahlungen zwischen Arbeitslosengeld I und ALG II gestrichen werden. Auch wenn versucht wird, noch zeitweise an der Krisendämpfungspolitik festzuhalten – der Spielraum dafür wird angesichts der begonnenen Vertiefung der Weltwirtschafts- und Finanzkrise immer enger. Die diesjährige Herbstdemonstration steht für das klare Signal an die Herrschenden, dass sich die Montagsdemonstranten auf die notwendigen härteren Kämpfe einstellen.

Die Errungenschaften der Montagsdemo-Bewegung sind dafür von herausragender Bedeutung. Die MLPD macht als aktiver Teil der Montagsdemo-Bewegung deutlich, dass sie die Partei der revolutionären Richtung in der kämpferischen Opposition ist. Sie hat nach der Wahl nicht das „vergessen“, was sie vorher vertreten hat. Ihr Wahlkampf und die Arbeit danach sind eine Einheit.

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