25 Jahre Féile an Phobail – Das Festival des Volkes

25 Jahre Féile an Phobail – Das Festival des Volkes

Das Wandbild in Belfast erinnert an Bobby Sands, gestorben im Hungerstreik

Reisebericht aus Belfast/Nordirland

Mauern mit Stacheldraht, rassistische Sondergesetze, Staats­terror und Foltergefängnisse, entschlossener Widerstand der Massen und Bürgerkrieg – hier denken die meisten Menschen an Südafrika oder die besetzten Gebieten Palästinas. Bis vor kurzem auch Realität in Nordirland, also inmitten der EU, die sich bekanntlich gerne als Gralshüter von Demokratie und Menschenrechten präsentiert.

15 Jahre nach dem Friedensabkommen ist der Konflikt längst nicht Geschichte. An nahezu jeder Ecke erinnern Gedenktafeln an die vielen Menschen, die als Freiheitskämpfer gegen britische Besatzungstruppen ihr Leben ließen, an Zivilisten, die grundlos und unbewaffnet von der britischen Armee erschossen wurden oder dem faschistischen Terror paramilitärischer Gruppen zum Opfer fielen. Unzählige Wandbilder und ein irisch-republikanisches Museum erinnern an Unterdrückung und Internierung, als auch an vielfältige Formen der Selbstorganisation der Bevölkerung, den bewaffneten Kampf der IRA und seine Unterstützung durch die breiten Massen, was wohl entscheidend war für den Abschluss des Friedensabkommens am Karfreitag 1998 und den anschließenden Rückzug der britischen Armee.

All das wurde greifbar, als wir im August zusammen mit einer kleinen Delegation der deutschen Nordirland-Solidaritätsbewegung das „Festival des Volkes“ im Westteil der nordirischen Hauptstadt Belfast besuchten. Das Festival entstand 1988 als Reaktion auf eine Hetzkampagne der britischen Thatcher-Regierung, die Westbelfast als „Terroristenviertel“ diffamierte. Entsprechend demonstriert und organisiert Féile an Phobail jährlich die kulturelle und politische Lebendigkeit und Offenheit dieses Stadtteils mit einer breiten Mischung aus Informations- und Diskussionsveranstaltungen, Filmvorführungen, Kunst-austellungen, Sport, Theater, Kabarett und Konzerten in zahlreichen Pubs und einem großen Festzelt.

Inhaltlich geht es um geschichtliche Aufarbeitung und Aufklärung von Verbrechen der britischen Armee und Regierung wie auch um aktuelle Fragen des Kampfs um demokratische Rechte und Freiheiten. Die Berichte über Brutalität und Rücksichtslosigkeit, mit denen man in vielen Veranstaltungen und Gesprächen konfrontiert wird, sind schockierend. Ebenso die Tatsache, dass es den Herrschenden gelungen ist, durch übels­ten Sozialchauvinismus und gezielte Privilegien große Teile der Massen und auch der Arbeiter in den britisch-unionistischen Stadtvierteln nationalistisch zu verhetzen und damit die soziale Frage zu überlagern.

Den stärksten Eindruck auf uns machte aber nicht die Brutalität und Menschenverachtung des britischen Staates, sondern das Selbstbewusstsein und der Stolz, mit dem weite Teile der irischen Bevölkerung in Nordirland den Kampf um die Wahrheit, ihre Freiheit und demokratische Rechte führen. Optimis­mus und Lebensfreude auch bei Menschen, die viele Jahre in Internierungslagern und Gefängnissen verbracht haben. Ausgehend von einer 800-jährigen Geschichte von Kolonialismus und Widerstand in Irland sind die meisten Menschen geprägt von Ruhe, Entschlossenheit, Solidarität und einer positiven Grundhaltung zum bewaffneten Freiheitskampf. Das wird besonders spürbar in vielen rebellischen Liedern und der Stimmung bei Konzerten. Unser eindruckvollster Abend war das Konzert mit den Bands „Rebel Heart“, „Wolfetones“ und „GaryOg“ bei 3.000 Besuchern im Festzelt.

Auch internationale Solidarität wurde lebendig, nicht nur durch viele internationale Besucher, sondern auch durch den alljährlichen Palästina-Solidaritätstag und eine Veranstaltung der noch lebenden Kämpfer der „XV. Brigade“ – der irischen Kämpfer der internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg 1936 bis 1939 – leider bereits vor unserer Ankunft.

Nordirland ist zwar aus den Schlagzeilen der Medien verschwunden, hier gibt es aber eindeutig viele wertvolle Erfahrungen für den internationalen Freiheitskampf der Arbeiter und Un­terdrückten.

Aber trotz rebellischem Geist unter den Massen und einem positiven Ansehen des Sozialismus gibt es keine marxistisch-leninistische Partei, im Alltag gibt es ähnliche Probleme wie in anderen Ländern: Hohe Arbeitslosigkeit, eine überdurchschnittlich hohe Selbstmordrate von Jugendlichen, Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen, z.B. durch bevorstehendes Fracking.

Insofern stellen sich auch viele Fragen: Wie kann der Einfluss des Sozialchauvinismus in den unionistischen Stadtvierteln bekämpft und die tiefe Spaltung der Arbeiterklasse in Nordirland überwunden werden? Mit welcher konkreten Strategie und Taktik muss unter diesen Bedingungen der Freiheitskampf weiter geführt werden?

Fest steht: Belfast ist ein unbedingter Reisetipp für alle, die mehr von Irland sehen wollen als frisch gezapftes Guinness und die eindrucksvollen Landschaften und Steilküsten – vor allem in der ersten Augustwoche, in der alljährlich das Festival des Volkes stattfindet.

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