Große Koalition auf dünnem Eis

Vom Wahltag bis zum Koalitionsvertrag hat es 66 Tage gedauert. 300 Politiker von CDU/CSU und SPD waren daran beteiligt. Da kommen dutzende Arbeitsjahre zusammen.

Und mit welchem Ergebnis? Jeder Sachbearbeiter würde für so eine Leistung hochkant rausfliegen. Aber Merkel, Gabriel und Seehofer feiern sich vor den Kameras und betonen penetrant die tolle Atmosphäre in den Verhandlungen. Dabei steht diese Koalition auf sehr dünnem Eis.

Der am 27. November vorgelegte Koalitionsvertrag mit dem Titel „Deutschlands Zukunft gestalten“ trägt den Keim der Niederlage bereits in sich. Der Versuch eines Spagats zwischen den Verheißungen des Wahlkampfes, den Erwartungen der eigenen Massenbasis und den Forderungen des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals ist zum Scheitern verurteilt.

Seit der Schröder/Fischer-Regierung sind die jeweiligen Koalitionsverträge ohnehin immer weniger eine exakte Festlegung. Sie behandeln vor allem eine Übereinkunft über die Sprachregelungen und wie man die Politik an den Mann bringen will. Dabei sind alle beteiligten bürgerlichen Parteien gegenüber dem Wahlkampf deutlich nach rechts gerückt.

Sie hatten vor der Wahl um verschiedene Schlüsselfragen der Weltwirtschafts- und Finanzkrise, der Umweltpolitik im allgemeinen, Atomkraftwerke, Kriegseinsätze usw. einen Riesenbogen gemacht, um einer Konfrontation mit den Massen aus dem Weg zu gehen. Sie wissen, dass sie hier die Mehrheit der Bevölkerung gegen sich haben.

Gleichzeitig haben sich die internationalen Übermonopole wie selten zuvor in die Regierungsbildung eingemischt. – explizit die vier großen deutschen Autokonzerne und die Energie-Monopole – aber auch alle großen Monopolverbände. Sie diktierten ihre Forderungen in die Feder der Koalitionäre und verlangen Unterwerfung unter ihre Ansprüche. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) legte eigens eine Broschüre vor mit dem Titel: „Für stabile und unternehmerfreundliche Rahmenbedingungen in Deutschland – BDI-Forderungen an die 18. Legislaturperiode“.

Die Verhandlungsführer der Großen Koalition folgten den Monopolforderungen dann auch weitgehend. Allerdings versucht der Vertrag gleichzeitig, die bisherige Krisendämpfung aufrechtzuerhalten. Die Monopolpolitik wird verbrämt und dazu das Vertragswerk mit vielen Schlagwörtern aus dem Wahlkampf gespickt.

So forderte der BDI beispielsweise, „Kostenbegrenzungen für besonders energieintensive Unternehmen (sei) weiter erforderlich, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten“. Und im Koalitionsvertrag heißt es folglich: „Die Energiewende wird nur … Akzeptanz finden, wenn Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit gewährleistet sowie industrielle Wertschöpfungsketten und Arbeitsplätze erhalten bleiben.“

Umweltkatastrophe wird ignoriert

Die MLPD hat im Wahlkampf den Kampf gegen die drohende Umweltkatastrophe zu einem Kernthema gemacht. Welche Richtung schlägt die Koalitionsvereinbarung in der Umweltpolitik ein? Der Streitpunkt „Energiewende“ wurde bis Ostern 2014 vertagt. Überhaupt scheint es eine der Methoden dieses Tarifvertrages zu sein, strittige Entscheidungen in die Zukunft zu verlagern, um jetzt erst einmal überhaupt eine Regierung bilden zu können.

Die Grünen tragen diese Politik aktiv mit und die Spitzen der etablierten Umweltverbände kapitulieren! Zu den Kundgebungen anlässlich des „Klimagipfels“ haben sie praktisch nicht mobilisiert. In Hessen beginnen die Grünen Koalitionsverhandlungen mit einer CDU, die voll auf den Ausbau des Frankfurter Flughafens setzt!

Mindestlohn auf Seite 67

Das Flaggschiff des SPD-Wahlkampfs, der Mindestlohn, wird erst ab Seite 67 des Koalitionsvertrags behandelt. Der Vertrag enthält die Zahl 8,50 Euro, was Sigmar Gabriels Minimalziel war. Aber der Mindestlohn kommt erst zum 1. Januar 2015. Abweichungen können noch bis Ende 2016 tarifvertraglich vereinbart werden. Ein Gesetz dazu muss erst noch erarbeitet werden und soll „mögliche Probleme, z. B. bei der Saisonarbeit, bei der Umsetzung berücksichtigen.“ Die Vertagung um über ein Jahr und mehr entwertet die ohnehin mickrige Höhe von 8,50 Euro zusätzlich. Damit werden viele nicht über Hartz-IV-Niveau kommen. Sie taugen mehr als Lohnuntergrenze, an der sich die Kapitalisten orientieren können.

Die MLPD hat im Wahlkampf die soziale „Minimalpolitik“ aller bürgerlichen Parteien angegriffen. Warum sollen die Arbeiter und Angestellten für ihre Höchstleistungen mit Almosen abgespeist werden?

Die Monopole warnten dagegen vor „sozialen Wohltaten“ wie Einschränkung der Leiharbeit und sie drohen schon mal mit Produktionsverlagerungen. Ingo Kramer, der neue Chef des Unternehmerverbandes BDA, zeigte sich angesichts der Diskussion über 8,50 Euro „fassungslos“. Und drohte, dass „ein Langzeitarbeitsloser in vielen Branchen und Regionen für staatlich verordnete 8,50 Euro kaum einen Einstieg in die Arbeit finden“ werde.

An Rente mit 67 festhalten“, forderte der BDI und brav schreiben die Koalitionäre in ihren Vertrag: „Arbeiten bis 67 gestalten“. Leiharbeit bleibt unangetastet und bei Werkverträgen soll lediglich deren rechtswidriger Missbrauch verhindert werden. Aber um etwas ohnehin Rechtswidriges zu unterbinden – braucht man keine Regierung!

Mit die auffälligsten Verschärfungen sind im Bereich der Militär- und Sicherheitspolitik vorgesehen. So soll jetzt auch die berüchtigte Vorratsdatenspeicherung à la NSA begonnen werden.

Ob die SPD-Mitgliedschaft all das schluckt, wird sich zeigen. Ebenso, wie groß in der SPD die Widerstände gegen die Große Koalition real sind. Die Koalition macht dies in jedem Fall von Beginn an labil.

SPD zittert vor ihrer Basis

Die SPD-Führung zittert vor der Abstimmung der Mitglieder über die Koalitionsvereinbarung und riskiert eine Austrittswelle. Als Zugeständnis wird eine Öffnung zur Linkspartei angekündigt. Aber das kam wiederum auf dem rechten Flügel der SPD schlecht an. Mit der Großen Koalition droht der SPD ein weiterer Abstieg, wie er in Ostdeutschland mit Ergebnissen weit unter 20 Prozent vorgezeichnet ist.

Wie groß die Angst der SPD-Spitze vor einer Vertiefung ihrer Krise ist, zeigt auch ihr Zaudern, das Finanzministerium zu übernehmen. „Man sorgt sich darum, dass ein sozialdemokratischer Finanzminister harte Entscheidungen zu fällen hätte“, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“.

Der hessische Grünen-Vorsitzende Al-Wazir spricht für alle Berliner Parteien: „Ausschließeritis darf es nicht mehr geben“. Damit soll taktisch die Funktion der untoten FDP als flexibel einsetzbarer Koalitionspartner ausgeglichen werden. Die Monopolparteien senden damit eine Botschaft an die Wähler aus, die mit ihrer Stimme politische Veränderungen anstreben: „Ihr könnt wählen, was ihr wollt – wir sind nicht abwählbar!“ Damit untergraben sie selbst den Markenkern des kleinbürgerlichen Parlamentarismus, der immer ein kleineres Übel verspricht.

Die anhaltende Weltwirtschafts- und Finanzkrise und der damit einhergehende internationale Konkurrenzkampf lässt die deutschen Übermonopole immer unverhohlener ihre Forderungen diktieren. Dem ordnen sich alle Berliner Parteien mehr oder weniger offen unter. Dazu gehört ihre uneingeschränkte Bereitschaft, die Monopolpolitik in der Regierung durchzusetzen. Das ist ein sehr dünnes Eis! Denn damit beschwören sie in den kommenden Jahren offene politische Krisen und Massenproteste gerade zu herauf. Und sie machen Platz frei für die kämpferische Opposition und für eine prinzipienfeste revolutionäre Kraft: die MLPD.

Keine Schonfrist für die Regierung

Den zu erwartenden Angriffen der kommenden Regierung wird mit symbolischen Aktionen und Appellen nicht beizukommen sein. Nötig ist eine schlagkräftige kämpferische Opposition, die offen ist für eine gesellschaftliche Alternative zum Kapitalismus – die den modernen Antikommunismus offensiv bekämpft. Die Ausgrenzung der Marxisten-Leninisten kommt oft mit der Parole „keine Parteien“ daher. Das würde nur den Führungsanspruch kleinbürgerlicher Kräfte und bürgerlicher Politiker erleichtern und die kämpferische Opposition zahnlos machen.

Die MLPD hat im Wahlkampf die radikal linke, revolutionäre Position des echten Sozialismus erfolgreich beansprucht – und sie wird diesen Platz jetzt auch konsequent besetzen. Diese Regierung darf keine Schonfrist bekommen.

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