Fack ju Göhte – möchtegern jugendgemäß, sexistisch, bieder!

Schwäbisch Gmünd (Korrespondenz): Seit mehreren Wochen läuft „Fack ju Göhte“ im Kino. Tausende von Jugendlichen haben diesen Film gesehen, der „ … einen weiteren Angriff auf die Lachmuskeln und gegen die Spießigkeit in deutschen Lehrerzimmern“ unternehmen will, verspricht die Home­page von Regisseur und Drehbuchautor Bora Dagtekin. „FACK JU GÖHTE erzählt von überforderten Lehrern und gestörten Schülern und mischt das Genre Schulkomödie mit derben Sprüchen und pointierten Dialogen neu auf.“

Die Story: Der Kleinkriminelle Zeki Müller (Elyas M’Barek) kommt nach 13 Monaten aus dem Knast und will an seine Beute. Leider liegt sie unter der Turnhalle der inzwischen gebauten Goethe-Gesamtschule. Was tun? Er bewirbt sich. Zeki wird für zwei Monate als Aushilfslehrer eingestellt. Natürlich, durch die Wechselfälle der Komödie, bekommt Zeki die total abgefahrene Klasse 10b. Die hatten die Referendarin Elisabeth Schnabelstedt (Karoline Herfurth) tags zuvor in die Nervenkrise getrieben. Auch Zeki ergeht es zunächst nicht anders: Im Wandschrank wartet ein Kanister Altöl, der sich über ihn ergießt. Als er sich auf den Stuhl setzt, klebt er fest und kommt nur unter Aufopferung seines Hosenbodens frei. Und als er letztlich im Auto die Flucht ergreifen will, explodiert ein Federkissen im Wageninneren, dass er wie geteert und gefedert aussieht. Kurz, die Klasse 10b besteht aus Monstern!

Kein Problem für Zeki! Er will ja nur an seine Kohle. Die Gören interessieren ihn nicht. Er bringt die 10b zunächst mit einer Paintballkanone auf Linie. Dann gibt er ihnen die Aufgabe, für jede Unterrichtsstunde eine DVD zu besorgen. Er braucht seine Ruhe, um Baumarktangebote zu lesen. Schließlich muss er des Nachts im Keller der Turnhalle nach seiner Beute bohren.

Als er endlich in seinem mannshohen, von ihm allein in die Erde getriebenen Tunnel die Beute findet, haben sich die Schule, die Klasse 10b und Zeki Müller verändert: Zeki hat sich in Lisi Schnabelstedt verliebt, die Klasse 10b ist zu einer Musterklasse mutiert und die Schule wird bald einen Zuschuss für die Arbeit bekommen.

Komödien leben von Verwechslungsszenen und unerwarteten Wendungen. Davon gibt es genug im Film. So am Anfang, als er seiner dämlichen Freundin (die sich später als gar nicht so dumm herausstellt) beim gemeinsamen Ausbaldowern der Beute einschärft, zu hupen, wenn jemand kommt. Während er Kopf und Kragen riskiert, sitzt sie im Auto mit dem Handy am Ohr und quatscht mit ihrer Freundin. Sie bekommt gar nicht mit, dass Zeki zurückkommt, und hupt wild drauf los.

Doch was in der Eigenwerbung als „derbe Sprüche und poin­tierte Dialoge“ bezeichnet wird, ist häufig schlicht sexistisch im Inhalt und der Form nach aus dem Milieu von Kleinkriminellen und Drogendealern. Jugendliche verwenden ihren eigenen Jargon, der sich von der Sprache der Erwachsenen abheben muss. Was aber der Film macht, ist, dass er eine gewisse Tendenz zur sprachlichen Verwahrlosung verstärkt, um sich anzubiedern.

Komödien leben auch von Übertreibung, Überzeichnung. Aber dennoch transportieren sie Inhalt. Da ist zum einen das Frauenbild: Entweder eine Frau ist wie Lisi Einserkandidatin, sieht mit Brille etwas seltsam aus, ist ein wenig naiv und keiner will sie haben („Mach doch kein Gesicht wie eine ungevögelte Jungfrau“). Oder sie hat nur ihr Aussehen im Kopf, träumt von Brustvergrößerung und entsprechenden Push-ups. Erst wenn eine Frau entsprechend aussieht, wird sie überhaupt wahrgenommen.

Dann ist da die Haltung gegenüber den Massen. Um den Schülern der Klasse 10b ihre Perspektive aufzuzeigen, wenn sie nicht lernen, macht Zeki einen Ausflug mit ihnen. Besuch bei einem Drogenabhängigen im Endstadium. Besuch bei einer Hartz-IV-Familie: „Kinder, macht was aus eurem Leben. Sonst endet ihr wie wir. Wir leben von Hartz IV und
unsere Tochter geht auf den Strich, um uns zu unterstützen“,
sagt die Frau, während ihr Hund mitten ins Wohnzimmer scheißt. Hartz-IV-Empfänger pauschal als Versager und verwahrlost?

Und dann ist da die Handlung selber: Eigentlich ist der Plot nicht schlecht für eine Komödie. Die Klasse 10b steht in blinder Rebellion gegen alles, was von der Schule, von den Lehrern kommt. Ein Mensch, spärlichst mit Schulkenntnissen ausgestattet, wird ihr Lehrer. Das muss unkonventionell ausgehen. Es macht einerseits Spaß zu sehen, wie Zeki die Klasse 10b züchtigt, denn sie hat es verdient. Aber was macht er eigentlich aus ihr? Am Ende sind Zeki und die Klasse 10b angepasst und nichts ist mehr übrig von der Rebellion. Die anfangs blinde Rebellion endet – schulpädagogisch wertvoll – im Sinne von Leuten,
die’s kapiert haben: Passt euch an, bringt die geforderten Leistungen, hört auf mit der Rebellion. Ihr seid selber schuld, wenn aus euch nichts wird.

Der Film ist mit staatlichen Mittel gefördert. Und so ist es sicher kein Zufall, dass er am Ende doch recht bieder daherkommt. Er zieht aus der Schulmisere, „überforderten Lehrern und gestörten Schülern“ nicht einmal die Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit, mit Massenarbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit im Kapitalismus in Erwägung, sondern landet mit „Friede, Freude, Eierkuchen“ im biederen Hafen der kleinbürgerlichen Pädagogik.

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