So „humanitär“ ist die deutsche Flüchtlingspolitik …

Die CSU will Anfang Januar auf ihrer Klausurtagung einen schärferen Kurs gegen angebliche „Armutszuwanderer“ aus EU-Staaten beschließen.

Ihnen soll der „Zugang zum deutschen Sozialsystem“ erschwert werden. Konkreter Anlass ist die ab 1. Januar 2014 auch für Bulgarien und Rumänien geltende sogenannte „volle Arbeitnehmerfreizügigkeit“, nach der Menschen aus diesen EU-Staaten (die vor sieben Jahren EU-Mitglieder wurden) das Recht auf freien und uneingeschränkten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt haben. Seit Wochen wird dieses Datum von reaktionären Politikern und Medienberichten genutzt, um dumpfe Ängste und Spaltung unter den Massen zu schüren. Bundeskanzlerin Merkel ließ über ihren Regierungssprecher verlauten, sie sehe in dieser Frage „keinen Handlungsbedarf“. Die „Freizügigkeit“ zähle zu den „zentralen europäischen Errungenschaften“.

„Freizügig“ ist die von der Bundesregierung maßgeblich bestimmte EU-Flüchtlings- und Migrantenpolitik aber nur, wenn es darum geht, gezielt Arbeitskräfte aus anderen Ländern anzuwerben. Die „Freizügigkeit“ endet abrupt dort, wo es sich um Menschen handelt, die für den Verwertungsprozess des Kapitals von keinem oder nur von untergeordnetem Interesse sind. Sie endet genauso dort, wo es darum geht, tatsächlich „humanitäre“ Hilfe für Menschen zu leisten, die vor bitterer Armut, Hunger, Umweltzerstörung, Kriegsfolgen und politischer Verfolgung fliehen müssen.

Dafür steht die EU-Politik der Rückdeportation abgelehnter Asylbewerber, der Abschottung der Außengrenzen und regelrechten militärischen Aufrüstung gegen den wachsenden Flüchtlingsstrom, der heute erst einen Bruchteil dessen ausmacht, was die wachsende Krisenhaftigkeit des Imperialismus zukünftig erwarten lässt.

Verwertbares Arbeitskräftepotenzial

Die heutige Arbeitsmigration ist nichts anderes als die Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft aus neokolonial unterdrückten oder schwächeren kapitalistischen Ländern durch die imperialistischen Länder.

Deshalb betonen die bürgerlichen Migrationsforscher vor allem den Nutzen der Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien für die deutsche Wirtschaft. Viele von ihnen seien hochqualifiziert, Ärzte und Ingenieure. Tatsächlich verfügen 28 Prozent der Migranten aus Bulgarien und Rumänien über einen Hochschulabschluss, weitere 26 Prozent gelten als „mittelqualifiziert“ (Stand 2010). Damit liegen sie über dem Durchschnitt der in Deutschland lebenden ausländischen Staatsangehörigen. Die führenden EU-Länder versprechen sich, auf diesem Weg an billige Fachkräfte zu kommen, deren aufwändige Ausbildung sie sich nebenbei auch noch sparen. Doch fehlen diese Fachkräfte der Wirtschaft und den öffentlichen Diensten in ihren Heimatländern.

Die CSU will diese Politik keineswegs aufheben. Ihr geht es in erster Linie um chauvinistische Stimmungsmache. CDU und SPD versuchen demgegenüber wieder Boden gut zu machen, indem sie sich von dieser platten Hetze distanzieren. Sie lenken damit zugleich davon ab, dass sie selbst eine zutiefst reaktionäre imperialistische Flüchtlings- und Migrationspolitik betreiben. Nebenbei weisen ihre „Experten“ darauf hin, dass die geltenden Bestimmungen längst genügend Handhabe bieten, „nicht arbeitswillige“ Zuwanderer zu bestrafen. Tatsächlich gibt es die von der CSU geforderte Sperre für Hartz-IV-Bezug während der ersten drei Aufenthaltsmonate längst.

Das wahre Gesicht der deutschen Flüchtlings- und Migrationspolitik

Der imperialistische Block der EU hat für das internationale Finanzkapital ein Instrumentarium mit seinen Verordnungen und Richtlinien geschaffen, um EU-weit erkämpfte soziale, politische und ökonomische Rechte auf niedrigstem Niveau zu deregulieren. Die sogenannten „Freizügigkeits“-Regelungen beinhalten eine umfassende Bandbreite von Möglichkeiten wie grenzüberschreitende Leiharbeit und Scheinbeschäftigung mit Werkverträgen, vor allem in der Fleischverarbeitungs-, Bau- und Reinigungsindustrie und dem Pflege-, Hotel- und Gaststättengewerbe. Sie bedeuten Niedrigstlöhne und Tariflosigkeit, Wegfall der Krankenversicherung und demokratische Entrechtung.

Eine wachsende Widerstandsbewegung richtet sich gegen die umfassende politische Diskriminierung von Flüchtlingen in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Sie richtet sich gegen schlechte Unterbringung in maroden Flüchtlingsheimen, miserable Nahrungsversorgung mit Essenspaketen, eingeschränkte ärztliche Versorgung, Kürzung bzw. Streichung von Taschengeld, Arbeitsverbot, fehlenden Zugang zu Sprachkursen und gegen die sogenannte „Residenzpflicht“ – das Verbot, den Ort ihrer Unterbringung in Deutschland zu verlassen.

Flüchtlinge aus allen Teilen Deutschlands waren letztes Jahr in einem Protestmarsch nach Berlin gekommen. Es waren vor allem Afrikaner, die über die italienische Insel Lampedusa flohen und schon eine wahre Odyssee hinter sich hatten. Nicht wenige von ihnen sind Arbeiter, deren Lebensgrundlage z. B. durch die imperialistische Intervention in Libyen zerstört wurde (die „Rote Fahne“ 43/2013 berichtete darüber). Als die Polizei die Flüchtlinge im November vertreiben und ihr Camp auflösen wollte, erhielten sie breite Unterstützung aus der Bevölkerung. „Wir wollen hier nicht weg, das Camp ist unser Kampfplatz gegen Lager, Abschiebung und Residenzpflicht“, erklärte ein Flüchtling damals gegenüber „rf-news“. Auch in Hamburg und anderen Städten gibt es eine wachsende Solidaritätsbewegung mit den Flüchtlingen.

Im Koalitionsvertrag wird heuchlerisch erklärt: „Wir werden die Willkommens- und Anerkennungskultur in unserem Land stärken.“ In Wirklichkeit betreibt gerade Deutschland führend die Militarisierung und Faschisierung der Außengrenzen der Europäischen Union. Seit 2005 besteht dazu der EU-Grenzschutz „Frontex“. Frontex-Schiffe haben wiederholt sogar Fischer und Seefahrer an der Rettung von Schiffbrüchigen gehindert. Das EU-Parlament beschloss am 10. Oktober 2013, für über 250 Millionen Euro das Grenzüberwachungssystem „Eurosur“ aufzubauen. Mit einem System von Schiffen, bewaffneten Grenzeinheiten, Drohnen und Luftüberwachung sollen damit Flüchtlingsboote schon kurz nach dem Ablegen in Afrika abgefangen und bereits in internationalen Gewässern zurückgeschleppt werden.

Moderne Völkerwanderung“

Rund 1,2 Milliarden Menschen befinden sich zurzeit weltweit in Migration. Die wachsende internationale Flüchtlingswelle ist eine Folge der zunehmenden imperialistischen Krisenhaftigkeit, von Armut, Umweltzerstörung, imperialistischen Kriegen, Unterdrückung und Rechtlosigkeit. Gemeinsam mit der revolutionären Weltorganisation ICOR tritt die MLPD dafür ein, dass die Menschen in ihren eigenen Ländern den Kampf dagegen aufnehmen, aber sich auch länderübergreifend zusammenschließen und ihre Kämpfe international koordinieren. Das umfasst die Kritik an bürgerlichen und kleinbürgerlichen Einflüssen, die mit der Flucht in imperialistische Länder auf eine individuelle Lösung der Probleme setzen.

Zweifellos sind die Umstände für die meisten zur Migration gezwungenen Menschen dramatisch. Dennoch ist die Migration nicht nur ein Fluch des Kapitalismus, sondern auch eine positive Bedingung für die Vereinigung der internationalen Arbeiterklasse. „Nur Reaktionäre“, schrieb schon Lenin, „können vor der fortschrittlichen Bedeutung dieser modernen Völkerwanderung die Augen verschließen.“ Dabei findet ein Austausch von Erfahrungen, kulturellen Prägungen, Organisations- und Kampfformen statt, wie er zum Beispiel eine große Rolle in der Aufstandsbewegung in Nordafrika und den arabischen Ländern gespielt hat. Die Kämpfe haben sich gegenseitig befruchtet.

Die Arbeiter müssen erkennen, dass sie trotz aller Unterschiede weltweit eine Klasse sind. Dazu arbeitet die MLPD in Deutschland immer enger mit fortschrittlichen Migrantenorganisationen zusammen. Sie kritisiert dabei allerdings auch, dass viele von ihnen sich in der Vergangenheit lange Zeit nicht am Klassenkampf und revolutionären Parteiaufbau in Deutschland beteiligt haben.

Revolutionäre Kritik der imperialistischen Flüchtlingspolitik

Die Flüchtlings- und Migrantenpolitik wird ein wichtiger Bestandteil der bevorstehenden Teilnahme der MLPD am Europawahlkampf sein (siehe S. 20). Sie wird der reaktionären Kritik an der imperialistischen Migrantenpolitik ihre revolutionäre Kritik entgegenstellen, die auch ein positives Programm umfasst. Auf dem Treffen der Gelsenkirchener Wählerinitiative „Stefan Engel und Petra Braun“ zur Bundestagswahl 2013 am 19. Juli vergangenen Jahres stellte der Spitzenkandidat der MLPD in einem Vortrag die folgenden Losungen der MLPD in der Migrantenfrage vor:

Volle rechtliche Gleichstellung aller dauerhaft in Deutschland lebenden Migranten, egal welcher Nationalität (außer Besatzungstruppen)

Aktives und passives Wahlrecht für Migranten

Gleiche Rechte am Arbeitsmarkt für Migranten

Uneingeschränktes Asylrecht auf antifaschistischer Grundlage

Anerkennung als Asylant auch aus geschlechtsspezifischen Gründen (z. B. wegen sexueller Verfolgung, Beschneidungen)

Wir sind entschieden gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit

Wir treten ein für die Aufhebung des Verbots der PKK und anderer revolutionärer Organisationen

Revolution ist kein Verbrechen. Keine Einschränkung der demokratischen Rechte von Asylbewerbern vor Gerichten!

Die wichtigste perspektivische Lösung besteht im Kampf für eine sozialistische Gesellschaft, in der die Ausbeutung und Unterdrückung des Menschen durch den Menschen abgeschafft ist, und in der Errichtung vereinigter sozialistischer Staaten der Welt.

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