Ukraine: Wer kämpft wirklich für Demokratie und Freiheit?

Jeden Tag neue Informationen über den in eisiger Kälte geführten Kampf zwischen dem Regime und bis zu Zehntausenden Demons­tranten in Kiew und zunehmend auch an­deren Landesteilen.

Tote durch Polizei­gewalt, mehr als 300 Verhaftete, Folteropfer. Nichts ist gerechtfertigter als der Ruf nach Freiheit und Demokratie gegen das Janu­kowitsch-Regime. Aber mit der reaktionären Opposi­tion kommen die Massen vom Regen in die Traufe. In den letzten Wochen treten al­ler­dings neue Erscheinungen zu Tage. Zu­mindest Teile der Demonstranten lösen sich aus dem Einfluss der Klitschko und Co.

Was in der Ukraine seit Wochen abläuft, begann als Kampf um imperialistische Macht und Einflussgebiete und dauert an. Die Ukraine ist als ein Land mit reichen Rohstoffen, Landwirtschaft, großer und teils entwickelter Industrie, insbesondere auch Rüstungsindustrie, und als Absatzmarkt für beide imperialistische Blöcken ein besonders wichtiger Brocken. Auf der einen Seite die USA/EU und auf der anderen Seite Russland/China. Beide stützen sich auf rivalisierende Gruppen der ukrainischen Bourgeoisie. Sie versuchen, die Massen auf ihre Seite zu ziehen und zu mobilisieren.

Die USA/EU nutzen die Parteien der rechten bürgerlichen Opposition wie die Klitschko-Partei UDAR, einschließlich der faschistischen Partei „Swoboda“. Russland stützt sich auf das Regime von Präsident Viktor Janukowitsch und dessen „Partei der Regionen“ und auf die revisionistische „Kommunistische Partei der Ukraine“ (KPU).

Ukraine besonders von der Krise getroffen

In den letzten Jahren sind in der Ukraine selbst Monopole zu internationalen Monopolen mit Investitionen in vielen Ländern in Ost und West herangewachsen. Die größten Konzernherren der Ukraine, Oli­garchen genannt, sind eng verbandelt mit staatlichen Institutionen oder sitzen sogar persönlich in Regierung, im Parlament oder eben der Opposition. Sie haben Kohlegruben und Stahlwerke, Verarbeitungsindustrie, Waffenschmieden, Schiffs- und Flugzeugwerke, Medien, Chemieanlagen usw. Die meisten haben ihre industrielle Basis im Osten der Ukraine. Sie brauchen die Zusammenarbeit sowohl mit dem Westen (wegen der Technologie und der Märkte) wie mit Russland (wegen der Märkte und der Energielieferungen). Russland hat vor allem im Osten der Ukraine vorherrschenden Einfluss.

Zugleich ist die Ukraine besonders von der Weltwirtschafts- und Finanzkrise betroffen. Allein 2009 ging die Wirtschaftsleistung um 15 Prozent zurück. Heute ist die Ukraine hoch verschuldet, muss allein in diesem Jahr 6,5 Mil­liarden Dollar für Auslandsschulden aufbringen. USA und EU wollten dies für ihre Ziele der Marktöffnung und Ausplünderung ausnutzen. Der IWF forderte Abwertung der Währung, Abschaffung des verbilligten Energiepreises für die Bevölkerung, sonstige Kürzungen. Die Verteuerung der Energie hätte viele Menschen dem eiskalten Winter ohne Heizung ausgeliefert.

Diese Situation nutzte Russland seinerseits zu einer Erpressung und forderte Nicht-Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der EU gegen einen Kredit über 15 Milliarden US-Dollar. Dem beugte sich Präsident Janukowitsch und verweigerte die Unterschrift unter das Assoziierungsabkommen mit der EU.

Dagegen riefen verschiedene reaktionäre Oppositionsparteien wie „UDAR“, Swoboda“ und die Vaterlandspartei der früheren Ministerpräsidentin Tymo­schenko zu Massendemonstrationen auf.

EU sieht ihre Stunde gekommen

In diesem Moment sah die EU erneut ihre Stunde gekommen. Bereits 2004 hatte sie versucht, mit massiver Einflussnahme mittels der sogenannten „orangenen Revolution“ größeren Einfluss auf die Ukraine zu erlangen – war aber gescheitert. Im Herbst 2013 startete erneut eine Medienkampagne, um die EU zu einem Idol von Freiheit und Wohlstand zu verklären. Davon können die inzwischen zur EU gehörigen Länder Ost- und Südeuropas ein Lied singen. Sie sind zu Armenhäusern geworden wie Bulgarien und Rumänien, in denen in vielen Orten 50 bis 70 Prozent der Menschen nur noch im Exodus aus ihren Ländern einen Ausweg sehen. Insgesamt ist in 17 Gebieten der Ukraine die Mehrheit gegen die EU-Annäherung, nur in zehn ist die Mehrheit dafür.

Neben den Anhängern der ­reaktionären Opposition gehen heute immer mehr auch Menschen auf die Straße, die genug haben von Armut, Niedriglöhnen und -renten, Arbeitslosigkeit, Korruption – egal welcher Regierung und welcher Partei. Genossen der ICOR-Organisation „Koordinierungsrat der Arbeiterbewegung“ (KSRD) berichteten der „Roten Fahne“ Ende Januar: „Beim Maidan ist die Aktion und Teilnahme so groß, dass sich viele Menschen ihr auf der Grundlage einer wirklichen Proteststimmung anschließen. Aber auch hier wird die Proteststimmung im Interesse bürgerlicher Parteien und Organisationen ausgenutzt.“

Loslösung von der bürgerlichen Opposition

Dem Regime Janukowitsch gelang es nicht, die Demonstrationen mit gewaltsamer Unterdrückung zu beenden. Deswegen versucht er durch Zugeständnisse und Verhandlungen mit den bürgerlichen Oppositionsführern sein Amt zu halten. Die Verschärfung des Versammlungsgesetzes nahm er zurück, versprach Freilassung von Verhafteten. Das Militär warnte vor einer Spaltung des Landes. Janukowitsch denke sogar über Neuwahlen nach, hieß es am 4. Februar.

Aber auch die Pro-EU-Kräfte verlieren zunehmend Einfluss auf die Massen. Schon am 21. Januar räumte Klitschko in seiner „Bild“-Zeitungskolumne ein, dass die Opposition „die Bewegung nicht mehr unter Kontrolle“ hat. Zum Teil bewaffnen sich die Demonstranten und es kommt verstärkt zu Kämpfen mit dem Staatsapparat. Radikalität und Härte der Protestierenden nehmen zu. In allen Landesteilen gibt es mittlerweile Massenproteste. Auch neue Gesichter, zum Teil von Arbeitern aus den Betrieben, sind jetzt in den Demonstrationen zu sehen.

Jetzt kommt es immer wieder zu Verhandlungen zwischen Regierung und bürgerlicher Opposition, bahnen sich faule Kompromisse an. Diese wachsende Zusammenarbeit zwischen Regierung und bürgerlicher Opposition stößt unter den Demonstranten massiv auf Widerspruch. Die Zugeständnisse und das Lavieren von Klitschko und Co. kommen hier nicht gut an.

In Deutschland wird Klitschko von Angela Merkel und ihrem Gefolge hofiert. So am 31. Januar kurz vor Mitternacht in der „Tiroler Stube“ des Münchner Nobelhotels „Bayerischer Hof“, als Klitschko mit Bundesverteidigungsministein Ursula von der Leyen und mehreren CDU- und CSU-Abgeordneten in gemütlicher Runde speiste.

Entscheidend ist der Weg der Massen

Die Polarisierung in der Ukraine verschärft sich. Ein nicht geringer Teil der Demonstranten auf dem Maidan, dem zentralen Platz Kiews, hat sich inzwischen dem „Rechten Sektor“ zugewandt – einem Zusammenschluss faschistischer ultranationalistischer Gruppen.

Für Verwirrung unter den reiten Massen sorgt der nicht verarbeitete Verrat am Sozialismus Mitte der 1950er Jahre durch den damaligen Generalsekretär der Sowjetunion, Nikita Chruschtschow, und seine Nachfolger. Damals war die Ukraine noch Teil der Sowjet­union. Das damals errichtete bürokratisch-kapitalistische System wurde jahrzehntelang als Sozialismus propagiert. Das setzt heute noch die KPU fort und schreckt so die Massen von einer wirklichen sozialistischen Perspektive ab. Hinzu kommt der amtlich gewordene moderne und alte Antikommunismus.

Der KSRD arbeitet unter schwierigen Bedingungen auch unter den Demonstranten, um sie für den revolutionären Ausweg zu gewinnen. Faschisten versuchen diese Kleinarbeit mit Gewalt zu verhindern. So viel zum demokratischen Anspruch der von der EU unterstützten Kräfte! Aber auch eine antifaschistische Selbstorganisationen der Massen gegen die faschistischen Banden entwickelt sich.

Der Ausweg für die ukrainischen Massen ist nicht der Sieg der einen oder anderen reaktionären Seite der Herrschenden, die sie unterdrückt und ausbeutet. Notwendig ist ein Kampf gegen jegliche imperialistische Einmischung und gegen die eigene Regierung, für demokratische und soziale Rechte mit der Perspektive des echten Sozialismus.

Die Rolle der EU und Deutschlands

Deutschland müsse und wolle „seine Zurückhaltung“ in der Außenpolitik aufgeben. So erklärt die neue Bundesregierung die sich ankündigende aggressivere Außenpolitik. Gedacht wird an mehr Auslandseinsätze der Bundeswehr und verstärkte Einmischung in verschiedenste Brennpunkte in der Welt. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wurden dafür in Bezug auf die Ukraine schon erste Pflöcke gesetzt: Offen wird eine Einmischung in die ukrainischen Verhältnisse beansprucht, nämlich: Änderung der Verfassung und Einsetzung einer sogenannten „Technokratenregierung“. Unter dem Deckmantel einer „friedlichen Lösung des Konflikts“ wollen Berlins Scharfmacher der Ukraine eine neue Regierung aufzwingen und drohen mit Sanktionen. Gleichzeitig agiert die EU nervös und fürchtet die offene Konfrontation mit Russland.

Es ist eine wichtige Aufgabe in der EU-Wahlkampagne der MLPD, die imperialistische Außenpolitik des BRD- und EU-Imperialismus anzugreifen. Es gilt die Solidarität mit der Arbeiterklasse und den Werktätigen in der Ukraine und in anderen osteuropäischen Ländern zu organisieren. In Osteuropa liegt derzeit ein Schwerpunkt von Protesten, Massendemonstrationen und Unruhe. Die Massen bekommen Pers­pektive, wenn sie gegen gegen jegliche imperialistische Ausbeutung und Unterdrückung, gegen die jeweiligen Regierungen und für eine befreite Gesellschaft im echten Sozialis­mus kämpfen.

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