EU–USA „Freihandelsabkommen“? Nackte Diktatur der Übermonopole!
Wenn das geplante Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU Wirklichkeit wird, war dies erst der Anfang. Das sogenannte Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) wird sämtliche Umwelt-, Ernährungs-, Sicherheits-, Arbeits- und sonstige Schutzbestimmungen schleifen. Gefragt werden dabei weder die US- noch die EU-Bürger.
TTIP – ein Geheimabkommen
Das TTIP – zu deutsch die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft – ist das bisher größte derartige Abkommen in der Geschichte der Menschheit. Obwohl es gravierende Auswirkungen auf die gesamte Lebens- und Arbeitswelt von 800 Millionen Menschen hat, wird es hinter verschlossenen Türen verhandelt. So schreibt der EU-Unterhändler Ignacio Garcia Bercero an seinen amerikanischen Kollegen: „Alle Dokumente in Bezug auf die Verhandlungen um die Entwicklung des TTIP-Abkommens, darunter Verhandlungstexte, Vorschläge beider Seiten, begleitendes Material, Diskussionsvorlagen, E-Mails, die sich auf die Substanz der Verhandlungen beziehen und andere Informationen, die im Kontext der Verhandlung ausgetauscht werden … werden vertraulich behandelt.“1
Diese Abschottung gilt allerdings nur für die Öffentlichkeit und kritische Medien. Mit Vertreterinnen von Monopolverbänden, Konzernen, Lobby-Gruppen hat sich die EU-Kommission nach eigenen Angaben immerhin 119 Mal getroffen, um die Verhandlungen mit den USA vorzubereiten. Die Geheimhaltung hat einen guten Grund, scheiterten die USA und die EU doch bereits mehrmals mit solchen Abkommen an Protest und Widerstand ihrer Bevölkerungen. So bei dem Multinationalen Investitionsabkommen (MAI) Ende des letzten Jahrhunderts.
TTIP – dreiste Manipulation der öffentlichen Meinung
Glaubt man führenden EU-Repräsentanten blühen mit dem TTIP paradiesische Zustände. Einen „Riesenschritt nach vorne, der auch neue Arbeitsplätze schaffen würde“2, so nennt Angela Merkel das TTIP. Karel de Gucht, EU-Handelskommissar, geht noch weiter und prognostiziert: „Hunderttausende neue Arbeitsplätze, Wachstum und mehr Einkommen für unsere Bürger“.2 Diese Prophezeiungen stützen sich alle auf Studien des Münchner IfO-Instituts. Diese Propagandaschmiede des Monopolkapitals unter Leitung von Hans Werner Sinn hat auch den sogenannten „Geschäftsklimaindex“ erfunden. Mit seiner Hilfe prognostiziert das Institut die künftige Wirtschaftsentwicklung anhand des Wohlbefindens einer repräsentativen Anzahl Manager. Doch selbst dieses Institut, namentlich der für die Studie verantwortliche Prof. Gabriel Felbermayer, wundert sich über die euphorische Auslegung seiner Studie durch Bundesregierung und EU-Kommission. Denn im Kleingedruckten werden die angekündigten 160.000 Arbeitsplätze in Deutschland an einen Zuwachs des Handels mit den USA um 80 Prozent, bei gleichzeitig ausbleibenden Währungsschwankungen, geknüpft. Woher dieser Zuwachs kommen soll ist ebenso schleierhaft wie die Frage, warum es künftig keine Währungsschwankungen mehr geben sollte.
Man kann und muss davon ausgehen, dass sämtliche Versprechungen im Zusammenhang mit TTIP nicht auf Sand, sondern sogar auf Treibsand gebaut sind. Sie haben einzig und allein den Zweck, den zu Recht misstrauischen Massen das Freihandelsabkommen zu verkaufen.
Schiedsgerichte werden zur höchsten Instanz
Kernbestandteil von TTIP und ähnlichen Abkommen, wie dem nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA oder dem CETA-Abkommen zwischen der EU und Kanada, sind sogenannte Schiedsgerichte. Peter Fuchs, Vertreter der TTIP-kritischen Organisation Campact berichtet: „Europäische Investoren in den USA und US-Investoren in Europa sollen vor eigenen Schiedsgerichten klagen können, wenn sie sich zum Beispiel durch umweltpolitische Regulierungen in ihrem Eigentum oder ihren Profiterwartungen geschädigt sehen. … Die Entscheidung in dieser noch wenig bekannten Welt der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit treffen jeweils kleine Tribunale von drei hoch bezahlten Investitionsrechtsexperten. Diese tagen im Geheimen und ohne Berufungsinstanz oder richterlichen Unabhängigkeit. Trotzdem können sie verbindliche Entscheidungen auch über öffentlich politische Maßnahmen treffen.“3
Heute sind weltweit bereits mehr als 500 solcher Verfahren anhängig. So wurde Kanada zu einem Schadensersatz von 250 Millionen US-Dollar gegenüber einer US-Ölfirma verurteilt. Der Grund: Kanada hat ein Fracking-Moratorium beschlossen. Mexiko muss 170 Millionen US-Dollar an drei US-Firmen zahlen, wegen der Beschränkung des Imports gesundheitsschädlichen Maissirups aus den USA. Vattenfall verlangt von der Bundesregierung 3,7 Milliarden Euro Schadensersatz wegen des Atomausstiegs.
Staatliche Souveränität war gestern, heute ist TTIP! Mit TTIP tritt die Diktatur des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals über die gesamte Welt noch deutlicher in Erscheinung. Die Rolle der Nationalstaaten wird weiter unterhöhlt. Die 500 größten Monopole der Welt wollen mit Hilfe solcher Abkommen ihre Interessen künftig direkt unter Ausschaltung nationaler Regierungen durchsetzen.
Insbesondere die EU-Monopole wollen mit TTIP der seit einigen Jahren zu beobachtenden Achsenverschiebung der Weltwirtschaft in den pazifischen-asiatischen Raum entgegenwirken. Sie trachten danach die Achse EU/USA auch gegen neo-imperialistische Rivalen zu stärken, wie Indien oder Brasilien.
Was TTIP wirklich bringt?
TTIP will Handels- und Investitionsbarrieren abbauen. Die „Rote Fahne“ deckte bereits im November 2013 auf, dass der Fantasie keine Grenzen gesetzt sind, was solche Barrieren angeht. Dazu gehören „die Sicherheit und Kennzeichnung von Lebensmitteln, die Grenzwerte chemischer und toxischer Belastungen und weitere Fragen des Umweltschutzes, des Gewässerschutzes, Nutzung von Rohstoffen, das Gesundheitswesen, Kontrolle und Preise von Arzneimitteln Energiegesetze, Industriestandards, Arbeitsschutzrechte, die öffentliche Vergabe von Aufträgen usw.“
Dabei zielt TTIP erklärtermaßen nicht auf eine internationale Verbesserung von Standards, Grenzwerten und Schutzbestimmungen. Das wäre durchaus sinnvoll. Tatsächlich geht es um die „Beseitigung lokaler Hindernisse für den Handel“4. Das heißt die Durchsetzung der jeweils niedrigsten Standards in allen beteiligten Ländern. So giert die Gentechnik basierte US-Landwirtschaft nach dem europäischen Markt. Rund 20 Prozent der amerikanischen Milchkühe und etwa 80 Prozent der Mastrinder bekommen regelmäßig gentechnisch verändertes bovines Somatotropin, ein leistungssteigerndes Hormon. In der EU ist das bisher verboten. Während die Durchschnittsgröße von US-Landwirtschaftsbetrieben bei 180 Hektar liegt, liegt sie in der EU-28 gerade einmal bei 12 Hektar. Mit TTIP ist die nächste Runde im europäischen Bauernsterben vorprogrammiert.
Zu den Verlierern werden auch die kleineren, kapitalistischen Länder zum Beispiel in Südeuropa oder Südamerika gehören. Ihre Exporte in die großen imperialistischen Länder wird durch die neue Konkurrenz noch mehr an den Rand gedrückt. Neben der sinkenden Lebensmittelqualität wird so auch die Arbeitslosigkeit wachsen. Mit Hilfe der wachsenden internationalen Konkurrenz unter den Beschäftigten werden die Monopole alles versuchen, die Löhne auf den niedrigsten Standard zu drücken. Unter dem Stichwort „right to work“ wollen die Unternehmen gewerkschaftliche Rechte schleifen. Es steht nicht etwa für „Recht auf Arbeit“, sondern für das „Recht des Individuums, unbehelligt von Tarifverträgen, Gewerkschaften oder zum Beispiel Streikaufrufen zur Arbeit zu gehen“, heißt es in einem Aufruf zum Widerstand mit zahlreichen Erstunterzeichnern aus Gewerkschaften, Betrieben, Universitäten und Kanzleien.
Allein in Deutschland haben bereits 320.000 Menschen online bei der Initiative Campact gegen TTIP unterschrieben. Die Grünen wollen TTIP sogar zum Wahlkampfthema bei der Europawahl machen. Nur lehnen sie TTIP keineswegs grundsätzlich ab. Deshalb lehnte ihr Parteitag am 9. Februar auch die Forderung nach „Stopp des TTIP“ ab und will die Verhandlungen lediglich „aussetzen und neu starten“.
„Wer nicht verhandelt, hat schon verloren“, beschrieb die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Karin Göring-Eckardt, ihre Position5.
Widerstand und Rebellion gegen die EU und TTIP
Nur wurde kein einziges der bisherigen Abkommen durch Verhandlungen zum Scheitern gebracht. Ihre Position ist typisch für die durch und durch bürgerliche Mentalität in der grünen Partei-Spitze. Bewusst grenzt sie sich damit von Bertolt Brecht ab. Sein bekannter Spruch lautete: „Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft hat, schon verloren!“ Nur wer kämpft, hat einen Chance, TTIP zu verhindern
Die Linkspartei lehnt das Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren ab und unterstützt die Kampagne gegen TTIP. Helmut Scholz, einer ihrer Mitglieder im Europäischen Parlament, sieht aber auch „durchaus einen Fortschritt bei der Einbeziehung des Europäischen Parlaments“6 Er orientiert deshalb auf eine Verbesserung des Abkommens durch das Europäische Parlament. Nur ist das Europäische Parlament ein stinknormales bürgerliches Parlament und vertritt in seiner Mehrheit eben das TTIP. Konkret wird es noch nicht einmal in die Verhandlungen einbezogen, sondern nur bruchstückhaft informiert.
Die Illusion, man könne an einem Verhandlungstisch, an den man noch nicht einmal eingeladen ist, ein sozial gerechtes und umweltschützendes TTIP schaffen, ist gefährlich. Sie desorientiert den Widerstand. Mit Diskussionen und Unterschriftenkampagnen kann der notwendige harte Kampf gegen TTIP unterstützt, aber nicht ersetzt werden.
Die MLPD verbindet ihren Europa-Wahlkampf mit der Forderung „das ganze TTIP muss vom Tisch!“ Der Kampf gegen TTIP muss Bestandteil der notwendigen und gerechtfertigten Rebellion gegen die EU werden.
Jörg Weidemann
1 Brief an Daniel Mullaney
2 Monitor Sendung am 30. 1. unter anderem auf https://www.youtube.com/
watch?v=2M2a_O-cdjk
3 „Überflüssig wie ein Kropf“, Telepolis, 15. 8. 2013
4 „TTIP: No, we can’t“, S. 9
5 „Die Welt“, 8. 2. 14
6 TTIP – was 800 Millionen Menschen nicht wissen – Interview mit Helmut Scholz MdEP der Linkspartei