Hannover Messe 2014: „Energiewende“ und „Fabrik der Zukunft“ waren Hauptschlagworte
Esslingen (Korrespondenz): Im Zweijahres-Rhythmus wird die Hannover Messe, die sich selbst als „weltwichtigste Technologie- und Industriemesse“ preist, in unterschiedlichem Umfang veranstaltet. In den geraden Jahren wie 2014 findet die etwas kleinere Ausgabe statt.
Zu den vier Kernbereichen gehören: Industrieautomation und IT (Industrial Automation/Digital Factory), Energie- und Umwelttechnologien (Energy/IndustrialGreenTec), Forschung und Entwicklung (Research & Technology) sowie Industrielle Zulieferung (Industrial Supply).
5.000 Aussteller – drei Prozent mehr als 2012 – präsentierten ihre Produkte und Entwicklungen 180.000 Besuchern. Ein Viertel der Besucher kam aus dem Ausland, die meisten aus dem diesjährigen Partnerland Niederlande. Als Herkunftsländer der ausländischen Besucher folgten China (von dort stammen die meisten der mehr als 50 Prozent ausländischen Aussteller), Polen, Frankreich, Österreich, Schweiz, Belgien, Russland, Türkei und Großbritannien.
Das Leitmotto „Integrated Industrie – Next Steps“ (Integrierte Industrie – Nächste Schritte) war Fortsetzung von 2013 und sollte die „Fabrik der Zukunft“ vorstellen. Zwei Schwerpunkte dabei waren die „selbstlernende Fabrik“ und „Transformation der Energiesysteme“. Die Möglichkeiten einer mit dem Internet vernetzten Produktion standen im Mittelpunkt der von Automatisierung geprägten Ausstellungshallen. Nicht minder wichtig ist offensichtlich für die industriellen Monopole, welche neuen Profitquellen unter der Flagge der sogenannten „Energiewende“ erschlossen werden können.
Träume von der 4. industriellen Revolution
Bereits 2013 wurde unter dem reißerischen Titel 4. industrielle Revolution (oder Industrie 4.0) bei der Hannover Messe eine Neuauflage der Illusion einer von Menschen weitgehend freien vollautomatisierten Fabrik präsentiert. Deutsche Technologieführerschaften in Bereichen der Automation sollen genutzt werden, um die Nöte der chronischen internationalen Strukturkrise mit links zu meistern. Wenn menschliche Arbeitskraft dramatisch aus Fabriken entfernt wird, verschärft dies im Kapitalismus zwangsläufig die Ausbeutung der noch Übrigbleibenden, beziehungsweise der Zulieferer-Betriebe. Weiterhin verschärft es die Ausplünderung der gesamten Gesellschaft. Davon ergriffen werden auch die immer größer werdenden Bataillone der technischen Intelligenz, gerade in den deutschen Hightech-Industriekonzernen. Das selbstberauschte Getöse um die Glanztaten der deutschen Industrie für die „Fabrik der Zukunft“ und deren internationale Chancen kann nur mühsam verbergen, dass die Geister, die da gerufen werden, den Untergang beschleunigen. Wer soll die „selbstgesteuert“, angeblich vollautomatisch produzierten Waren denn kaufen?
Noch gibt es keine Maschine, die sich selbst baut. So etwas wird es auch nie geben. Alles, was an Produkten geschaffen wird, lässt sich letztlich auf die beiden Faktoren, menschliche Arbeit in Wechselwirkung mit der Natur, zurückführen.
Hoffnungen auf Kunden werden neben der Industrie selbst insbesondere in die unter enormer Verschuldung leidenden öffentlichen Kassen gesetzt. Die Untermesse „Metropolitan Solutions“ (Lösungen für Metropolen) will technologisch alle kommunalen Probleme der Zukunft lösen. Das Weltbild von der Zukunft sieht so aus: „Die Großstädte der Welt wachsen – stetig, immer schneller und bislang unaufhaltbar. Gleichzeitig wachsen die Versorgungs-, Umwelt- und Verkehrsprobleme in diesen Großstädten, die potenziellen Sicherheitsrisiken durch überlastete Infrastrukturen und fehlende Kontrolle, aber auch die materiellen Ansprüche der Einwohner und die sozialen Spannungen.“ Trotz kapitalistischer Rahmenbedingungen bestünde angeblich „eine reale Chance, die Lebensqualität für Millionen Menschen aufrechtzuerhalten und gleichzeitig die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, letztlich die Existenzfähigkeit, dieser Städte langfristig sicherzustellen.“
Selbständige Orientierung ist wichtig
Wer sich dem Propagandatamtam durch selbständige Orientierung entzieht, kann durchaus interessante Chancen sehen, wie weit die materiellen Voraussetzungen bereits herangereift sind, um einer befreiten Menschheit die Mittel zu geben, den Prozess der mutwilligen Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur aufzuhalten und umzudrehen.
2015 wird „Metropolitan Solutions“ als eigene Messe vom 20. bis 22. Mai in Berlin organisiert. Für umweltbewegte Organisationen oder kommunale Personenbündnisse ist das ein interessantes Ausflugsziel. Die Homepage www.metropolitansolutions.de bietet vertiefende Informationen.
Grundsätzlich infrage stellen muss man das Dogma der immer größeren Städte. Der kommunistische Revolutionär und Theoretiker Friedrich Engels hat bereits Ende des 19. Jahrhunderts darauf hingewiesen, dass immer größere Städte die Menschheit vor unlösbare Probleme stellen: „Nur durch Verschmelzung von Stadt und Land kann die heutige Luft-, Wasser- und Bodenvergiftung beseitigt … werden …“1 Die MLPD hat daraus unter anderem folgendes Prinzip für die künftige sozialistische Gesellschaft entwickelt: „Überwindung der Trennung von Stadt und Land sowie Verschmelzung von beiden durch planmäßige Renaturierung der Städte und Urbanisierung des Landes für bestmögliche Lebens- und Arbeitsbedingungen in einer gesunden Umwelt.“2
Die Medienpräsenz der Hannover Messe wird alljährlich genutzt, Ansprüche der Industriemonopole an Regierung und Öffentlichkeit zu propagieren. „Wir appellieren an die Politik, jetzt die Ärmel hochzukrempeln und nach der EEG-Reform die nächsten Maßnahmen für mehr Energieeffizienz auszuarbeiten“, so Friedhelm Loh, Präsident des Zentralverbands Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI; Teil des BDI) bei einer Pressekonferenz.
Er betonte außerdem: „Deutschland hat beste Voraussetzungen, eine weltweite Führungsrolle bei Industrie 4.0 zu übernehmen. Denn wir sind nicht nur stark in der Entwicklung und Anwendung von Produktions-, Automatisierungs- und eingebetteter Informationstechnik. Wir verfügen auch über erprobte Netzwerke zwischen Unternehmen und zwischen Industrie und Wissenschaft.“
Staat und Monopole Hand in Hand
Offen zur Schau gestellt wird in Hannover die weitgehende Verbindung zwischen staatlichen Instituten, Ministerien und Universitäten mit führenden Monopolen der Industrie. Die Unterordnung und Verschmelzung staatlicher Einrichtungen mit dem Finanzkapital ist Wesenszug des staatsmonopolistischen Kapitalismus und wird trotz Tarnung greifbar:
In mehreren Hallen unterhielten Bundesländer großflächige Werbestände, mit denen die jeweils dort ansässigen Unternehmen gesponsert werden. Universitäten und Fachhochschulen präsentierten sich zuhauf. Die Fraunhofer-Gesellschaft als Kettenglied zwischen Industrie und Universitäten mit ihren 80 Forschungseinrichtungen, davon 67 Institute und über 22.000 Mitarbeitern, war in verschiedenen Hallen unübersehbar.
Die Bundeswehr hatte es vor allem auf den Nachwuchs abgesehen und dominierte den Unterbereich „job und career“ (Beruf und Karriere). Diese Einrichtung ermöglicht hochkarätige Kontakte zwischen Unternehmen und Fach-/Führungskräften aus den MINT-Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – eingebettet in führende Fachmessen: CeBIT, HANNOVER MESSE, CeMAT, IAA Nutzfahrzeuge, LIGNA und INTERSCHUTZ.
Um im Wettbewerb um technologiebegeisterte Jugendliche zu trumpfen, konnte man modernstes Kriegsgerät der Bundeswehr aus der Nähe inspizieren.
Mit umfangreichem soldatischen Standpersonal wurde seitens der imperialistischen Armee versucht, sofort organisierten Kontakt mit Interessierten herzustellen. Gleich daneben die IG Metall, die versuchte, den Ingenieursnachwuchs für gewerkschaftliche Themen zu öffnen, sich aber auch als Sozialpartner für Konzerne mit Tarifbindung anzubieten. Die IGM-Vorträge im Forum zur Frage der Einstiegslöhne in Tarifbetrieben waren auffallend gut besucht.
Alles in allem ein interessanter Besuch. Vor allem wenn er unter dem Blickwinkel erfolgt, was heute eigentlich jenseits der Diktatur der Monopole in einer sozialistischen Gesellschaft bereits alles möglich wäre.
1 „Anti-Dühring“, Marx/Engels, Werke, Bd. 20, S. 276/277)
2 „Katastrophenalarm! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?“, (S. 320)