Ukraine: Ein reiches armes Land

Aus Rote Fahne 23/2014: Die Ukraine ist reich an Bodenschätzen wie Kohle, Eisenerz und anderen Erzen, hat weite fruchtbare Böden, gut ausgebildete Arbeiter und akademische Fachkräfte. Doch eine Handvoll Milliardäre, die sogenannten „Oligarchen“(1), die meisten von ihnen neue Monopolkapitalisten, beuten das Land aus.

Sie haben sich die Filetstücke der ehemals vorwiegend staatlichen Betriebe unter den Nagel gerissen und schaffen große Mengen von Kapital ins Ausland. Gleichzeitig dringen zunehmend ausländische Unternehmen in die Ukraine, insbesondere aus der EU, aber auch aus den USA und dem sozialimperialistischen China Dem steht die verarmende große Masse der Bevölkerung gegenüber.

Die Ukraine machte nach dem Ende des bürokratischen Kapitalismus der Sowjetunion einen weitgehenden Zusammenbruch durch, von dem sie sich bis heute nicht vollständig erholt hat. Setzt man das reale Bruttoinlandsprodukt von 1989=100, so sackte es im Zeitraum 1997 bis 2000 auf unter 20 Prozentpunkte ab und erreichte 2008 mit knapp 80 Prozentpunkten eine mühselig errungene Stabilisierung.

Der Ausbruch der Weltwirtschafts- und Finanzkrise traf die Ukraine mit am heftigsten auf der Welt. Die Industrieproduktion brach im 1. Quartal 2009 um 31,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr ein. Ein wesentlicher Grund dafür ist die von der Stahlindustrie, dem Bergbau, Maschinenbau und der Rüstung geprägte Industriestruktur. Hinzu kommt die extreme Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland – mit teilweise drastischen Preissprüngen. Die Monopole und Staatsunternehmen haben die Krise ausgenutzt, den Durchschnittslohn von 235 Euro monatlich im Jahr 2008 auf 175 Euro 2009 zu senken. Bis 2012 stieg er auf gerade einmal 275 Euro an. Die Durchschnittsrente von 114 Euro monatlich lag im Jahr 2012 nur knapp über dem amtlichen Existenzminimum von 99 Euro im Monat.

Die negative Wirtschaftsentwicklung führte zu einer massiven Abwanderung ins Ausland. Von den Arbeitsmigranten arbeiteten 2008 nach Angaben der ukrainischen Caritas bis zu zwei Millionen in Russland, 500.000 in Italien, 450.000 in Polen, je 200.000 in Spanien und Tschechien, 75.000 in Portugal und 60.000 in Griechenland.

Die Ukraine hat eine der niedrigsten Geburtenraten der Welt bei einer hohen Sterberate. Die Bevölkerung schrumpfte von knapp 52 Millionen Einwohnern im Jahr 1990 auf 45,6 Millionen im Jahr 2012, ein Aderlass von 6,4 Millionen Menschen. Die rückläufige Bevölkerung lässt auch ganze Landstriche veröden.

Die Reichtümer der Ukraine, die Privatisierung von Staatsbetrieben und der große Markt lockten das internationale Kapital an wie die Motten das Licht. Der Bestand an ausländischen Direktinvestitionen in der Ukraine erhöhte sich besonders seit Ausbruch der Weltwirtschafts- und Finanzkrise sprunghaft von 4 Milliarden US-Dollar im Jahr 2000 über 17 Milliarden US-Dollar im Jahr 2005 auf 73 Milliarden US-Dollar im Jahr 2012. (2)

Unter den 400 deutschen Unternehmen in der Ukraine finden sich bekannte Namen wie der Handelskonzern Metro, der Landmaschinenbauer Claas oder der Autozulieferer Leoni. (3)

ArcelorMittal, der führende Stahlkonzern der Welt, hat sich mit Kryvyi Rih im Jahr 2005 das größte integrierte Stahlwerk der Ukraine mit den dazugehörigen Erzgruben für einen Preis von 4,81 Milliarden US-Dollar unter den Nagel gerissen. Um die Ausbeutung zu steigern, wurde die Belegschaft von 57.000 Beschäftigten im Jahr 2005 auf 37.000 Beschäftigte im Jahr 2011 verkleinert.

Die kriegerischen Auseinandersetzungen der beiden großen imperialistischen Blöcke um die Vorherrschaft in der Ukraine haben auch die Wirtschaft wieder in einen massiven Abwärtsstrudel gerissen.

Das Land ist hoch verschuldet, was die EU, die USA und Russland im Kampf um den beherrschenden Einfluss auszunutzen versuchen. 2013 beliefen sich die Staatsschulden mit 140,1 Milliarden US-Dollar auf 78,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. (4)

Die Tendenz ist steigend, da die Wirtschaft 2014 zum zweiten Mal nach 2009 einbricht und der Finanzbedarf des Staates wächst. (5)

(dg)

 

(1) Oligarchen: Die bürgerlichen Medien verwenden gerne den Begriff „Oligarchen“. Sie vermeiden damit die treffenderen Begriffe wie „Monopolkapitalist“ oder ähnliches. Die Identität zu den Verhältnissen in Deutschland soll verschleiert werden. In der Ukraine kaufen sich zum Beispiel Monopolkapitalisten eigene TV-Sender. In Deutschland geht das allein herrschende Finanzkapital subtiler vor: mit Anzeigen, Werbung, über Rundfunkräte und Parteien setzen sie ihren Einfluss diskret, aber nicht weniger gründlich durch.

(2) unctad.org

(3) www.handelsblatt.com 23.1.2014

(4) Internationaler Währungsfonds, Ukraine Country Report 14/106, April 2014

(5) übrige Angaben fast alle aus den Ukraine-Analysen, verschiedene Ausgaben

 

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