Die Kollektivierung in der Sowjetunion – antikommunistische Mythen und die tatsächliche Erfolgsstory

Aus Rote Fahne 24/2014: Kassel (Korrespondenz): Die Kollektivierung der Landwirtschaft in der Sowjetunion war eine der großen positiven Umwälzungen in der Menschheitsgeschichte. Innerhalb von weniger als einer Generation wurde aus dem Entwicklungsland Russland ein für damalige Verhältnisse moderner sozialistischer Industriestaat.

Millionen russischer Bauern schlossen sich während des ersten Fünfjahresplans freiwillig in Artels zusammen, um gemeinsam zu arbeiten. Durch den Einsatz moderner Maschinen und wissenschaftlicher Methoden, konnte die Produktivität der landwirtschaftlichen Arbeit in der Sowjetunion erheblich gesteigert werden. Die Kollektivierung hat die soziale und kulturelle Lage der Bauern grundsätzlich und zum Positiven verändert.

Aus Bauern wurden in der Landwirtschaft Beschäftigte mit verschiedenen Berufen, die einen geregelten Arbeitstag hatten und aktiv am politischen und kulturellen Leben der Gesellschaft teilnehmen konnten. Arbeitskräfte, die in der Landwirtschaft nicht mehr gebraucht wurden, fanden in anderen gesellschaftlichen Sektoren Arbeit. Heute wissen vor allem aufgrund der antikommunistischen Ausrichtung von Medien, Kultur und Schulen nur relativ wenige Menschen Bescheid über die Errungenschaften in der sozialistischen Sowjetunion zur Zeit Stalins. Die Wiederherstellung des Kapitalismus nach Stalins Tod mit allen negativen Folgen für die Bevölkerung und jahrzehntelange antikommunistische Verleumdungen tragen dazu bei, dass ein völlig schräges Bild über den Sozialismus entstanden ist.

 

Aufbau des Sozialismus in einem Land oder Kapitulation

Am 11. Dezember 1925 beschloss der XIV. Parteitag der KPdSU (B) die Industrialisierung des Landes. „Unser Land aus einem Agrarland in ein Industrieland zu verwandeln, das imstande ist, aus eigener Kraft die notwendige Produktionsausrüstung zu erzeugen, darin besteht das Wesen, die Grundlage unserer Generallinie.“1 Nachdem der Prozess der internationalen sozialistischen Revolution zunächst auf Russland beschränkt blieb, war der Aufbau einer eigenen Industrie umso notwendiger. Nur so konnte sich die Sowjetunion unabhängig machen vom kapitalistischen Ausland und die Maschinen herstellen, die zur Mechanisierung der Landwirtschaft gebraucht wurden. In der Partei gab es über den Weg des Aufbaus des Landes einen Jahre dauernden heftigen Streit, der öffentlich und offen geführt wurde. Trotzki und seine Anhänger und eine wechselnde Anhängerschaft von Funktionären bis ins Zentralkomitee hinein waren der Ansicht, dass der Sozialismus in einem Land wie dem rückständigen Russland nicht aufgebaut werden könne. Man müsse sich auf die Produktion von Gebrauchsgütern beschränken. Konzessionen an ausländische Kapitalgesellschaften, die in den ersten Jahren des Sozialismus notwendig waren, wollten sie verewigen und die Sowjetunion damit in Abhängigkeit halten. Das war eine Kapitulationslinie. Stalin und die Mehrheit der Parteimitglieder vertraten dagegen, dass man gestützt auf die eigenen Ressourcen und das Volk – vor allem die Arbeiterklasse – den Sozialismus aufbauen müsse und könne. Der wichtigste Beitrag zur Stärkung des internationalen Klassenkampfs in der damaligen Etappe sei der erfolgreiche wirtschaftliche und gesellschaftliche Aufbau des Sozialismus. Statt den in der Revolution errungenen Sieg aus der Hand zu geben, konnte die Sowjetunion die Überlegenheit des Sozialismus gegenüber dem Kapitalismus praktisch beweisen. So konnten sie der internationalen sozialistischen Revolution – neben einer Fülle praktischer Unterstützung – am besten dienen.

 

Die Landwirtschaft war in Russland vor der Revolution der größte Zweig der Volkswirtschaft

1913 betrug ihr Anteil am Bruttosozialprodukt 57,9 Prozent. Mehr als 70 Prozent, in manchen Gebieten 90 Prozent der Bevölkerung lebten von der Landwirtschaft. 1912 lebten 14 Prozent der Bevölkerung in den Städten, 86 Prozent auf dem Land. 1913 waren 41,7 Prozent des Landes in den Händen von Gutsbesitzern, Apanagenverwaltung und der Klöster. Etwa 20 Millionen Klein- und Mittelbauern gehörten 130 Millionen Hektar Land, was etwa 7 Hektar pro Hof bedeutete. Ein Drittel der Bauern besaß überhaupt kein Land. Zehn bis zwölf Millionen waren Landarbeiter, davon drei Millionen in fester Anstellung. Die technische Ausstattung der Klein- und Mittelbauern war sehr niedrig. Eisenpflüge und kompliziertere Landmaschinen waren im Besitz von Gutsbesitzern und Kulaken. Traktoren waren vor der Oktoberrevolution in Russland unbekannt.

Bei den Pro-Hektar-Erträgen nahm das zaristische Russland einen der letzten Plätze in der Welt ein. Merkmal der russischen Landwirtschaft waren Armut und Elend der Millionen Bauern. Trotz der offiziellen Abschaffung der Leibeigenschaft (1861), war die überwiegende Mehrheit wirtschaftlich völlig abhängig von den Grundbesitzern und wurde gnadenlos ausgeplündert und unterdrückt. Wiederkehrende verheerende Missernten und Hungerjahre waren häufige Erscheinungen. Die reichen Bauern hatten kein Interesse, die Lage der Hungernden zu ändern. Sie profitierten von den steigenden Preisen und der Verschuldung der Bauern. Der I. Weltkrieg hat die Lage der Bauern weiter dramatisch verschlechtert. Sie mussten als Soldaten dienen und konnten ihre Familien nicht mehr ernähren. Auf dieser Grundlage wuchs der Widerstand unter den Bauern gegen den Zarismus. Viele Bauern unterstützten die Revolution.

 

Die kleinbäuerliche Landwirtschaft hemmte die gesellschaftliche Entwicklung

Eine der ersten Handlungen der Sowjets nach der Oktoberrevolution war die Annahme des Bodendekrets, auf dem II. Rätekongress vom 26. Oktober bis 8. November 1917. Die entschädigungslose Enteignung der Gutsbesitzer wurde beschlossen. An Stelle des Privateigentums an Boden trat in Übereinstimmung mit den Interessen der Bauern das staatliche Volkseigentum. Der enteignete Grundbesitz wurde den Bauern zur unentgeltlichen Nutzung übergeben. Insgesamt erhielten die Bauern mehr als 150 Millionen Hektar Land. Sie wurden von den jährlichen Pachtzinszahlungen befreit und ihre Schulden gegenüber der Bauernbank annulliert. Außerdem erhielten sie einen großen Teil des Inventars der Großgrundbesitzer.2 Diese Aufteilung des Bodens hat die später erfolgte Umstellung auf die sozialistische Großwirtschaft erheblich erleichtert. In den Jahren bis 1928 konnte sich die sowjetische Landwirtschaft aber trotz staatlicher Hilfe nicht so entwickeln wie der Bedarf an landwirtschaftlichen Produkten es erforderte. Trotz besserer technischer Ausrüstung produzierten die 25 Millionen kleinbäuerlichen Wirtschaften (vor der Revolution gab es 16 Millionen kleinbäuerliche Betriebe) nur 11 Prozent des Marktgetreides, wirtschafteten also vor allem für die Eigenversorgung. Auf dieser Grundlage konnte die wachsende städtische Bevölkerung und auch die wachsende Zahl von Arbeitskräften für den Aufbau einer eigenständigen Industrie und die Armee nicht ausreichend versorgt werden. Von der Kollektivierung hing also der weitere Aufbau des Sozialismus ab. Die Kollektivierung kam nicht plötzlich und nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel und vor allem war sie keine Methode der kommunistischen Partei, um die Bauernschaft zu versklaven, wie der Chor der Antikommunisten behauptet. Es wurde öffentlich im Lande darüber diskutiert. Viele russische Bauern unterstützten die sozialistische Ordnung, hatten sie in den Kriegen gegen die ausländischen Interventen verteidigt und die große Mehrheit unterstützte auch die Pläne zur Kollektivierung.

Auf der anderen Seite gab es heftigen Widerstand aus der Kulakenschaft und auch nicht unerhebliche Fehler aus den Reihen der Kommunistischen Partei. Davon handelt der zweite Teil des Artikels.

 

Die Fortsetzung folgt in „Rote Fahne“ 28/2014.

 

Quellen:

1 Enzyklopädie der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, Verlag Kultur und Fortschritt Berlin 1950, S. 714

2 ebenda, S. 884

 

Die Artels

Die Artels waren die Zwischenstufe von Genossenschaften und landwirtschaftlichen Kommunen. Die Masse der Bauern war in Artels organisiert.

Die wichtigsten Produktionsmittel waren vergesellschaftet: Arbeit, Bodennutzung, Maschinen und sonstiges Inventar, Arbeitsvieh, Wirtschaftsgebäude. Kultureinrichtungen, Kindergärten etc.

Nicht vergesellschaftet waren: das Hofland (kleinere Gemüse- und Obstgärten), Wohnhäuser, ein gewisser Teil des Milchviehs, Kleinvieh, Geflügel etc.

In den Sowchosen gab es kein privates Eigentum mehr. Sie waren sozialistische Musterbetriebe.

 

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