„Es ist für Sinn Féin sehr wichtig, Freunde in aller Welt zu haben“

„Es ist für Sinn Féin sehr wichtig, Freunde in aller Welt zu haben“

Von links: Sarah-Jane, Caitlín, Eóin, André (der das Gespräch übersetzte), Tom und Clíodhna; rf-foto

Beim Rebellischen Musikfestival an Pfingsten war auch eine Gruppe Jugendlicher der Sinn Féin Republican Youth, der Jugendorganisation von Sinn Féin zu Gast. Sinn Féin hat bei der Europawahl 17 Prozent der Stimmen in Südirland gewonnen – mehr als je zuvor. Die „Rote Fahne“ nutzte die Gelegenheit mit Eóin (20), Tom (24), Sarah-Jane (21), Caitlín (22) und Clíodhna (20) zu sprechen – über ihre Eindrücke vom Festival und über ihre politische Arbeit in Belfast (Nordirland). Alle fünf leben, studieren und arbeiten in und um Belfast.

Wie seid ihr auf dieses Festival gestoßen und warum seid ihr hier?

Eóin: Bereits im August 2013 waren einige Aktivisten der Irland Solidarität aus Deutschland bei uns in Belfast. Darunter auch Genossen der MLPD. Sie haben uns eingeladen, in naher Zukunft nach Deutschland zu kommen – in den letzten Monaten hat sich dann die Möglichkeit ergeben, das Festival zu besuchen. Das war eine gute Entscheidung.

Was sind eure Eindrücke vom bisherigen Festivalverlauf?

Clíodhna: Es ist wirklich unglaublich und wundervoll. Die Menschen hier sind sehr gastfreundlich. Es ist beeindruckend, wie gut das Festival hier organisiert ist. Und das fantastische Wetter kommt noch dazu.

Eóin: Es ist für uns als radikale Jugendbewegung wichtig, mit anderen linken Jugendlichen und auch älteren in Kontakt zu kommen und uns auszutauschen. Unsere Politik vorzustellen und auch mehr über andere zu erfahren.

Sarah-Jane: Ich bin sehr beeindruckt über die Kultur hier und wie die Jugend ihre Kultur lebt.

Was sind die Ziele von Sinn Féin?

Tom: Sinn Féin ist eine gesamtirische Partei, wir sind sowohl in Nordirland als auch in Südirland aktiv. Das Hauptziel ist die Wiedervereinigung unseres Landes. Wir wollen eine alle 32 irischen Grafschaften umfassende sozialistische Republik.

Eóin: Es gibt innerhalb und außerhalb von Sinn Féin eine große Diskussion, wie diese Republik sein soll: Ob es eine sozialistische Republik werden soll, eine kommunistische oder eine bürgerlich-demokratische bzw. föderale Republik.

Sinn-Féin-Aktivisten sind heute in politischen Institutionen auf allen Ebenen vertreten. Wir verfügen über gewählte Repräsentanten auf lokaler Ebene, in der nordirischen Regionalregierung, in der Regierung des irischen Freistaats und im Europaparlament. Sogar im britischen Parlament in Westminster. An den Sitzungen dieses Parlaments nehmen unsere Abgeordneten allerdings niemals teil. Wir betrachten die Regierung in Westminster (London) nicht als unsere Regierung. Diese Wahl soll vor allem zeigen, dass Sinn Féin breiten Rückhalt hat. Auch das nordirische Parlament, die Assembly, sehen wir nur als eine vorübergehende regionale Verwaltung innerhalb der 32 Grafschaften Irlands. Unser Ziel ist eine Wiedervereinigung beider Landesteile. Derzeit erleben wir in Südirland ein großes Wachstum unserer Partei.

Diese parlamentarische Präsenz hat sich über die letzten 35 Jahre entwickelt. Seit Bobby Sands am 9. April 1981 ins britische Parlament gewählt wurde. Er war ein inhaftierter IRA-Aktivist und wurde während einer Hungerstreik-Aktion zum Abgeordneten gewählt. Er starb nach 66 Tagen Hungerstreik am 5. Mai 1981 im Alter von 27 Jahren. Seine Kandidatur war die erste Sinn-Feín-Kandidatur in der heutigen Zeit und wird als Wendepunkt in der Entwicklung von Sinn Féin gesehen. An seiner Beerdigung nahmen 100.000 Menschen teil. Dieser ungeheure Zuspruch hat sogar uns selbst überrascht. Damals prägte Danny Morrison (Schriftsteller und Sinn-Féin-Funktionär, Anm. der Redaktion) die Losung: „Ob mit dem Gewehr oder mit dem Stimmzettel – unser Tag wird kommen.“

Heute steht Sinn Féin zu 100 Prozent hinter dem Friedensprozess.

2007 hat unser Parteitag mit 95 Prozent Zustimmung beschlossen, die nordirische Polizei anzuerkennen. Diese Entscheidung wurde vor einigen Wochen einer schweren Prüfung unterzogen, als unser Parteivorsitzender Gerry Adams verhaftet wurde. Er wurde vier Tage festgehalten und bis zu 17 Stunden am Tag verhört. (1) Die Vorwürfe waren haltlos.

Sinn Féin steht zu 100 Prozent zum nordirischen Friedensprozess, zu 100 Prozent gegen die Diktat-Politik der EU-Kommission und ihre Umsetzung durch die irische Regierung und zu 100 Prozent gegen die Ausplünderung der Armen zugunsten der Reichen.

Welchen Zuspruch erfahrt ihr unter der Jugend?

Eóin: Sinn Féin hat ein umfassendes Dokument zur Jugendpolitik ausgearbeitet und durch unsere Senatorin Kathryn Reilly – sie ist mit 23 Jahren Irlands jüngste Senatorin – ins Parlament eingebracht. Sinn Féin hat einen hohen Zuspruch unter Jugendlichen.

Clíodhna: Bei den letzten Kommunalwahlen in Nord- und Südirland hat ein großer Teil der Wähler unter 25 Jahren Sinn Féin gewählt. Auf den Listen von Sinn Féin haben viele junge Leute kandidiert, jeweils einer von sechs Kandidaten war unter 25 Jahre alt.

Wer unter 25 Jahre alt ist und Mitglied von Sinn Féin werden möchte, wird zunächst von der Republican Youth aufgenommen. Dort beginnt ein Prozess der Einweisung, Ausbildung und der Probe. Es ist ein Prozess, der es jungen Leuten einfacher macht, die Arbeit und Politik der Partei kennenzulernen. Gruppen von Sinn Féin Republican Youth sind in allen großen Städten und Teilen Irlands aktiv.

Was nehmt ihr mit von hier?

Caitlín: Die Kultur und die Erziehung, die hier praktiziert werden, haben mich sehr beeindruckt. Es ist aufregend, wie viele verschiedene Sprachen die Menschen hier auf dem Kontinent sprechen, und trotzdem ist es einfach, sich zu verstehen. Es ist toll zu sehen, wie hier alles gemacht wird: die Musik, das Essen und sogar der Umgang mit der Umwelt. Wir werden definitiv ganz viel mit nach Hause nehmen und wollen noch mehr von Deutschland sehen.

Clíodhna: Wir sind sehr dankbar, eingeladen worden zu sein. Es waren unglaublich vielseitige Erfahrungen. Andere Kulturen kennenzulernen. Die Möglichkeit, unsere Politik hier vorstellen zu können, war auch sehr wichtig für uns. Wir stießen auf großes Interesse und ich freue mich auch, viele Eindrücke von hier mitnehmen zu können. Das wird uns auch dabei helfen, aus unserem Land einen besseren Ort zu machen.

Eóin: Es war für uns eine einzigartige Möglichkeit, hier teilzunehmen. Auch, dass wir hierherkommen konnten und so herzlich aufgenommen wurden, unabhängig von unterschiedlichen gesellschaftlichen Sichtweisen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle noch mal unsere wärmsten Worte und die stärkste Hand der Solidarität an alle linken und revolutionären Kräfte hier richten. Es ist gut, dass wir heute, in Friedenszeiten, unbehelligt hierher reisen können. Das war aber nicht immer so. In Zeiten, wo viele unserer Aktivisten im Untergrund leben mussten, war es wichtig, Rückzugsgebiete zu haben – in Deutschland und vielen anderen Ländern. Es ist deshalb für Sinn Féin sehr wichtig, Freunde in aller Welt zu haben.

Tom: Das nächste Mal bringen wir auch eine oder mehrere Bands mit. Fast hätte es diesmal schon geklappt. Aber das nächste Mal auf jeden Fall.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

(1) Es ging um die Tötung einer Frau im Jahr 1972, die im Verdacht stand, ein Spitzel der Briten zu sein.

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