„Freiwillig“ in die Arbeitslosigkeit? Opelaner, nehmt euch die Freiheit zu kämpfen!
Aber auch mit massivem Erpressungsversuchen, die Verschlechterung ihrer Arbeits- und Lohnbedingungen „freiwillig“ zu schlucken. Nach dem Ende der Weltwirtschafts- und Finanzkrise findet ein Hauen und Stechen auf dem Rücken der Belegschaften statt. Jeder Konzern will als Gewinner aus der Krise hervorgehen. In dieser Situation richten sich viele Augen auf die Arbeiter bei Opel in Bochum. Welchen Weg schlägt die bundesweit, ja international als kampfstark bekannte Belegschaft ein?
Ihr siebentägiger selbständiger Streik mit Werksbesetzung und Torblockaden vom 14. bis 20. Oktober 2004 schlug hohe Wellen. Tausende Solidaritätsadressen aus Betrieben in Deutschland und anderen Ländern gingen damals ein. Die Werkschließung wurde verhindert. Die Tore des Werks waren von Reportern und Fernsehkameras umlagert.
Die ganze Situation, in der der Streik 2004 stattfand, war eine andere als heute. Ihm vorhergegangen waren Streiks in anderen Konzernen, bei Bosch, Daimler und Siemens mit konzernweiten Aktions- und Kampftagen. Mit hunderttausenden Teilnehmern befand sich die noch junge Montagsdemo-Bewegung gegen die Hartz-Gesetze auf einem Höhepunkt. Die Entwicklung bei Opel war ein Politikum erster Klasse. Monatelang jagte eine Krisensitzung der Bundes- und Landesregierung die andere.
Die Hürden für einen erneuten Kampf sind hoch
Zehn Jahre später sehen die Bedingungen anders aus. Jetzt müssen die Opelaner den Anfang machen. Und das in einer Situation, in der die bürgerlichen Parteien und Medien unisono den Abgesang auf das Bochumer Opel-Werk anstimmen. Das Magazin „Stern“ meldete am 11. September: „Werkschließung in Bochum. Der Kampf um Opel ist vorbei.“
Angeblich richteten bei Opel bereits andere Betriebe Büros für Bewerber ein – als ob diese händeringend darauf warten, hunderte Opel-Kolleginnen und -Kollegen aufzunehmen. Ein regelrecht gleichgeschaltetes Pressemärchen. Viele Opelaner, die sich auf andere Stellen gemeldet haben, sind ernüchtert. Sie haben fast nur Absagen erhalten. Niedriglöhne und schlechte Arbeitsbedingungen winken.
Hatten 2004 damals linksreformistische Betriebsräte wie der Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel sich zumindest noch nicht gegen den Kampf gestellt, so haben diese inzwischen unübersehbar die Seite gewechselt. Vielfach sind sie sich nicht einmal zu schade, kämpferische Kräfte antikommunistisch zu diffamieren. Perfekt beherrschen sie immer noch kämpferisch klingende Worthülsen, wie dass „die Ruhr brennen“ wird. Allerdings nicht, ohne vor denen zu warnen, die dies auch noch „völlig überstürzt“ organisieren wollen, und stattdessen auf den noch abzuwartenden „richtigen Zeitpunkt“ zu vertrösten. Dazu die obligatorische Erklärung, man sei ja „selbst auch mal so gewesen“, inzwischen aber „realistisch“ geworden.
Ganz „realistisch“ war der ehemalige IG-Metall-Vorsitzende Berthold Huber zusammen mit der GM/Opel-Geschäftsleitung direkt an der Ausarbeitung des Erpresservertrags mit dem Plan der Werksschließung beteiligt. Dieser Vertrag wurde im März 2013 von der Belegschaft in einer Abstimmung mit der großen Mehrheit von 76 Prozent abgelehnt. Der 2. Bochumer IGM-Bevollmächtigte Volker Strehl ging sogar so weit, Lügen über kämpferische Vertrauensleute von Opel in der Öffentlichkeit zu verbreiten, und lieferte GM damit Vorwände für Repressalien gegen sie.
Opel-Arbeiter: Weltmeister im Hürdenlauf
Die Hürden sind hoch – aber die Arbeiter bei Opel in Bochum sind Weltmeister im Hürdenlauf geworden! Zug um Zug haben sie die Attacken von GM gekontert. Ohne dieses Rückgrat wäre das Werk längst zu. Sie haben sich weder von einer Kampagne des Massenmobbings unterkriegen noch von antikommunistischen Spaltungsversuchen demoralisieren lassen. Zuweilen schmerzlich ist die Verarbeitung, dass die selbst gewählten Vertreter sich auf die andere Seite schlugen. „Neue“ Freunde und Verbündete wurden gesucht und gefunden.
Neue Herausforderungen im Kampf um die Denkweise
Krampfhaft bemüht sich Opel/GM, ohne die Ankündigung von direkten Massenentlassungen auszukommen. Jeder soll sich in einer „freien Wahl“ für das „Angebot“ von GM/Opel entscheiden, eine Abfindung mit Übergang in die Transfergesellschaft anzunehmen. Um die Belegschaft zur „freiwilligen“ Kündigung zu bringen, wird gemobbt, gelogen und Druck ausgeübt. So wurden allen Ernstes gleichzeitig mit der Ausgabe der üblen Verträge zur Unterzeichnung an die Kollegen die Bänder noch mal schneller gestellt. „Unterschreibt bis zum 30. September, sonst gibt es gar nichts“, das verbreiten die Vorgesetzten, um die Leute einschüchtern.
Ein erfolgreicher Kampf soll als aussichtslos und gelaufen erscheinen. Jeder soll sich individuell das Hirn zermartern, was noch das Geringste unter allen Übeln ist.
Für jeden erfolgreichen Kampf sind aber Opfer- und Risikobereitschaft Grundvoraussetzungen. Wo wäre die Arbeiterbewegung, wenn jeder Einzelne nur darauf aus wäre, individuell das Bestmögliche für sich herauszuholen? Die wichtigsten Erfolge der Arbeiterbewegung, der Kampf um die Arbeitszeitverkürzung oder um das Streikrecht, die Beendigung des I. Weltkriegs mit der Novemberrevolution, der Sieg gegen den Hitlerfaschismus oder auch für das Verbot zahlreicher giftiger Stoffe am Arbeitsplatz – sie alle waren auch mit einem Risiko für den Einzelnen verbunden. „Die Stärke der Arbeiter ist ihre Zahl“, brachte es schon Karl Marx treffend auf den Punkt. Dies erfordert jedoch, als Klasse zu handeln.
Neue kämpferische Kräfte und Verbündete
Viele Opelaner sind wütend über den Verrat der Betriebsratsspitze um Rainer Einenkel. Viele fühlen sich aber (noch) zu schwach, ohne die früheren „Vorkämpfer“ gegen GM/Opel anzukommen. Dabei kann die Belegschaft auf bewährte und auch auf neue Kräfte setzen, die dies mehr als wett machen. Neue Arbeiter fühlen sich herausgefordert und übernehmen Verantwortung für den Kampf. Mit der Betriebsratsliste „Offensiv“, die für den Kampf gegen die Werkschließung eintritt, gibt es bewährte Kräfte, die in der Belegschaft fest verankert und geschätzt sind, weil sie gegen alle Repressionen, Hetze und komplizierte Anforderungen einen geraden Weg gehen.
Und es gibt starke Verbündete: Die Arbeiter sämtlicher Betriebe in Nordrhein-Westfalen, die kämpferische Frauenbewegung, die große Sympathie im ganzen Revier, die Existenz einer Streikkasse durch den Solidaritätskreis, die vielen Belegschaften im In- und Ausland und die Aktivisten weltweit in der Vorbereitung der 1. Internationalen Automobilarbeiterkonferenz, die ihre Unterstützung und den gemeinsamen Kampf zugesichert haben. Die Erfahrung zeigt: man kann sich hundertprozentig auf sie verlassen!
Die Opelaner können sich auch sicher sein: Die MLPD wird ihnen mit ihrem Know-how, ihrer systematischen Arbeit in vielen Großbetrieben in ganz Deutschland und ihren über 400 internationalen Verbindungen zu anderen revolutionären Parteien und Organisationen voll zur Seite stehen und den Übergang in die Arbeiteroffensive auf breiter Front fördern.
Einige Opelaner sind resigniert, haben einen „Brass“ und wollen die Augen vor der notwendigen Entscheidung verschließen. Die Krankheitsquote steigt, manche sagen: „Hauptsache raus“. Doch spätestens wenn der erste Druck weg ist, kommt das böse Erwachen oder sogar der Fall ins schwarze Loch der Depression.
Befreiend ist es dagegen, den Kopf zu erheben und sich zum Kampf zu entschließen! Der Stolz erwacht durch den aktiven Beitrag, die Welt zu verändern, statt sie nur zu beklagen.
GM – Koloss auf tönernen Füßen
Mit der Beschwörung von „Freiwilligenprogrammen“ wollen GM/Opel und andere Konzerne einer Konfrontation ausweichen und Streiks verhindern. Sie wollen harte Arbeiterkämpfe auf jeden Fall vermeiden, weil dies Schule machen und auch die Regierung in Berlin erschüttern könnte.
Eine Belebung der gewerkschaftlichen Kämpfe deutet sich jedoch mit den Streiks der Eisenbahner und der Piloten an. Im Bergbau beginnt der Plan von RAG sowie Bundes- und Landesregierung NRW, den Bergbau stillschweigend zu beerdigen, zu scheitern (siehe S. 23). Daimler hat eine Neustrukturierung seines weltweiten Produktionsverbundes mit Renault/Nissan angekündigt, in der als erste Schritte in Düsseldorf 1.800 und in Hamburg 500 Arbeitsplätze vernichtet werden sollen. Rufe nach Kampfmaßnahmen und Streiks nehmen auch dort zu. Und zeigen nicht die jüngsten Wahlergebnisse in Thüringen und Brandenburg einen allgemeinen Vertrauensverlust in die bürgerlichen Parteien und eine wachsende Unzufriedenheit?
Mut und Risikobereitschaft gefordert
Sicherlich braucht die Entscheidung für einen Streik viel Mut und Risikobereitschaft, eine Opferbereitschaft, Entschlossenheit und Zuversicht, den Stolz, sich nicht unterkriegen zu lassen, das Rückgrat, Mobbing zu trotzen und nicht zuletzt auch das Vertrauen in die breite Unterstützung aus der (internationalen) Arbeiterschaft und der Bevölkerung. Die wichtigste Hürde, die genommen werden muss, ist die Überwindung noch bestehender Vorbehalte gegenüber den Marxisten-Leninisten, die angeblich nur „ihr Süppchen“ kochen wollen. Solche Vorbehalte werden vor allem von solchen Leuten gestreut, die selbst ihr „Schäfchen ins Trockene bringen“ und deshalb am meisten Angst vor einem Streik oder gar der sozialistischen Perspektive haben. Die MLPD hat dagegen seit Jahrzehnten den Kampf der Opelaner konsequent, uneigennützig und konstruktiv voran gebracht.
Vorschlag der MLPD zum „Freiwilligkeitsprogramm“
Die MLPD schlägt den Arbeitern bei Opel in Bochum als „Freiwilligenprogramm“ vor: Nehmt euch die Freiheit, die Farce des Opel-„Angebots“ abzulehnen! Nehmt euch die Freiheit, über die eigene Arbeitskraft zu verfügen! Nehmt euch das Recht auf Streik und die Freiheit, für die Zukunft der Jugend zu kämpfen! Nehmt euch die Freiheit, über das kapitalistische System hinauszudenken!
Reinhard Funk