Stalin bot bereits 1952 die Wiedervereinigung Deutschlands an

Aus Rote Fahne 46/2014 - Kassel (Korrespondenz): Bei den offiziellen Feiern zur Wiedervereinigung Deutschlands wurde erneut der Mythos verbreitet, dass Helmut Kohl (CDU) maßgeblich die Einheit gebracht hätte. Völlig verschwiegen wurde zudem, dass die Wiedervereinigung Deutschlands schon Anfang der 1950er Jahre möglich gewesen wäre.

Der damalige CDU-Bundeskanzler Konrad Adenauer hat das zusammen mit den Westmächten aber verhindert. Das als „Stalin-Note“ bekannte Dokument der sowjetischen Regierung wurde am 10. März 1952 veröffentlicht. Es lohnt sich, Auszüge dieser Note zu lesen. Im Text wird deutlich, dass es der damaligen Sowjetregierung darum ging, ein friedliches, demokratisches Deutschland zu schaffen. Im Westen dagegen begann man mit der Wiederherstellung der wirtschaftlichen Macht von Krupp, Thyssen etc. und stützte sich beim Aufbau Westdeutschlands auf Nazirichter, SS- und Kriegsverbrecher und auf Politiker aus Hitlers Regierung und Diplomatie.

In der Stalin-Note heißt es:

Die Sowjetunion hält es für notwendig, die Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika darauf aufmerksam zu machen, dass, obwohl seit Beendigung des Krieges in Europa bereits etwa sieben Jahre vergangen sind, immer noch kein Friedensvertrag mit Deutschland abgeschlossen wurde. Um diesen unnormalen Zustand zu beseitigen, wendet sich die Sowjetregierung, die das Schreiben der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik mit der an die vier Mächte gerichteten Bitte um Beschleunigung des Abschlusses eines Friedensvertrages mit Deutschland unterstützt, ihrerseits an die Regierung der Vereinigten Staaten und an die Regierungen Groß­britanniens und Frankreich mit dem Vorschlag, unverzüglich die Frage eines Friedensvertrages mit Deutschland zu erwägen, damit in nächster Zeit ein vereinbarter Friedensvertragsentwurf vorbereitet und einer entsprechenden internationalen Konferenz unter Beteiligung aller interessierten Staaten zur Prüfung vorgelegt wird. (…)

Politische Leitsätze

1. Deutschland wird als einheit­licher Staat wiederhergestellt. Damit wird der Spaltung Deutsch­lands ein Ende gemacht, und das geeinte Deutschland gewinnt die Möglichkeit, sich als unabhängiger, demokratischer, friedliebender Staat zu entwickeln.

2. Sämtliche Streitkräfte der Besatzungsmächte müssen spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten des Friedensvertrages aus Deutschland abgezogen werden. Gleichzeitig werden sämtliche ausländischen Militärstützpunkte auf dem Territorium Deutschlands liquidiert.

3. Dem deutschen Volke müssen die demokratischen Rechte gewährleistet sein, damit alle unter deutscher Rechtsprechung stehenden Personen ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion die Menschenrechte und die Grundfreiheiten genießen, einschließlich der Redefreiheit, der Pressefreiheit, des Rechts der freien Religionsausübung, der Freiheit der politischen Überzeugung und der Versammlungsfreiheit.

4. In Deutschland muss den demokratischen Parteien und Orga­nisationen freie Betätigung gewährleistet sein; sie müssen das Recht haben, über ihre inneren Angelegenheiten frei zu entschei­den, Tagungen und Versammlungen abzuhalten, Presse- und Publikationsfreiheit zu genießen.

5. Auf dem Territorium Deutschlands dürfen Organisationen, die der Demokratie und der Sache der Erhaltung des Friedens feindlich sind, nicht bestehen.

6. Allen ehemaligen Angehörigen der deutschen Armee, einschließlich der Offiziere und Generale, allen ehemaligen Nazis, mit Ausnahme derer, die nach Gerichtsurteil eine Strafe für von ihnen begangene Verbrechen verbüßen, müssen die gleichen bürgerlichen und politischen Rechte wie alle anderen deutschen Bürger gewährt werden zur Teilnahme am Aufbau eines friedliebenden, demokratischen Deutschland.

7. Deutschland verpflichtet sich, keinerlei Koalitionen oder Militärbündnisse einzugehen, die sich gegen irgendeinen Staat richten, der mit seinen Streitkräften am Krieg gegen Deutschland teilgenommen hat.

(…) Das Territorium Deutschlands ist durch die Grenzen bestimmt, die durch die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz der Großmächte festgelegt wurden.

Wirtschaftliche Leitsätze

Deutschland werden für die Entwicklung seiner Friedenswirtschaft, die der Hebung des Wohlstandes des deutschen Volkes dienen soll, keinerlei Beschränkungen auferlegt. Deutschland werden auch keinerlei Beschränkungen in Bezug auf den Handel mit anderen Ländern, die Seeschifffahrt und den Zutritt zu den Weltmärkten auferlegt.

Militärische Leitsätze

1. Es wird Deutschland gestattet sein, eigene nationale Streitkräfte (Land-, Luft- und Seestreitkräfte) zu besitzen, die für die Verteidigung des Landes notwen­dig sind.

2. Deutschland wird die Erzeugung von Kriegsmaterial und -ausrüstung gestattet werden, deren Menge oder Typen nicht über die Grenzen dessen hinausgehen dürfen, was für die Streitkräfte erforderlich ist, die für Deutschland durch den Friedensvertrag festgesetzt sind. (…)“ (1)

Die Reaktion Adenauers auf diese Note war deren sofortige Ablehnung. Das berichtet der deutsche Diplomat Wilhelm Grewe in einem Interview, das man auf youtube ansehen kann.(2) Adenauers Ziel im Inte­resse der deutschen Monopole war, die Remilitarisierung Westdeutschlands, die Mitgliedschaft in der „Europäischen Verteidigungsgemeinschaft“ (EVG, später NATO) und eine Stärkung der Macht der Konzerne. Er wolle lieber „das halbe Deutschland ganz, als das ganze Deutschland halb“, so Adenauer. Offensichtlich war es sich auch unsicher darüber, welches Ergebnis demokratische Wahlen in Gesamtdeutschland bringen würden. Der Friedenswille war in der deutschen Bevölkerung noch ausgeprägt. In der Debatte im Bundestag über den EVG-Vertrag im Dezember 1952 ging er mit seiner bekannten antikommunistischen Demagogie vor. Er sagte: „Es ist die Schicksalsfrage Deutschlands. Wir stehen vor der Wahl zwischen Sklaverei und Freiheit. Wir wählen die Freiheit.“(3)

Die Sowjetunion machte einen Vorschlag zur Wiedervereinigung und Adenauer sprach von Sklaverei. Es ging Ade­nauer nie um die Beseitigung der Spaltung und die Vereinigung des deutschen Volkes auf demokratischer Basis, sondern um den Schutz der Interessen der westdeutschen Kapitalisten und Revanche für die Niederlage im II. Weltkrieg.

Die Vorschläge der Sowjetregierung liefen darauf hinaus, ein unabhängiges demokratisches Deutschland zu schaffen. Die deutschen Monopole wollten dagegen lieber die Spaltung Deutschlands verewigen, um ihre Macht zu sichern. Der Westen, allen voran der US-Imperialismus, wollte sich die Bundesrepublik als militärische Aufmarschbasis gegen die Sowjetunion und als Basis zur Infiltration der Volksdemokratien in Osteuropa erhalten.

Es ist eine der großen Geschichtslügen, dass der Abschluss eines Friedensvertrages und die Wiedervereinigung von der damals sozialistischen Sowjetunion unter Führung Stalins verhindert worden sei. Das Beispiel des neutralen Österreichs zeigt, dass es der Sowjetunion vor allem darum ging, in Europa demokratische und friedliche Verhältnisse zu schaffen, und Militärbündnisse, die sich gegen die Sowjetunion richteten zu verhindern. Die Sowjetunion hatte nach dem verheerenden Krieg, unter dem sie besonders zu leiden hatte, gar kein Interesse an einer militärischen Konfrontation oder einem neuen Krieg.

Durch die Wiedervereinigung 1990 konnten die westdeutschen Konzerne ihre Macht auf das Staatsgebiet der ehemaligen DDR ausdehnen. An der „Abwicklung“ der DDR-Wirtschaft haben sich die westdeutschen Monopole und ihre Helfershelfer eine goldene Nase verdient. Mit dem wirtschaftlichen System wurde den Menschen auch das politische System der BRD übergestülpt. Die demokratische Volksbewegung der DDR konnte ohne starke revolutionäre Arbeiterbewegung zwar den Sturz des Honecker-Regimes erreichen, aber keine revolutionäre Veränderung. Viele zogen sich enttäuscht zurück oder wurden in den bürgerlichen Staatsapparat integriert. Bundeskanzler Helmut Kohl, der damals zufällig an der Staatsspitze stand, hat mit seinen Sprüchen von „blühenden Landschaften“ Illusionen und Hoffnungen bei vielen Menschen in Ost und West geweckt. Die Lebensrealität der überwiegenden Mehrheit nach 25 Jahren Wiedervereinigung hat ihn als Lügner entlarvt. Das wiedervereinigte Deutschland blieb Teil des aggressiven NATO-Bündnisses und beteiligt sich nun „vereint“ an Kriegseinsätzen im Ausland. Die deutsche Rüstungsindustrie ist der drittgrößte Waffenexporteur der Welt. Die deutschen Monopole bekamen endlich das ganze Deutschland ganz und dehnten ihre allseitige Diktatur über beide Teile Deutschlands aus. Wie lange diese Diktatur bestehen wird und wann sich die Arbeiterklasse und die breiten Massen das ganze Deutschland erobern, hängt maßgeblich mit davon ab, welche Lehren sie aus der Geschichte ziehen.

(1) Dr. Hans Loch: Entscheidende Tage, Verlag Kultur und Fortschritt, Berlin 1953, S. 87–90

(2) http://www.youtube.com/watch?v=C9ATmwPHZjs

(3) http://www.youtube.com/watch?v=e_SJZI-a4DY

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