„Weltfrauen“ im Gespräch zum Kampf gegen Gewalt an Frauen

Interviews von Monika Gärtner-Engel mit Teilnehmerinnen der Mittlerer-Osten-Konferenz in der Vorbereitung der 2. Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen

Am 27. und 28. September 2014 fand in Amed/Diyarbakir (Nordkurdistan/Türkei) die 2. Frauenkonferenz des Mittleren Ostens statt. Ihr wichtigstes Ergebnis war die einstimmige Entscheidung der Delegierten aus zehn Ländern, künftig gemeinsam als Teil der Weltfrauen zu arbeiten und Verantwortung für den Prozess der Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen zu übernehmen. Sie wählte die Koordinatorinnen der Region für den Weltfrauenprozess. Monika Gärtner-Engel war als Initiatorin der Weltfrauenkonferenz zur Beteiligung an der Konferenzleitung eingeladen. Sie führte am Rande Interviews mit verschiedenen Teilnehmerinnen zur Lage der Frauen in den Ländern. Die „ Rote-Fahne“-Redaktion bedankt sich für die Möglichkeit des Abdrucks von Auszügen aus den Interviews.


Ilham Ahmed (Rojava):
„Es ist sehr wichtig,dass die Frauen lernen, sich selbst und ihre Lebensgemeinschaft zu verteidigen“

Man muss wissen, dass es bei uns ursprünglich eine sehr traditionelle Struktur und Denkweise gab. Die Frauen waren es nicht gewöhnt, sich an irgendwelche öffentlichen Autoritäten zu wenden oder gar an den Staat. Man ging nicht aus der Familie heraus. Seitdem es die Frauenhäuser gibt und sie die entsprechende Überzeugungsarbeit unter den Frauen machen, hat sich das geändert. Die Frauen gehen heraus, sie sprechen über ihre Probleme und fassen mehr und mehr Mut und Selbstbewusstsein. Da die Frauen keinerlei ökonomische Selbständigkeit haben, haben wir bewusst auch Projekte eingerichtet, in denen die Frauen sich ihren Lebensunterhalt verdienen können, damit sie wirklich selbständig sind.

Es ist sehr wichtig, dass die Frauen lernen, sich selbst und ihre Lebensgemeinschaft zu verteidigen. Deshalb gibt es auch eine Selbstverteidigungsausbildung, das ist eine militärische Ausbildung in YPJ. Ein anderer wichtiger Mechanismus, um die Frauen zu beteiligen, ist, dass wir überall Co-Präsidenten haben. In jeder Führungsposition gibt es einen Mann und eine Frau und in allen Gremien muss es mindestens 40 Prozent Frauen geben. In der Verfassung wurde das alles auch festgeschrieben.

Eine typische traditionelle Angelegenheit war die sogenannte ,Exchange-Marriage‘. Das heißt, dass zwei Familien – ohne die Beteiligten zu fragen – die Töchter und Söhne austauschen und sozusagen einen Vertrag darüber schließen. Das wurde jetzt ebenso wie die Kinderheirat verboten. Unter 18 Jahren darf nicht geheiratet werden. Früher gab es nur religiöse Verheiratungen, keine offiziellen. Nach dem islamischen Recht konnten die Männer dann bis zu vier Frauen haben. Das ist jetzt verboten.

Rojava ist ein Modell demokratischer Autonomie, demokratischer Selbstverwaltung. …

Ich bin sehr glücklich, dass ich mit meiner Organisation zusammen Teil des Weltfrauenprozesses bin. … Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, dass Frauen weltweit Hand in Hand gemeinsam gegen das patriarchalische System kämpfen. Erst wenn Frauen gemeinsam gegen dieses System ankämpfen, dann wird es möglich sein, es zu überwinden und ein eigenes demokratisches System aufzubauen.

 

Parvin Ardalan (Iran):
Eine Million Unterschriften“

Die Idee bei der Kampagne „Eine Million Unterschriften“ war, dass wir selber wirklich zu den Massen hingehen. Nicht nur zu den Frauen, sondern auch zu Männern. Wir haben richtig Unterschriften gesammelt bei den Leuten: in den Fabriken, Restaurants, Bars, in den Bergen und sogar im Gefängnis – überall, wo sie waren. Es war eine Liste, welche Gesetze eingeführt werden sollen. Wir fragten die Leute, ob sie einverstanden sind, und wenn ja, sollen sie unterschreiben. Dabei ging es um das Familiengesetz, das Heiratsgesetz, das Scheidungs- und Erbschaftsrecht sowie darum, dass man auch Rechte hat, wenn der Mann stirbt.

Jede Unterschrift beruhte auf einem Gespräch. Das dauerte immer so 20 Minuten, was wir als Standard annahmen, um jemanden zu überzeugen.

Die Polizei hat angefangen, das zu kontrollieren und sie haben 70 Personen verhaftet. Die Bewegung war inzwischen unheimlich breit und es gab große Diskussionen in der Bewegung. Für uns war am Wichtigsten, zu den Leuten hin zu gehen, und nicht in erster Linie das Ergebnis.

Bis 2009 habe ich im Iran gelebt. Ich war für zwei Jahre gebannt. Es war mir nicht erlaubt, das Land zu verlassen. 2009 kam ich dann nach Schweden. Dort habe ich den Olof-Palme-Preis erhalten.

 

Sana Shalaldah (Palästina):
Es gibt einen Artikel im Gesetz, der den Männern das Recht gibt, die Frauen zu töten“

Die Union der palästinensischen Frauenkomitees ist eine Gruppe von Frauen, die zu verschiedenen Frauenthemen arbeiten. Zum Beispiel, um das Frauenbewusstsein zu entwickeln, sich mit der israelischen Okkupation zu konfrontieren. Die Generalunion der palästinensischen Frauen ist Teil der Befreiungsfront PLO und umfasst Frauen aller politischen Parteien.

Als die Verhandlungen mit der israelischen Regierung vor 21 Jahren angefangen haben, sagten sie, dass sie vier Jahre dauern und dann von der internationalen Gemeinschaft zu Ende geführt würden, auch in Sachen der Flüchtlinge. Aber bis heute ist nichts passiert, die israelischen Siedlungen werden weiter ausgedehnt und sie haben die Mauer gebaut zwischen der Westbank und Israel. Der israelische Staat okkupiert mehr und mehr Quadratkilometer. Sogar die Zahl der Gefangenen in den israelischen Gefängnissen ist die größte seit der Okkupation. Die Situation wird schlimmer und schlimmer, vor allem seit es zur Spaltung zwischen der Hamas und der PLO kam. Diese Spaltung auf der politischen Ebene wirkt sich stark auf ihre Lebensbedingungen aus.

Seit der Zeit der Okkupation gehen viele Männer ins Gefängnis und sie werden wieder freigelassen usw. Es gibt gar keinen kontinuierlichen Lebenslauf mehr für Männer. Obwohl die Frauen ihre Familien unterstützen, arbeiten gehen und für die Familien zuständig sind, haben sie nicht die gleichen Rechte. Die Gesetze diskriminieren die Frauen. Zum Beispiel sind die Gesetze noch von der türkischen, jordanischen und ägyptischen Zeit beeinflusst. Diese Gesetze waren im frühen 20. Jahrhundert eingeführt worden.

Was die Ehrenmorde angeht, gibt es einen Artikel im Gesetz, der den Männern das Recht gibt, die Frauen zu töten, wenn sie wütend sind. Es gab eine große Kampagne, dieses Gesetz zu reformieren. Aber nichts ist passiert. Sehr viele Frauen werden ermordet. Wenn herausgefunden wird, dass eine Frau eine Beziehung zu einem anderen Mann hat oder auch, dass sie vergewaltigt wurde, – wenn in irgendeiner Art und Weise die Familienehre beschädigt ist, hat der Mann das Recht, die Frau umzubringen. Sie sehen das nicht als kriminellen Mord an, sondern er wird nach drei oder vier Jahren wieder freigelassen.

Wir setzen uns auch dafür ein, das „heiratsfähige Alter“ höher zu setzen. Ein Mann kann jetzt eine Frau heiraten, wenn sie fruchtbar wird. Aber mit 14 bis 15 Jahren ist sie nach dem Gesetz immer noch ein Kind. Man sieht also ein 16-jähriges Mädchen als heiratsfähig an, obwohl es nach dem Gesetz immer noch ein Kind ist.

Die NGOs arbeiten an verschiedenen Projekten. Sie geben den Frauen eine legale Existenz oder es gibt ein Frauenhaus in Palästina. Aber die Bewegung hat nicht das Niveau, das die Frauen sich wünschen oder brauchen. Es sollte eine überparteiliche Bewegung sein, die sich nur um die Frauenangelegenheiten kümmert. …

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