Wir müssen dringend unsere Kräfte stärken!

Interview mit dem Vorsitzenden der MLPD, Stefan Engel
Wir müssen dringend unsere Kräfte stärken!

Stefan Engel, rf-foto

Wie beurteilst du am Jahresende die wirtschaftliche und politische Entwicklung?

Mitte des Jahres sind wir zu dem Schluss gekommen, dass die längste und tiefste Weltwirtschafts- und Finanzkrise in der Geschichte des Kapitalismus zu Ende geht. Das 5. ZK-Plenum konnte nun erstmals den gesamten Krisenzyklus untersuchen.

Wir haben dabei festgestellt, dass zwischen Januar 2008 – dem höchsten Punkt der Industrieproduktion in Deutschland vor der Weltwirtschafts- und Finanzkrise – und Juli 2014 der Krisenzyklus durchlaufen wurde. Im Juli 2014 wurde erstmals wieder der Vorkrisenstand erreicht. In der Zeit dazwischen gab es allerdings bemerkenswerte Entwicklungen: 2011 hatte kurzfristig der Index der Industrieproduktion – gemessen am höchsten Vorkrisenstand = 100 – einen Stand von 98,7 erreicht. Das veranlasste Bundeskanzlerin Merkel, schon im Sommer 2011 einen Wirtschaftsaufschwung auszumachen. Tatsächlich fiel dann die Wirtschaft wieder auf 93,6 Indexpunkte zurück. Seit diesem Zeitpunkt gibt es eine stagnierende Entwicklung um die 95 Indexpunkte. Das bedeutet, dass die Belebung – noch bevor der Vorkrisenstand dauerhaft erreicht wurde – in eine schwankende Stagnation mit heftigen Ausschlägen nach oben und unten übergegangen ist. Das ist eine wichtige Veränderung des Krisenzyklus.

Die ausgeprägten Schwankungen kennzeichnen eine enge Durchdringung von politischen und wirtschaftlichen Ereignissen, die relativ schnell und deutlich Auswirkungen nach sich ziehen. So kam es in Deutschland aufgrund der Ukraine-Krise im August zu einem Einbruch der Industrieproduktion von über 3 Prozent. Die Ausfuhren sanken sogar um 5,7 Prozent, das ist der tiefste Einbruch seit dem Krisenmonat Januar 2009.

Aufgrund der chronischen Überakkumulation des Kapitals ist es insgesamt für das internationale Finanzkapital sehr schwierig geworden, über die Industrieproduktion Maximalprofite zu realisieren. Deshalb wurde die staatliche Investitions- und Subventionspolitik gegenüber diesen Monopolen ebenso wie die ausufernde Spekulation immer mehr zu einer Notwendigkeit für die Steigerung der Maximalprofite.

Beides hat zu einer ungeheuren Plünderung der Staatshaushalte und sprunghaften Ausdehnung des Kreditwesens geführt. Allein zwischen 2007 und 2013 ist die Verschuldung der Staaten und der Privatwirtschaft von 107 Billionen US-Dollar auf 150 Billionen US-Dollar angestiegen. Japan hat heute eine Staatsverschuldung gemessen am Bruttosozialprodukt von 250 Prozent. Die japanische Wirtschaft ist nach umfangreichen, zahlreichen staatlichen Wirtschaftsprogrammen jedoch bereits wieder in eine Rezession geschlittert. Das kennzeichnet eine hohe Labilität und die jederzeitige Gefahr, dass eine neue Weltwirtschaftskrise ausbricht.

Interessanterweise hat sich aufgrund des Widerspruchs zwischen der schnellen Akkumulation des Kapitals und den verengten Märkten das Verhältnis von Ersatz-, Rationalisierungs- und Erweiterungsinvestitionen gegenüber vorherigen Krisen deutlich verändert. Nachdem sich der Anteil der Rationalisierungsinvestitionen 2009 gegenüber 2007 von etwa 10 Prozent auf 20 Prozent verdoppelt hatte, sank dieser Anteil ab 2011 wieder auf 10 Prozent. Die Erweiterungsinvestitionen hielten sich nach kurzzeitigem Einbruch auf 15 Prozent im Jahr 2010 relativ konstant bei etwa 25 Prozent. Das heißt, der Hauptanteil der Investitionen sind Ersatzinvestitionen als Ausdruck der chronischen Überakkumulation des Kapitals.

Die Geldpolitik hat den Widerspruch zwischen dem produktiven Kapital und dem aufgeblähten spekulativen Kapital weiter entfaltet und ebenfalls die Labilität der Wirtschaft erhöht. Die deflationäre Tendenz, die zur Entwertung von Waren führt, bremst das Wirtschaftswachstum und macht viele Kredite zu faulen Krediten. Das alles zeigt unüberwindliche Probleme des imperialistischen Weltwirtschaftssystems auf der Basis der Neuorganisierung der internationalen Produktion, die auch nach dem Ende der Weltwirtschafts- und Finanzkrise weiter wirken.

Es ist auffällig, dass die US-Wirtschaft gegenüber den anderen imperialistischen Ländern einen deutlichen Vorsprung hat und seit geraumer Zeit relativ konstant wächst. Wie ist das zu erklären?

In den USA herrschen keine grundsätzlich anderen Gesetzmäßigkeiten als in den anderen imperialistischen Ländern. Ein besonderer Faktor für die relativ stabile und überdurchschnittliche Belebung der US-Wirtschaft ist die sprunghafte Ausdehnung des umweltzerstörerischen Frackings. Die USA sind auf Grund dessen inzwischen zum größten Gas- und Ölproduzenten der Welt geworden.

Während die USA ihre Ölproduktion von 2007 bis 2013 um 45,8 Prozent steigern konnten, hat Saudi-Arabien seine Produktion nur um 12,2 Prozent und Russland um 7,2 Prozent steigern können. Die ganze Entwicklung hat zu einer regelrechten Ölschwemme auf den Weltmärkten geführt. Sie ist eine neue hauptsächliche Triebkraft für die deflationäre Entwicklung und hat den Dollar gegenüber dem Euro, dem Yen usw. deutlich gestärkt. Den massiven aktuellen Einbruch des Rubels gegenüber dem Dollar muss man in diesem Zusammenhang sehen. Er hat die internationalen Börsen auf Talfahrt geschickt.

Dieser Erfolg des Frackings hat natürlich die Begehrlichkeiten anderer Imperialisten geweckt. In Europa versucht man mit aller Gewalt nachzuziehen und Fracking salonfähig zu machen. Die Hälfte aller DAX-Monopole in Deutschland hat inzwischen in das Fracking investiert. Das zeigt: Die kapitalistische Produktion und Konsumtion kann nur noch auf der Grundlage einer chronisch krisenhaften Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen existieren.

Auch die deutsche Regierung hat trotz aller Proteste und gegenteiligen Beteuerungen jetzt doch grünes Licht für Fracking gegeben.

Der unlängst unter dem heuchlerischen Bekenntnis zum Schutz des Trinkwassers veröffentlichte Gesetzentwurf der Bundesregierung hat nur einen Kern: Einstieg in das großflächige Fracking in Deutschland.

Erlaubt sind:

Gasförderung auch oberhalb von 3.000 Metern, wenn diese als „wissenschaftliche Probebohrungen“ deklariert und mit angeblich wasserungefährlichen Mitteln (!) durchgeführt werden.

Ab 2019 soll zudem großflächig „kommerzielles Fracking“ möglich sein. Eine sechsköpfige Expertenkommission aus Geologen, Umweltbeamten und Geoforschern soll dafür bestätigen, dass keine Erdbebengefahr und Umweltauswirkungen zu befürchten sind. Diese Kommission entscheidet interessanterweise mit Mehrheit und nicht zwingend einstimmig!

Im Kampf gegen das Fracking war in Deutschland von Beginn an in besonderem Maße die kämpferische Bergarbeiterbewegung führend, auch weil das mit der Stilllegung des Steinkohlebergbaus einhergeht.

Die Ablehnung von Fracking geht weit in kleinbürgerliche und bürgerliche Kreise hinein. So haben in Nordrhein-Westfalen inzwischen mehrere Stadtparlamente einstimmig die Einführung von Fracking abgelehnt und sich gegen Gefahren aus dem Bundesgesetz positioniert. Dazu gehören zum Beispiel Neukirchen-Vluyn, Gelsenkirchen, Bergkamen oder Witten. In Gelsenkirchen hat sich eine umweltpolitische Plattform aus über zehn Organisationen – unter anderem die Linkspartei, die Piraten, die MLPD, die DKP – gebildet, um unter anderem ihren Kampf gegen Fracking zu koordinieren.

Zu Beginn eines massenhaften Aufbegehrens gegen Fracking steht natürlich eine systematische Aufklärungsarbeit. Stück für Stück müssen dabei aber auch Formen des aktiven Massenwiderstands bis hin zu Streiks, Massendemonstrationen und Blockaden ins Auge gefasst werden. Der Kampf gegen die Einführung des Frackings in Deutschland wird zu einer Bewährungsprobe der neuen Umweltbewegung.

Welche Folgen hat die Destabilisierung der Weltwirtschaft auch nach der Weltwirtschafts- und Finanzkrise?

Während der Krise haben sich die Kräfteverhältnisse zwischen alten und neuen imperialistischen Kräften verschoben. So hat sich der Anteil der BRICS-Länder am weltwirtschaftlichen Sozialprodukt während der Krise auf Kosten der alten imperialistischen Länder auf fast ein Viertel der Weltproduktion gesteigert.

Die Imperialisten suchen deshalb fieberhaft nach neuen Märkten, um ihre überschäumende Produktion auch entsprechend in Profite umwandeln zu können. Überall gibt es Verhandlungen über Freihandelsabkommen, mit denen sich die verschiedenen Imperialisten und imperialistischen Gruppen Vorteile im internationalen Konkurrenzkampf verschaffen wollen. Ein Ausdruck dieses Konkurrenzkampfs ist das geplante TTIP-Abkommen zwischen der EU, den USA und weiteren Staaten oder auch Abkommen der USA mit asiatischen Ländern.

Dieser Konkurrenzkampf ist letztendlich ausschlaggebend für die Auslösung der Ukraine-Krise. Russland hat mit der Gründung der Eurasischen Wirtschaftsunion geantwortet und versucht, die Länder der ehemaligen Sowjetrepubliken in diesen länderübergreifenden Binnenmarkt zu zwängen. Dass die Ukraine, Moldawien und Georgien aber in die EU drängen, passt den russischen Imperialisten überhaupt nicht ins Konzept. Der Kampf um die Einflusssphären hat an Schärfe zugenommen und nimmt zunehmend eine offene kriegerische Form an. Das erste Mal seit der Kuba-Krise 1962 ist solch eine akute Kriegsgefahr entstanden.

Der zwischenimperialistische Konkurrenzkampf hat aber auch andere Auswirkungen. In den Betrieben werden überall „Sparprogramme“ durchgeführt. Es gibt derzeit die größte länderübergreifende Fusionswelle seit dem Jahr 2000.

In den meisten imperialistischen Ländern werden massive Kürzungsprogramme an den sozialen Errungenschaften durchgeführt, um die Staatshaushalte zu entlasten. Weil die staatsmonopolistische Wirtschaftspolitik die internationalen Monopole stützt und die begrenzten Ressourcen darauf konzentrierten, haben sie immer weniger Spielraum für soziale Reformen. Das wird die Klassenwidersprüche verschärfen und auch die allgemeine Destabilisierung des imperialistischen Weltsystems vorantreiben. Eine neue Welle an Massenprotesten bis hin zu Generalstreiks in mehreren Ländern Europas gibt einen Vorgeschmack darauf!

Die jüngsten Veröffentlichungen über das Ansteigen der Erderwärmung kennzeichnen eine dramatische Beschleunigung der Entwicklung hin zur globalen Umweltkatastrophe. Wie gehen die Verantwortlichen in Regierung und Wirtschaft damit um? Und welche Rolle spielt der Klima-Gipfel in Lima hierbei?

Der soeben beendete sogenannte Klima-Gipfel in Lima/ Peru ist eine einzige Provokation gegenüber der Menschheit. In Wirklichkeit war es ein Klimakiller-Gipfel, der sich nicht einmal mehr den Anschein verbindlicher Ergebnisse gab. Beherrscht wurde das ganze Szenario vor allem von der Konkurrenz zwischen den alten imperialistischen Staaten und den neuimperialistischen Staaten, die sich gegenseitig die Verantwortung in die Schuhe schieben und selbst nichts Einschneidendes ändern wollen.

Im Streit darum, wer nun mehr oder weniger zur Reduzierung der CO2-Emissionen beitragen muss, kam schließlich der absurde „Konsens“ heraus, dass jedes Land darlegen „soll“, in welchem Ausmaß sie zum Klimaschutz „bereit sind“. Natürlich ohne jegliche Kontrollen. Noch weniger Verbindlichkeit geht kaum! Die imperialistische Umweltpolitik der angeblichen Übereinstimmung von kapitalistischer Ökonomie und Ökologie ist mehr denn je zum Scheitern verurteilt.

Der Weltklimarat hatte erst kurz zuvor in seinem fünften Sachstandsbericht Anfang November bestätigt, dass die „Erwärmung des Klimasystems“ eine unverrückbare Tatsache ist und „der menschliche Einfluss die Hauptursache der beobachteten Erwärmung seit Mitte des 20. Jahrhunderts war“1. Die Konzentration von Kohlendioxid (CO2), Methan und Lachgas in der Atmosphäre ist auf Werte angestiegen, die in den letzten 800.000 Jahren noch nie vorgekommen sind! Die Zunahme dieser Treibhausgase führte zu einer erheblichen Energieaufnahme in das Klimasystem, wovon in den vergangenen 40 Jahren mehr als 90 Prozent durch die Ozeane gespeichert wurde und sie sich deshalb erwärmten. Das hat wiederum das Umkippen der Ökosysteme in den Weltmeeren enorm beschleunigt. Der Meeresspiegel ist zwischen 1901 und 2010 durch das Abschmelzen des Festlandeises und die Ausdehnung des Wassers durch die Erwärmung der Ozeane bereits um etwa 19 Zentimeter angestiegen.

Als Folge der Erderwärmung nehmen extreme Wetter- und Klimaereignisse zu, wie wir sie gerade wieder mit dem Taifun „Hagupit“ erlebten, der mit über 200 Stundenkilometern über den Inselstaat Philippinen fegte. In unserem Buch „Katastrophenalarm! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?“ haben wir bereits die bedeutende Rolle solcher Ereignisse herausgestellt: „Die regionalen Umweltkatastrophen sind Schrittmacher auf dem Weg zu einer globalen Umweltkatastrophe.“

Die Prognosen des Weltklimarats lassen keinen Zweifel: Wenn nicht unverzüglich die Treibhausgasemissionen zurückgefahren werden, werden die bereits bestehenden Risiken für Menschen und Umwelt dramatisch verstärkt und erweitert. Doch von Sofortmaßnahmen ist weit und breit nichts zu sehen.

Wenn man sich die aktuelle Liste „Forbes Global 2000“ der umsatzstärksten Unternehmen ansieht, versteht man auch, warum das so ist. Die Plätze zwei bis neun gehören zu den Branchen Öl und Gas mit Shell, ExxonMobil, BP, PetroChina, Total und Chevron sowie der Automobilbranche mit VW und Toyota an der Spitze. Diese Übermonopole werden alles daransetzen, ihre Weltmarktstellung zu halten und auszubauen – ohne Rücksicht auf Mensch und Natur.

Das bisher einzige Weltklima-Abkommen, das sogenannte Kyoto-Protokoll, ist 2012 ausgelaufen. Es sollte den weltweiten Ausstoß von Treibhausgasen bezogen auf das Jahr 1990 bis 2012 um völlig unzureichende 5,2 Prozent senken. Herausgekommen ist eine Steigerung von 61 Prozent! Was für ein Desaster!

Nur ein international koordinierter aktiver Widerstand der Massen kann die Klimapolitik der internationalen Monopole stoppen und verändern. Der Kampf gegen die globale Umweltkatastrophe ist zu einer vorrangigen Aufgabe der internationalen marxistisch-leninistischen und Arbeiterbewegung geworden.

Wie hat die MLPD ihre umweltpolitischen Vorhaben umgesetzt?

Mit dem im März herausgegebenen Buch „Katastrophenalarm! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?“ leisten wir einen wichtigen Beitrag für die gesellschaftliche Strategiedebatte. Das Zentralkomitee hat im Sommer festgelegt, dass eine umfassende, schlagkräftige Literaturoffensive zunächst das wichtigste Kettenglied zur Förderung der Strategiedebatte ist. Seitdem hat sich der Verkauf des Buches – auch auf Englisch und Spanisch – auf 10.021 Exemplare mehr als verdoppelt.

Bei genauer Betrachtung haben wir jedoch die Potenziale noch lange nicht ausgeschöpft: Ein guter Teil der Genossen und Grundeinheiten nimmt noch nicht am offensiven Buchverkauf teil, während manche Aktivisten schon über 50 Bücher verkauft haben. Die Gründe dafür sind vielschichtig: Manche schrecken etwas vor den Diskussionen beim Buchverkauf zurück, weil sie natürlich auch mit der Wirkung des modernen Antikommunismus konfrontiert werden. Sie fühlen sich zuweilen noch nicht sicher genug, diese Diskussion zu führen. Das zeigt, dass natürlich das Studium des Buches und die Befassung mit der Umweltfrage eine selbstverständliche Voraussetzung dafür ist, das Buch überzeugend zu verbreiten und zu verkaufen. Nur so wird es gelingen, eine wirkliche Strategiedebatte unter den breiten Massen, der Arbeiterschaft, in der Frauen-, Jugend- und Umweltbewegung zu führen. Dabei müssen auch bestimmte negative Prägungen in unserer Arbeit überwunden werden. So gibt es in unserer Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit zum Teil noch ein sehr engstirniges Verständnis dieser Arbeit. Tatsächlich ist die Hauptaufgabe der marxistisch-leninistischen Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit aber die Erhöhung des Klassenbewusstseins. Und da gehört die Umweltfrage heutzutage fundamental dazu.

Andere Genossen verstehen noch ungenügend, die Umweltfrage mit den anderen gesellschaftlichen Fragen zu verbinden, an denen die Partei tätig ist. So gab es vereinzelt Scheu, war dann aber überhaupt kein Problem, bei den Solidaritätsdemonstrationen zu Rojava das Buch zu verkaufen. Die Genossen in Rojava stellen sogar von Anfang an bei ihrer selbstbestimmten Gesellschaft die Umweltfrage in Rechnung und lernen aus Fehlern der internationalen Arbeiterbewegung.

Andere Genossen verlieren sich oft im Auf und Ab des Tageskampfs, statt auf die Fragen, die den Menschen unter den Nägeln brennen, mittels unserer Literatur tiefgehende Antworten zu geben. Gerade – aber nicht nur – Jugendliche sind es häufig wenig gewohnt zu lesen. Sie holen sich ihre Infos lediglich aus Filmen oder dem Internet. Selbständiges Denken und Handeln erfordert aber Lesen und Selbststudium.

Die verantwortlichen Bereiche des Zentralkomitees müssen sich in der Strategiedebatte mehr einfallen lassen. So ärgert es mich und auch viele Leser der „Roten Fahne“, dass in der Zeitung meist nur positive Stimmen zu dem Buch abgedruckt werden! Mit den zahlreichen Einwänden, Fragen, Gegenargumenten wird sich ungenügend befasst. Nicht selten werden sie sektiererisch abgetan. Wir brauchen aber eine wirklich streitbare Strategiedebatte, mit immer neuen überzeugenden Argumenten.

Nicht zuletzt ist es gar nicht so einfach, gerade in der Umweltbewegung das Buch zu vertreiben, weil viele mit dem Argument kommen, sie wüssten ja schon alles. Das ist aber ein Trugschluss. Ein Problem in der Umweltbewegung und ihrer Literatur ist es ja gerade, dass sie in vielen einzelnen Themen, Bürgerbewegungen und Einzelprojekten kompetent, aber zersplittert ist und den Gesamtzusammenhang und vor allem die drohende Gefahr einer globalen Umweltkatastrophe zuweilen aus den Augen verliert. Hier muss ein systematischer Kampf um die Denkweise geführt werden, der letztlich auch nur organisiert vonstatten gehen kann. Der Umweltkampf wird mehr und mehr eine gesellschaftsverändernde Kraft werden.

In diesem Zusammenhang möchte ich den Initiatoren und Unterstützern für die Gründung einer neuen Umweltgewerkschaft zur erfolgreichen Gründung gratulieren. Mit ihr ist eine Organisationsform der neuen Qualität des Umweltbewusstseins und des Klassenbewusstseins der Arbeiter entstanden.

 

Am 5. Dezember rollte der letzte Zafira im Bochumer Opel-Werk vom Band. Auf einer Diskussionsveranstaltung beim Pfingstjugendtreffen 2013 schienst du fest davon überzeugt, dass die Opelaner streiken werden. War das eine Fehleinschätzung und die Stilllegung jetzt eine Niederlage?

 

Die Opelaner, die klassenkämpferischen Kräfte und unsere Genossen haben mich nicht enttäuscht. Im Gegenteil! Sie haben zweieinhalb Jahre mutig gekämpft und dabei ist das Klassenbewusstsein der Opelaner ungemein gestiegen. Was nicht zustande kam, das war ein unbefristeter selbständiger Streik, dessen Vorbereitung allerdings auf teils unvorhersehbare oder zum Teil nicht zu beeinflussende Hindernisse stieß.

Ebenso wie sich die kämpferischen Kräfte in der Arbeiterbewegung an der Belegschaft von Opel Bochum orientierten – genauso haben sich ihre Gegner darauf fokussiert! Man kann davon ausgehen, dass es hier von allerhöchster Ebene – Unternehmerverbänden, Regierung, Medien, rechter Gewerkschaftsführung – Ausrichtungen und Absprachen gab, wie dieser Kampf verhindert und die kämpferische Initiative der Belegschaft totgeschwiegen bzw. unterdrückt wird.

Den Opelanern sollte unter allen Umständen eine Niederlage beigebracht werden, um den Kampfwillen der gesamten Arbeiterbewegung in Deutschland zu brechen. Die Stilllegung erfolgte auf der Basis von Erpressung und Nötigung und wurde in gemeinsamer Aktion von GM, Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik, Medien, Regierung und rechter Gewerkschaftsführung durchgeboxt.

Vor allem aber mussten sich die Arbeiter neu orientieren, wer Verbündeter und wer Gegner ist: In der ganzen Zeit, seit Opel 1962 gegründet wurde, war Opel-Bochum immer ein Zentrum selbständiger Kämpfe und Streiks. Mindestens 50 solcher Streiks und Kampfaktionen sind eine einzigartige Geschichte dieser Belegschaft. Immer hatten auch die verschiedenen Kräfte bei diesen Kämpfen mit- und zusammengewirkt. Diesmal war es so, dass die Gruppe um den Betriebsratsvorsitzenden Rainer Einenkel mit seinen linksreformistischen Anhängern die ganze Zeit gegen einen Streik gekämpft, intrigiert und Stimmung gemacht hat. Am Anfang haben sie den Arbeitern gesagt, es sei „noch zu früh“ – bis dann innerhalb von Sekunden „alles zu spät“ war. Verbunden mit beiden Varianten betrieben sie eine intrigante antikommunistische Hetze gegen die Betriebsratsgruppe „Offensiv“ und auch gegen die MLPD, die für die Auslösung eines unbefristeten selbstständigen Streiks standen und immer mehr Zustimmung fanden.

Die Belegschaften der anderen Opel-Werke wurden diffamiert, ihre Kollegen in Bochum im Stich gelassen zu haben. In mehreren eindeutigen Abstimmungen haben sich die Opelaner zwar für einen Streik ausgesprochen. Aber als sich die Betriebsratsspitze weigerte, diesen Streik auch tatsächlich zu unterstützen und zu organisieren, wurden sie verunsichert. Sie waren noch nicht so weit, jetzt mit Unterstützung der kämpferischen Betriebsratsgruppe „Offensiv“, den verschiedensten klassenkämpferischen Kräften im Betrieb, im Vertrauenskörper sowie der MLPD einen selbstständigen Streik zu beginnen und dauerhaft durchzuführen.

Die Opel-Belegschaft ist in den letzten Jahren auf hohem Niveau mit dem modernen Antikommunismus fertig geworden. Zum Schluss hat sich gegen solcherlei Intrigen und antikommunistischen Attacken eine regelrechte Immunität bei den Arbeitern entwickelt. Doch dass sich die Linksreformisten einzig aus antikommunistischen Motivation heraus schmählich mit den rechten Gewerkschaftsführern zusammengetan haben, um eine Stilllegung ohne Kampf hinzulegen – das war etwas Neues für die Opelaner. Diese bittere Erfahrung der zersetzenden Wirkung des modernen Antikommunismus muss erst mal verdaut werden! Wenn sie in der gesamten Arbeiterbewegung verarbeitet wird, wird sie jedoch auch heilende Wirkung haben.

Man muss die Sache allerdings in einen größeren Zusammenhang betrachten. Das gesellschaftliche System der kleinbürgerlichen Denkweise möchte heute unter allen Umständen die Klassenwidersprüche vertuschen. Und so wird mit allen Mitteln daran gearbeitet, dass die Arbeiter solchen Stilllegungen bzw. ihren Folgen „freiwillig“ zustimmen. Dazu werden zum Teil hohe Abfindungsprämien gezahlt, Transfergesellschaften gegründet, Sonderregelungen für die Dauer der Arbeitslosigkeit getroffen, Umschulungskurse finanziert, die die angebliche „Alternativlosigkeit“ des Verlustes der Arbeitsplätze flankieren. All das gab es bei Opel in Bochum natürlich auch in ausgeprägtem Maße.

Bis zum bitteren Ende hat die Mehrheit der Arbeiter in Bochum – und das ist das Entscheidende – die Werkschließung und die dafür eingesetzte Klassenzusammenarbeitspolitik abgelehnt.

Die Betriebsratsspitze und erst recht die rechte IG-Metall-Führung sind bei der Masse der Kollegen unten durch und viele ziehen heute ernüchtert das Resümee: „Die Roten haben doch recht gehabt“.

Damit ist die Klassenzusammenarbeitspolitik bei Opel Bochum gescheitert und der Klassenantagonismus mit der Stilllegung offen hervorgetreten. Niemand wird mit der Stilllegung des Bochumer Opel-Werks einen harmonischen Ausgleich auf der Grundlage der Klassenzusammenarbeitspolitik in Verbindung bringen. Die Arbeiter haben ihre Würde behalten und sind ihrer kämpferischen Vorbildfunktion treu geblieben.

Die Opelaner haben ihre Klassenselbständigkeit bewahrt. Sie werden ihre Kampferfahrungen in ihre Familien, ihren Freundeskreis, in die Nachbarschaft, Vereine und natürlich ganz besonders in die Betriebe tragen, in denen sie künftig arbeiten werden. Sie werden die Erfahrungen der Opel-Belegschaft verarbeiten, verbreiten und am Schluss sind immer mehr mit der antikommunistischen Denkweise, der refomistischen Spaltung und der Hetze fertig geworden.

Diese Tatsachen wurden in der Kundgebung der NRW-weiten Montagsdemonstration am 8. Dezember mit der Losung zusammengefasst: „Wir haben die Schließung nie akzeptiert und tragen die Fackel weiter!“

Das Geheimnis des Erfolgs der Betriebsgruppen der MLPD bei Opel Bochum liegt in einem immer weiter ausdifferenzierten System der systematischen Kleinarbeit und einer überzeugenden Strategie und Taktik im Kampf um die Denkweise der Kollegen und ihrer Familien. Das reichte von der organisierten Zusammenarbeit mit den verschiedensten kämpferischen und klassenkämpferischen Kräften in Betrieb und Gewerkschaft, über die jederzeitige Verlässlichkeit in allen betrieblichen Alltagsfragen und die unverbrüchliche Solidarität bis zu breit gefächerten politischen Diskussionen; von der positiven Gewerkschaftsarbeit über einfallsreiche, immer neue treffende Argumente und Organisationsformen bis zu vielfältigen kleineren und größeren selbstständigen Kampfaktivitäten, die enge Verbindung zu anderen Standorten und internationalen Freunden. Nicht zuletzt wurde der Zusammenhalt unter den Arbeitern, in und mit den Familien gefestigt durch gemeinsame Feiern, Ausflüge und persönliche Freundschaften. Vielleicht nicht kurzfristig, aber mittel- und auf jeden Fall langfristig ist eine solche Arbeit haushoch überlegen über die Armseligkeit der destruktiven reformistischen Klassenzusammenarbeitspolitik mit ihrem antikommunistischen Mobbing.

Auch wenn der Betrieb nun in Schutt und Asche gelegt wird – die Lehren aus den Kämpfen der letzten Jahre sind unauslöschlich! Die MLPD wird auch alles dazu tun, dass sie der Arbeiterbewegung als Schule für ihre künftigen Auseinandersetzungen erhalten bleiben. Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass wir uns bei alledem in einer nicht-revolutionären Situation befinden und die klassenkämpferischen und revolutionären Kräfte in der Arbeiterbewegung noch eine kleine Minderheit bilden. Unter solchen Bedingungen ist es keineswegs ungewöhnlich, dass die Arbeiter solche Stilllegungen nicht verhindern können. So lange die Arbeiterklasse sich noch in einer Defensive befindet und wir Kapitalismus haben, wird sie immer wieder empfindliche Niederlagen bezogen auf die konkreten Kampfziele einstecken müssen. Wir müssen heute die Klarheit und Organisiertheit der Arbeiterbewegung stärken und der Klassenzusammenarbeitspolitik zwischen Monopolen und der rechten Gewerkschaftsführung einen Strich durch die Rechnung machen. Das ist sehr gut gelungen. Darin besteht der bedeutende Sieg, der weiter strahlen wird.

Die Klassenauseinandersetzung bei Opel sticht gegenüber der Entwicklung der Arbeiterkämpfe der letzten Jahre hervor!

Ja, das stimmt. 2004 gab es noch 538.000 Teilnehmer an gewerkschaftlichen Streiks und über 135.000 Teilnehmer an selbstständigen Streiks. 2012 während der Weltwirtschafts- und Finanzkrise nahmen nur circa 163.000 an gewerkschaftlichen bzw. 14.000 an selbstständigen Streiks teil. Und diese fanden zumeist nicht in den traditionellen Industriebetrieben statt. Die Merkel-Regierung setzte vor dem Hintergrund der besonderen ökonomischen Stärke des deutschen Imperialismus ihre Politik der Dämpfung der Klassenwidersprüche konsequent fort. Dazu kommt, dass besonders die Führungsspitzen der IG Metall und IGBCE in dieser Zeit noch weiter nach rechts gewandert sind. Das Co-Management wurde immer mehr zu ihrer offenen Leitlinie – und damit unterließen sie die Organisierung und Führung von gewerkschaftlichen Kämpfen der Arbeiter zur Verteidigung und Verbesserung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen immer unverbrämter. Sie starteten umfassende Maßnahmen, bisherige linksreformistische Gruppen wieder unter das Dach der offiziellen Gewerkschaftspolitik zu holen, wie es bei Opel in Bochum und Daimler in Stuttgart passiert ist. Dadurch hat sich inzwischen der innergewerkschaftliche Kampf polarisiert: Bereits ab 2009 entwickelte sich eine Kritikbewegung in den Gewerkschaften um die „Dortmunder Erklärung“ für Gewerkschaften als Kampforganisationen, die bis heute bereits über 13.500 Unterzeichner hat. Auch der Wiesbadener Appell „Für ein politisches Streikrecht“ oder eine aktuelle Initiative „Aufstand des gewerkschaftlichen Gewissens“ bringen das zum Ausdruck. Auch die Grußworte der ehemaligen stellvertretenden DGB-Vorsitzenden Ursula Engelen-Kefer oder des ver.di-Vorsitzenden Frank Bsirske zur Kundgebung am 8. Dezember in Bochum spiegeln die progressive Richtung in dieser kontroversen Auseinandersetzung wieder. Es ist dringend nötig, dass diese gesellschaftliche Diskussion über den Weg der Gewerkschaften als Kampforganisationen entschieden gestärkt wird.

Die MLPD vertritt den Standpunkt einer positiven Gewerkschaftsarbeit. Wir sind dagegen, dass die Kollegen resigniert und verbittert aus den Gewerkschaften austreten. Wir sind stattdessen der Meinung, dass die Arbeiter die Gewerkschaften zu Kampforganisationen machen müssen. Dazu muss eine breite innergewerkschaftliche Diskussion stattfinden, welche Gewerkschaften wir brauchen und dass die schamlose Unterordnung eines Großteils unserer Gewerkschaftsführer unter die Interessen der Monopole einfach nicht mehr hinnehmbar ist. Vielleicht war es auch eine gewisse Schwäche, dass man der positiven Gewerkschaftsarbeit rund um die Auseinandersetzung bei Opel zeitweise zu wenig Bedeutung beigemessen hat. Der selbständige und der gewerkschaftliche Kampf bilden aber eine unverzichtbare dialektische Einheit. Ohne die Gewinnung der breiten Basis der Gewerkschaftsmitglieder werden wir auch die entscheidende Mehrheit des Industrieproletariats nicht für den Sozialismus gewinnen können.

Die Monopole fordern von der Regierung jetzt das „Ende der Wohltaten“. Wie reagiert Kanzlerin Merkel darauf?

Angesichts der herabgesetzten Erwartungen für das Wirtschaftswachstum und der labilen Weltwirtschaftslage fordern führende Monopolvertreter und einige Regierungsvertreter seit dem Herbst 2014 ein „Ende der Wohltaten“. BDI-Präsident Ulrich Grillo fordert von der Regierung:

1. Eine erhebliche Senkung der Energiekosten im Rahmen des konstanten Kapitals, insbesondere durch die Bereitstellung von kostengünstigerer Energie für die Monopolbetriebe – so vor allem durch Forcierung von Gas-Fracking.

2. Die Erschließung neuer Möglichkeiten für Wachstum durch eine umfassende Investitionsoffensive, besonders im Logistik-Bereich, subventioniert aus dem Staatshaushalt.

3. Eine intensivere Ausschöpfung der vorhandenen Märkte und Verbesserung des eigenen Zugangs zu den Märkten z.B. durch Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP), Kanada usw.

Die Regierung ist im Zwiespalt: Einerseits muss sie die Forderungen der Unternehmerverbände bedienen. Andererseits wollen Monopole und Regierung größere Klassenauseinandersetzungen und eine Belebung der sozialen und Umweltbewegung vermeiden.

Ende November schlossen BDI-Chef Grillo, SPD-Chef und Vizekanzler Gabriel sowie IGM-Chef Wetzel einen neuen Pakt der Klassenzusammenarbeit unter dem Namen „Zukunft der Industrie“.

Einige Genossen haben daraufhin schon voreilig von der Einleitung eines Taktikwechsels durch Monopole und Regierung gesprochen. Damit lagen sie aber nicht richtig. Noch weichen die Herrschenden vor offenen Angriffen zurück – aus Angst vor ähnlichen Reaktionen, wie es derzeit wieder bei den Generalstreiks in Belgien oder Italien zu beobachten ist. Sie setzen noch vorrangig auf das System der kleinbürgerlichen Denkweise, mit dem sie die Massen manipulieren und die Entwicklung des Klassenbewusstseins und des Umweltbewusstseins hemmen.

In Thüringen wurde mit Bodo Ramelow erstmals ein Mitglied der Linkspartei zum Ministerpräsidenten gewählt. Ist das ein Sieg des gesellschaftlichen Fortschritts?

Natürlich gab es anlässlich der Wahl Ramelows zum Ministerpräsidenten den üblichen reaktionären antikommunistischen Aufschrei, insbesondere aus der CDU/CSU. Es gab sogar eine teils hysterische Angstmache vor einem „befürchteten Sozialismus in Thüringen“2. Die neue Linkspartei/SPD/Grüne-Landesregierung wird und will aber den Sozialismus gar nicht einführen. Als Eintrittskarte in die Dreierkoalition von Linkspartei, Grünen und SPD musste ausdrücklich in den Koalitionsvertrag geschrieben werden, dass die DDR ein „Unrechtsstaat“ gewesen sei. Eine „Zusammenarbeit mit Organisationen, die das DDR-Unrecht relativieren“ wurde ausgeschlossen3. Dabei geht es keineswegs um die berechtigten Kritiken an der Stasi-Bespitzelung, der Einschränkung der Reisefreiheit usw., sondern richtet sich auch gegen all diejenigen an der Basis der Linkspartei, die an der Idee des Sozialismus und der Verteidigung der hoffnungsvollen Anfänge des Aufbaus des Sozialismus in den Anfangsjahren der DDR festhalten. Waren denn die Entmachtung der Junker und Großgrundbesitzer nach dem II. Weltkrieg, war denn die Enteignung der Monopole in der DDR, die konsequente Entnazifizierung und der beginnende Aufbau des Sozialismus „Unrecht“? Eine solche Geschichtsfälschung ist völlig unakzeptabel! Die MLPD kritisiert den bürokratischen Kapitalismus, wie er nach 1956 unter Ulbricht und Honecker eingeführt wurde mit seinen weitgehend eingeschränkten demokratischen Rechten und Freiheiten, dem Mauerbau, der Stasi-Bespitzelung, der Entmündigung der DDR-Bevölkerung und der Unterdrückung des marxistisch-leninistischen Parteiaufbaus. Diese Restauration des Kapitalismus in der ehemals sozialistischen DDR ist aber von den modernen Antikommunisten überhaupt nicht gemeint. Im Gegenteil werden die negativen Erfahrungen dieser Zeit manipulativ dem Sozialismus zugeschoben. Das macht es den Leuten bis heute schwer, zwischen dem Sozialismus und dem Verrat am Sozialismus zu unterscheiden.

Wir werden sehen, wie weit der Kniefall Ramelows vor dem bürgerlichen Parlamentarismus und der Diktatur der Monopole in Deutschland gehen wird, nur um an seinem Posten als Ministerpräsident festzuhalten. Je mehr faule Kompromisse er allerdings dabei eingeht, je mehr er sich gegen Forderungen und Bewegungen der Massen stellen wird, desto mehr werden fortschrittliche Menschen sich der gesellschaftlichen Alternative des echten Sozialismus öffnen.

 

Wie beurteilt die MLPD ihre eigene Entwicklung 2014?

 

Die MLPD hat sich in diesem Jahr insgesamt sehr positiv entwickelt. Mit der Herausgabe des Buches „Katastrophenalarm!“ im März haben wir die marxistisch-leninistische Strategie und Taktik im Umweltkampf auf den Kampf gegen die Verhinderung der globalen Umweltkatastrophe und damit zugleich auch die gesamte Strategie und Taktik in der Vorbereitung der internationalen Revolution konkretisiert und schöpferisch weiterentwickelt. Diese theoretische Arbeit ist ein wichtiges Fundament für einen sehr tiefgehenden Selbstveränderungsprozess, der von der Partei aufgegriffen wird. Die Partei lernt immer besser, den Kampf um die Lösung der sozialen Frage in Einheit mit der Umweltfrage zu führen.

Vor diesem Hintergrund sind wir dabei, Stück für Stück weiteren Einfluss in der Umweltbewegung zu gewinnen und die Strategiedebatte für eine neue Qualität der Umweltbewegung zu entfalten.

In der Arbeit an der Hauptkampflinie in den industriellen Großbetrieben haben wir insbesondere im Zusammenhang mit dem Kampf gegen die Stilllegung bei Opel, bei Daimler und im Bergbau wichtige Fortschritte im Verständnis der Weiterentwicklung unserer Arbeit an der Hauptkampflinie gemacht. Insbesondere bei Opel und im Bergbau war hervorstechend, wie es gelungen ist, durch eine schöpferische Strategie und Taktik im Kampf um die Denkweise mehrfach die Meinungsführerschaft unter den Belegschaften zu erkämpfen und dadurch auch konkrete Kämpfe vorzubereiten, auszulösen bzw. taktische Erfolge zu erringen. Die ganze Organisation muss von diesen Beispielen lernen.

In der Jugendarbeit gelangen uns neue Initiativen: So zum Beispiel in der Zusammenarbeit mit anderen Kräften bei der Organisierung des ersten Rebellischen Musikfestivals. In der Rebellion der Jugend konnte der Jugendverband neuen Einfluss gewinnen und den REBELL dabei deutlich stärken.

Auch in und mit der kämpferischen Frauenbewegung gelang es, weitere gesellschaftliche Ereignisse anzustoßen, die die Frauenfrage wieder mehr in den Blickpunkt der gesellschaftlichen Auseinandersetzung rückten.

In der internationalen Solidaritätsarbeit hat die MLPD insbesondere mit dem Freiheitskampf des kurdischen Volkes für Autonomie, Freiheit und Demokratie im letzten Jahr eine wichtige Weiterentwicklung erreicht und sich als verlässliche Bündnispartnerin der internationalen Solidarität bewährt.

All diese Beispiele haben unseren Masseneinfluss deutlich erhöht. Das schlägt sich allerdings noch kaum in einer mitgliedermäßigen Stärkung der MLPD nieder. Auch liegen die fortschrittlichen Elemente unserer Arbeit immer noch in einem heftigen Widerstreit mit Tendenzen der Anbetung der Spontanität, des Rechtsopportunismus und des Sektierertums. Das ist damit verbunden, die Lehre von der Denkweise zu verdrängen und das System der Kleinarbeit an der Basis aufzulösen zu Gunsten von Einzelaktivitäten, Kampagnen und Kämpfen.

Man muss bei alledem berücksichtigen, dass die Partei mit fast gleichbleibenden Kräften eine Fülle neuer Aufgaben in Angriff genommen und hervorragend bewältigt hat. Die Partei steht dennoch erst am Beginn eines mittelfristigen Selbstveränderungsprozesses, in dem sie der Aufgabenstellung der neuen Stufe des proletarischen Internationalismus und der Erweiterung der Strategie der internationalen Revolution um die Umweltfrage gerecht werden muss.

Die kämpferische Frauenbewegung hat sich deutlich stabilisiert und verbreitert.

Das kann man wohl sagen! In der kämpferischen Frauenbewegung sind mit die größten Veränderungen und Fortschritte zu verzeichnen. Das geschieht sicherlich vor dem Hintergrund, dass eine immer größere Masse von Frauen die ihnen zugedachte Rolle in der bürgerlichen Familienordnung zunehmend kritisch sieht, darüber hinauswächst und gesellschaftliche Verantwortung für die Zukunft übernehmen will. Mädchen und junge Frauen kritisieren den Sexismus zunehmend als gesellschaftliches Problem, statt nur individuell zu rebellieren oder sich dem gar anzupassen. Mit dem Internationalen Frauentag am 8. März, dem 1. Mai, dem Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November und dem Frauenpolitischen Ratschlag wurden wichtige Zeichen gesetzt. Das ist auch eine Erfolgsgeschichte der marxistisch-leninistischen Kleinarbeit in enger Wechselwirkung mit der überparteilichen kämpferischen Frauenbewegung. Deutlich wurde das am 11. Frauenpolitischen Ratschlag im Oktober 2014 in Chemnitz: Mit der großen Sympathie und Unterstützung durch die frauenpolitischen Organisationen und Institutionen in der Gastgeberstadt Chemnitz gab es eine richtige „Verschwesterung“ zwischen den Frauen der Stadt und den Ratschlagsfrauen. Herausragend war in diesem Jahr die erneut erweiterte Bündnisbreite des Ratschlags. Der moderne Antikommunismus, der wie üblich in den letzten Jahren jeweils im Vorfeld eines Ratschlags hochgekocht wird, konnte letzten Endes keinen Boden gutmachen. Der Ratschlag stößt auch zunehmend in den Gewerkschaften auf Interesse, obwohl der IG-Metall-Vorstand die IG-Metall-Frauen administrativ davon abhalten wollte. Der Ratschlag ist heute das frauenpolitische Ereignis in Deutschland mit internationaler Ausstrahlung. Unübersehbar dabei ist die tragende Rolle, die der überparteiliche Frauenverband Courage inzwischen hierbei spielt.

Auch in der internationalen Frauenbewegung und dem „Weltfrauenprozess“ gibt es bedeutende Fortschritte. Die 2. Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen 2016 in Nepal stößt in der kämpferischen internationalen Frauenbewegung auf großen Anklang und wird von den Weltkoordinatorinnen diesmal sehr zielstrebig geführt. So steht schon das Gerüst der Konferenz 2016 und kann nun in den Kontinenten zielstrebig an der Mobilisierung gearbeitet werden. Die beteiligten Kräfte repräsentieren ein breites Spektrum: von bürgerlichen Frauen, Gewerkschaften, über fortschrittliche „Nichtregierungsorganisationen“ bis hin zu Frauen aus revolutionären Parteien. Bei den vorbereitenden Beratungen spielen die Prinzipien wie vor allem die Einheit von Vorbereitung der Weltfrauenkonferenz und nachhaltiger Stärkung der kämpferischen Frauenbewegung im jeweiligen Land eine fundamentale Rolle. Nur auf dieser Basis kann sich eine gleichberechtigte Zusammenarbeit auf Augenhöhe entwickeln.

Eine große Bedeutung hat die Konstituierung der Regionalkonferenz der Weltfrauen im Mittleren Osten, die dort im September inmitten des zugespitzten Kampfes um Rojava mit namhaften Vertreterinnen aus dem ganzen Spektrum der Frauenbewegung aus zehn Ländern erfolgreich durchgeführt wurde. Die Solidarität insbesondere mit dem kurdischen Befreiungskampf prägte auch die Aktivitäten der „Weltfrauen“ in Europa rund um den 25. November, dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen. Sie wird auch weiterhin im Weltfrauenprozess eine große Rolle spielen.

 

Schon vor anderthalb Jahren hat sich die MLPD intensiv an der Rojava-Solidarität beteiligt. Warum ist das momentan so wichtig?

 

Die revolutionäre Weltorganisation ICOR hatte 2013 eine internationale Rojava-Kampagne organisiert. Rojava ist ein Brennpunkt im Kampf um nationale und soziale Befreiung. Dort findet der momentan fortgeschrittenste Kampf um Freiheit und Demokratie statt. Aufgrund der Schwäche des syrischen Assad-Regimes konnte – geschützt und erkämpft durch bewaffnete Einheiten – eine unabhängige demokratische Selbstverwaltung aufgebaut werden, die man tatsächlich als Revolution bezeichnen kann. Dabei wurden auch bemerkenswerte Fortschritte im Kampf um die Befreiung der Frau durchgesetzt. Mittlerweile haben die verschiedensten Reaktionäre und Faschisten allerdings vielfältige Attacken gegen Rojava gerichtet. Das unterstreicht, dass man die Strategie und Taktik für die Autonomie Rojavas nicht unzulässig verallgemeinern darf und davon ausgehen dürfte, eine Revolution könnte ohne härteste, auch bewaffnete Klassenauseinandersetzungen Erfolg haben.

In der Schlacht um Kobanê stehen sich konterrevolutionäre, islamistisch verbrämte, faschistische Kräfte auf der einen Seite und fortschrittliche, revolutionäre Kräfte der kurdischen PYD auf der anderen unmittelbar gegenüber. Der wichtigen Kulmination im Mittleren Osten liegt eine Reihe von Veränderungen im objektiven und subjektiven Faktor der letzten 25 Jahre zugrunde:

Dazu gehört das Scheitern der US/NATO-Aggression gegenüber dem Irak und Afghanistan. Des Weiteren sind neoimperialistische Kräfte zum Beispiel aus der Türkei oder auch aus Saudi-Arabien oder Katar in den Kampf zur Neuaufteilung der Welt eingetreten. Diese neuen Kräfte bedienen sich oft islamistisch verbrämter Terrororganisationen und treten nicht selbst unmittelbar in Erscheinung. Nicht zuletzt kämpfen in den kurdischen Gebieten seit Jahrzehnten die Befreiungsorganisation der PKK und die mit ihr verbündeten YPG/YPJ, die eine große Verankerung unter den Massen haben.

Scheinbar bekämpfen die Imperialisten den islamistisch-faschistischen Terror des sogenannten „Islamischen Staates“ (IS) mit Bombenabwürfen. Gleichzeitig unterstützen sie die von der Türkei vorgeschlagene Pufferzone zwischen Syrien und der Türkei, die genau im Gebiet von Kobanê liegt. Damit ist auch die autonome Selbstverwaltung der Kurden in großer Gefahr.

Es ist von besonderer Bedeutung, dass die kurdische Befreiungsbewegung zum Bestandteil der internationalen, revolutionären und Arbeiterbewegung wird. Gleichzeitig verdient ihr heldenhafter Kampf die volle Solidarität aller Revolutionäre und der internationalen Arbeiterbewegung. Um diese beiden Seiten miteinander zu verknüpfen, wurde von der MLPD ein Solidaritätspakt der ICOR mit der kurdischen Befreiungsbewegung vorgeschlagen, der nicht einfach einer einseitigen internationalen Solidaritätslinie folgt. Die MLPD hat inzwischen ein umfangreiches Konzept ihrer Solidaritätsarbeit beschlossen: So die Organisierung einer Geld- und Material-Spendensammlung für medizinische Gerätschaften und Medikamente. Außerdem wird sie sich an einer internationalen Brigade zum Wiederaufbau von zerstörter Infrastruktur durch die kriegerische Auseinandersetzung beteiligen. Für die MLPD steht die Solidarität mit dem kurdischen Befreiungskampf in enger Verbindung damit, auch ihre revolutionäre Migrantenarbeit zum festen Bestandteil der Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, der Jugend-, Frauen-, Umwelt- sowie der Wohngebietsarbeit zu machen.

Deshalb wird das nächste Pfingstjugendtreffen auch in besonderer Weise von der Solidarität mit dem kurdischen Befreiungskampf geprägt sein.

Gerade bei der Massendemonstration am 10. Oktober in Düsseldorf und auch bei der Teilnahme an vielen anderen Aktivitäten hat sich die MLPD als verlässliche Bündnispartnerin des kurdischen Befreiungskampfes verankern können. Umgekehrt hat sich inzwischen eine Reihe von Migranten kurdischer Herkunft unserer Partei angeschlossen. Das ist eine positive Entwicklung, die weitergetrieben werden muss. Das gilt besonders für die immer engere Verbindung zwischen dem kurdischen Befreiungskampf mit der internationalen revolutionären und Arbeiterbewegung.

Bei der Demonstration am 6. Dezember in Köln gegen das PKK-Verbot gab es massive Ausgrenzungsversuche von den Veranstaltern gegen die MLPD. Was ist da passiert?

Es war etwas verwunderlich, dass die Demonstration nicht die geplante Bedeutung bekommen hat, wie es noch im November mit den kurdischen Organisationen vereinbart war. Stattdessen hatten Trotzkisten und autonome Gruppen sich die Führung dieser Demonstration angeeignet und die Kurden selbst spielten kaum noch eine Rolle. Es waren auch relativ wenig kurdische Teilnehmer auf der Demonstration. Ob das etwas mit den staatlichen Einschüchterungsversuchen und dem zwischenzeitlichen Verbot der Demonstration zu tun hatte, können wir an dieser Stelle nicht beurteilen. Fakt war, dass die Führung durch kleinbürgerliche Kräfte sofort zu einer merkwürdigen Ausgrenzungspolitik gegenüber der MLPD geführt hat. Ausgehend von Trotzkisten, Anarchisten, sogenannten „Antideutschen“ und weiteren „Autonomen“ bzw. von ihnen beeinflussten Kräften wurde versucht, MLPD und REBELL aus antikommunistischen Motiven aus der Demonstration zu drängen bzw. ihre eigenständige Agitation und Propaganda zu verbieten. Dazu wurde sogar die Polizei bemüht.

Es ist eine sehr negative Erscheinung, dass in die Kurden-Solidarität auch liquidatorische Elemente eingedrungen sind und versuchen, sachfremde Auseinandersetzungen auf dem Rücken der Solidarität mit dem kurdischen Befreiungskampf auszutragen. Das ist völlig unakzeptabel. Ausgerechnet bei einer Demonstration gegen die Kriminalisierung von Revolutionären aus antikommunistischen Gründen die MLPD auszugrenzen ist eine einzige Farce.

Die Krise der Autonomen in Deutschland hat andererseits inzwischen unter vielen Jugendlichen zu einer Suche nach einer gesellschaftlichen Alternative geführt. Dieser positive Aspekt wird von der MLPD wahrgenommen und wir treten mit diesen Jugendlichen in die Diskussion. Eine Anpassung oder Unterordnung unter anarchistisches und trotzkistisches, unübersehbar vom modernen Antikommunismus beeinflusstes Gebaren wird es allerdings von unserer Seite aus nicht geben.

Polarisiert die Flüchtlingsfrage nicht die gesellschaftliche Auseinandersetzung?

Sicherlich. Die sogenannte „Pegida-Bewegung“ ist ein Sammelbecken offen neofaschistischer Kräfte wie der NPD, dubioser Terrorbewegungen wie der „HogeSa“ und faschistoider und ultrareaktionärer Organisationen wie der AfD. In Dresden gelingt es ihnen momentan, wöchentlich Tausende mit einer üblen Demagogie auf die Straße zu bringen. So warnen sie dort vor „Islamisierung“ – bei einem Anteil muslimischer Menschen von 0,1 Prozent an der Bevölkerung in Dresden! Willkürlich und unsachlich bringen sie die Flüchtlingsfrage mit dem Phänomen des islamistisch begründeten Faschismus in Verbindung, obwohl 99 Prozent der Flüchtlinge damit überhaupt nichts am Hut haben. Sie spielen sich als angeblich „gewaltfreie“ Saubermänner auf, obwohl viele ihrer Führer bekannte Kriminelle sind und die Faschisten in Deutschland seit 1990 über 120 Menschen umgebracht haben. Sie geben sich kritisch gegenüber dem „Establishment“, stempeln aber Ausländer zu Sündenböcken einer bürgerlichen Politik, die sich rein an den Monopolinteressen orientiert. Es ist skandalös, wenn bürgerliche Politiker wie Innenminister de Maizière diese Volksverhetzung als völlig normale „Sorgen aus der Mitte der Gesellschaft“ rechtfertigen. Das Aufkommen dieser neuen reaktionären und faschistoiden Bewegung im Gewand des „normalen Bürgers“ muss ernst genommen und die Auseinandersetzung mit ihrer üblen Demagogie geführt werden.

Neu ist allerdings, dass es unter den Massen eine bislang nicht gekannte Welle der Unterstützung und Solidarität mit Flüchtlingen gibt. Viele Einrichtungen können sich vor Hilfsangeboten kaum retten. Kein Aufmarsch der Faschisten wird nicht von engagierten Gegendemonstranten bekämpft. Seit Anfang Dezember demonstrierten sicherlich 50.000 Menschen aus Solidarität mit Flüchtlingen, gegen Pegida und Co., für das Verbot aller faschistischen Organisationen und ihrer Propaganda und gegen die reaktionäre Flüchtlingspolitik der Regierung – erheblich mehr, als auf Seiten der Nazis und Ultrarechten auf die Straße gehen.

Diese gesellschaftliche Polarisierung dürfte kein vorübergehendes Phänomen bleiben. Dazu trägt bei, dass die zunehmende Krisenhaftigkeit des Imperialismus die weltweiten Flüchtlingsströme anwachsen lassen wird. Wir verteidigen und fordern dabei das Recht auf Asyl für alle Unterdrückten und den Schutz der Flüchtlinge. Wir machen aber auch deutlich, dass sich das weltweite Migrationsproblem positiv nur in vereinigten sozialistischen Staaten der Welt lösen lässt.

Das ZK hat Ende September einen Kritik-Selbstkritik-Aufruf an die Organisation herausgegeben, sozusagen als Leitlinie der Vorbereitung des X. Parteitag der MLPD. Um was geht es dabei?

Seit ihrer Parteigründung führt die MLPD eine Kritik-Selbstkritik-Bewegung zur Partei der Massen durch. Kritik und Selbstkritik ist das Entwicklungsgesetz der MLPD, das systematisch angewendet werden muss, um Partei der Massen zu werden. Kritik-Selbstkritik-Kampagnen bedeuten in der Geschichte der MLPD immer einen besonderen Konzentrationspunkt für die ganze Organisation, um bestimmte Anforderungen an die Partei zu lösen. Um was geht es diesmal?

Mit der Herausgabe der Bücher „Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution“ und „Katastrophenalarm! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?“ haben sich die strategischen Ziele der MLPD erweitert. Eine solche Strategieerweiterung einer proletarischen Partei ereignet sich nicht alle Tage, sondern ist eine sehr weitreichende Veränderung. Natürlich bleibt das allgemeine strategische Ziel weiterhin die Vorbereitung und Durchführung der internationalen proletarischen Revolution zum Sturz des Imperialismus und dem Aufbau des Sozialismus. Diese Aufgabenstellung muss heute aber in doppelter Hinsicht erweitert werden: Erstens müssen wir Verantwortung für die internationale sozialistische Revolution übernehmen, was eine neue Qualität des proletarischen Internationalismus erfordert. Das manifestiert sich heute in der Mitarbeit in der ICOR, in den 250 bilateralen Beziehungen der MLPD, ihrer intensiven Zusammenarbeit in überparteilichen internationalistischen Projekten wie der internationalen Bergarbeiter- oder der Weltfrauenkonferenz. Zum anderen muss sich die proletarische Revolution und der Aufbau des Sozialismus heute auf die Lösung der sozialen und der ökologischen Frage beziehen! Deshalb heißt die Kritik Selbstkritik-Kampagne zum X. Parteitag: „Erkämpfen wir die Selbstveränderung von MLPD und REBELL mit der neuen umweltpolitischen Aufgabenstellung“. Diese Selbstveränderung berührt nicht ein einzelnes Ressort, sondern bezieht sich auf das gesamte System der Kleinarbeit und der Leitungstätigkeit in allen Seiten.

Immer, wenn neue Aufgaben anstehen, gibt es viel zu lernen. Zugleich müssen wir die revolutionäre Wachsamkeit erhöhen, weil neue Aufgaben immer auch Fehlerquellen mit sich bringen, die von Anfang an minimiert und möglichst vermieden sowie Fehlentwicklungen korrigiert werden sollen. Die Kritik-Selbstkritik-Kampagne ist eine geeignete Methode des systematischen Lernens in einer schöpferischen Atmosphäre.

Jede Organisationseinheit, jede Leitung diskutiert den Aufruf und verwirklicht ein Programm der Selbstveränderung. Sein wichtigster Inhalt ist eine perspektivische Sicht, wie sich die Arbeit verändert, was dafür zu lernen ist, wie die Mitglieder und Freunde entwickelt und ausgebildet werden und wie dieser ganze Prozess sich mit der nachhaltigen Durchbrechung der relativen Isolierung der MLPD verbindet.

 

Für den Perspektivarbeitsplan 2015 wurde als Leitfaden die Stärkung der MLPD formuliert. Was hat das zu bedeuten?

 

Die MLPD wächst in eine neue gesellschaftliche Rolle hinein und an unsere Mitglieder werden von vielen Seiten hohe Erwartungen gerichtet. Ihre Kräfte haben damit aber nicht in angemessener Weise Schritt gehalten. Die Lösung dieses Widerspruchs duldet keinen Aufschub. Die Arbeiterbewegung hat in ihrer Geschichte und auch international nicht nur einmal die bittere Erfahrung gemacht, dass ganze Parteien von gesellschaftlichen Entwicklungen überrollt oder geschwächt werden, wenn sie ihre Kräfte nicht ausreichend quantitativ und qualitativ stärken oder rechtzeitig den Generationswechsel vorbereiten.

Deshalb konzentrieren wir uns das ganze nächste Jahr auf die allseitige Stärkung von MLPD und REBELL. Das steht natürlich in enger Verbindung mit unseren Aufgaben im Klassenkampf. Allseitige Stärkung bedeutet nicht nur, dass wir in jeder Tätigkeit eine systematische Mitgliedergewinnung verwirklichen. Sie umfasst unter anderem auch die ideologisch-politische und finanzpolitische Stärkung, die Forcierung des Generationswechsels und die Festigung des Systems der Kleinarbeit. Dazu gehört auch, dass wir die Dialektik von systematischem Parteiaufbau und Förderung der Selbstorganisationen der Massen höherentwickeln.

Wir stellen zum Beispiel momentan deutliche Defizite in der positiven Gewerkschaftsarbeit fest. Auch die Stärkung von überparteilichen Organisationen wie Courage oder der neuen Umweltgewerkschaft muss von der Partei systematisch unterstützt werden. Denn sie sind Ausdruck eines wichtigen Bewusstseinsschritts unter den Massen.

Nicht zuletzt ist auch unsere Arbeit in und bezüglich der überparteilichen Hilfsorganisation Solidarität International noch nicht allseitig genug entwickelt. Es wird gemeinhin unterschätzt, dass auch die internationale Solidaritätsarbeit eine Organisationsform braucht, in der sich das internationalistische Bewusstsein systematisch entwickeln kann.

Bisher laufen Initiativen zur Stärkung der Partei noch eher nebenher oder werden manchmal auch – beeinflusst von der kleinbürgerlich-antikommunistischen Denkweise – etwas defensiv angegangen bzw. dem konkreten Auf und Ab des Tageskampfs geopfert.

Gerade in Zeiten vieler Aktivitäten, Demonstrationen usw. entsteht immer die Gefahr, vor lauter Aktivitäten das System der Kleinarbeit aufzulösen. Aber nur eine Aktivität, die eingebettet ist in das System der Kleinarbeit und auf der Basis des Systems der Kleinarbeit stattfindet, kann zur Stärkung der Partei und der revolutionären Kräfte sowie der Wechselwirkung mit den Selbstorganisationen der Massen führen. Deshalb ist der Bezugspunkt zum System der Kleinarbeit von besonderer Bedeutung.

Der wichtigste Motor in der Stärkung der MLPD ist die marxistisch-leninistische Massentaktik im Parteiaufbau: unsere Jugendarbeit. Hier wurden in den vergangenen Jahren wichtige Fortschritte gemacht. Der REBELL hat an Ausstrahlung gewonnen und es haben sich in der Partei auch eine Menge von Aktivisten herausgebildet, denen die Jugendarbeit besonders am Herzen liegt. Trotzdem beobachten wir auch, dass in einer Reihe von Orten und Leitungen der Jugendarbeit nicht genügend Bedeutung beigemessen wird. Das ist perspektivlos und verkennt, dass nach wie vor die nachhaltige Stärkung der Partei vor allem über die Jugendarbeit passieren muss.

Die Jugend ist aufgeschlossen, noch wenig eingefahren und noch am wenigsten von dieser bürgerlichen Gesellschaft und schlechten Gewohnheiten geprägt. Zugleich ist die Jugend auch komplex und voller Widersprüche, vor denen nicht wenige bürgerliche Pädagogen kapitulieren. Wir haben mit unserer Parteikultur, den vielfältigen Kampferfahrungen unserer Genossen, unserer Literatur, unserer Praxis und unserem Jugendverband alle Möglichkeiten, aus dieser Widersprüchlichkeit neue revolutionäre Potenziale unter der Jugend zu entfachen. Doch dafür muss man sich auch voll rein begeben und mit revolutionärem Selbstbewusstsein und dem vollen Vertrauen in die Jugend eine fundierte Auseinandersetzung führen, sie ausbilden, erziehen und auch ihre Initiativen aufgreifen und fördern.

Besonders auf Gruppenebene haben viele neue, junge Rebellen Verantwortung übernommen. Diese müssen von der Pike auf ihr Handwerkszeug lernen, mit flotten Sprüchen ist dieser komplexen Arbeit nicht beizukommen. Auch haben einige Wohngebietsgruppen die Unterstützung der Rotfuchs-Arbeit an den Rand gedrängt, was sich ändern muss.

Die MLPD als Partei der Zukunft hat Verantwortung für die Jugend! Ohne in der organisationspolitischen Stärkung wirklich den Schwerpunkt auf die Jugendarbeit zu legen, wird unsere Aufgabe der Stärkung der MLPD nicht erfolgreich sein können. Jede Aufgabe, die wir in diesem Jahr anpacken, muss in einem besonderen Maße mit der Frage verbunden sein, wie wir damit die Jugendarbeit unserer Partei weiterentwickeln bzw. den Rebellen helfen können, ihre Entwicklung zur Massenorganisation der rebellischen Jugend voranzutreiben.

Auch auf den Prozess des Übergangs von rebellischen Jugendlichen zu Marxisten-Leninisten muss ein besonderes Augenmerk gelegt werden. Die erfolgreiche Jugendarbeit ist der Ausgangspunkt und die Massenbasis für den Generationswechsel in der Partei in den nächsten Jahren.

Der verbreitete Jugenddünkel macht einen richtigen Kult um typische jugendliche Stärken und Schwächen – und führt so zu dem konservativen Schluss, dass die Jugend sich nicht zu verändern brauche. Das ist auch eine Widerspiegelung der kleinbürgerlich-pädagogischen Tendenz in der Parteiarbeit. Im Fertigwerden mit dem Jugenddünkel und der Bereitschaft, sich selbst zu verändern und alles Nötige zu lernen, steht und fällt der Erfolg des Generationswechsels.

Im November fand die letzte Sitzung des Zentralkomitees im Jahr 2014 statt. Was war das Ergebnis?

Mit der Halbzeitbilanz des 9. ZK wurde die unmittelbare Vorbereitung des X. Parteitags eingeleitet. Nach dem IX. Parteitag haben ja viele, vor allem junge Genossinnen und Genossen neue Aufgaben übernommen und mussten sich einarbeiten. Das stellte sich manches Mal als komplizierter heraus als gedacht. Denn ein Mitglied des Zentralkomitees hat nicht nur seine Spezialaufgabe, sondern immer Verantwortung für die Gesamtführung von Parteiaufbau und Klassenkampf! Das ist heutzutage ein äußerst komplexer Prozess. Die meisten unserer Genossinnen und Genossen sind Arbeiter, berufstätig und stehen an ihren Orten vorne dran in der Kleinarbeit. Das ZK-Plenum war verbunden mit einem sehr produktiven integrierten ZK-Seminar zu den heutigen Anforderungen an das wissenschaftliche Arbeiten. Im Zentrum der Kritik stand dabei ein Einfluss der kleinbürgerlich-positivistischen Methode in der Analyse, der Aufgabenbestimmung oder auch der Streitkultur. Diese Methode beschränkt sich auf einzelne Fakten, die Beschreibung von Problemen ohne tiefere beziehungsweise allseitige Zusammenhänge zu sehen. Damit ist es unmöglich, gründlich die objektive Entwicklung, das Klassenbewusstsein und die Zusammenhänge im erweiterten System unserer Kleinarbeit zu erkennen und perspektivische Schlüsse zu ziehen. Der Positivismus der bürgerlichen Wissenschaft behauptet, dass man nur Erscheinungen beschreiben, nicht aber tiefere Ursachen und Gesetzmäßigkeiten erkennen kann. Nur die einzelnen Fakten und Arbeitsergebnisse zu betrachten, bleibt an der Oberfläche. Viel wichtiger ist es, warum und wie sie in welchem Zusammenhang zustande gekommen sind.

Die bürgerliche Ideologie des Positivismus wirkt heute über die Mittel und Methoden der modernen Massenmedien und -kommunikation sehr prägend auf die Massen ein. Typisch ist zum Beispiel die „Tagesschau“, bei der in einer knappen Viertelstunde durchschnittlich bis zu 120 Informationen auf den Zuschauer einströmen. Man bekommt dabei das Gefühl, informiert zu sein, und weiß trotzdem nicht, was auf der Welt passiert und vor allem warum das so ist.

Die kleinbürgerlich-positivistische und kleinbürgerlich-negativistische Denkweise wirkt aber nicht nur in die Massen, sondern auch in die Partei hinein. Sie fördert in der Partei die Anbetung der Spontaneität, das Gegenprogramm gegen die Lehre von der Denkweise mit der bewussten Anwendung der dialektischen Methode in allen Aufgaben. Wir müssen dieses Problem in der nächsten Nummer des Theoretischen Organs REVOLUTIONÄRER WEG allseitig behandeln. Er wird den Titel haben: „Die Krise der bürgerlichen Ideologie und die Lehre von der Denkweise“.

Auf der Grundlage dieser bedeutenden weltanschaulichen Diskussion hat das ZK-Plenum sehr schöpferisch gearbeitet: Erstmals konnten wir den ganzen Krisenzyklus seit 2008 analysieren. Aus der Erarbeitung einer dialektischen Organisationsanalyse zogen wir schöpferische Schlussfolgerungen für die verbesserte Anleitung und Kontrolle sowie die Festigung und Erweiterung unseres Systems der Kleinarbeit. Für das ZK haben wir eine wichtige Phase der Konsolidierung und Stabilisierung beschlossen. Sie bezieht sich auf die Erarbeitung des Rechenschaftsberichts an die Partei ebenso wie auf die Konzipierung der Arbeit der Partei 2015.

Welchen Ausblick und welche Aufgaben siehst du für das Jahr 2015?

Auch das Jahr 2015 wird viele Unwägbarkeiten in der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung mit sich bringen. Wir werden darauf flexibel eingehen, aber uns davon nicht den Takt diktieren lassen. Unser klarer Zukunftskurs ist ausgerichtet auf unsere neue umweltpolitische Aufgabenstellung, die Entwicklung der Arbeiteroffensive, unsere marxistisch-leninistische Jugendarbeit als Massentaktik des Parteiaufbaus und die entschiedene Förderung des Generationswechsels. Schon heute werden so viele Erwartungen, Bedürfnis nach Beratung und Wunsch nach gemeinsamem Handeln aus der kämpferischen Opposition und der internationalen Bewegung an uns herangetragen, dass wir dem in der bisherigen Stärke gar nicht gerecht werden können.

Vielen Dank für das Interview!

Quellen:

1 IPCC – Synthesebericht

2 Tagesschau Online, 5. 12.

3 Koalitionsvertrag S. 106

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