Daimler Düsseldorf: Wie ist das „Verhandlungsergebnis“ zu beurteilen?

Bereits am 11. Dezember wurde zwischen Betriebsrat und Werkleitung bei Daimler Düsseldorf ein sogenanntes „Eckpunktepapier“ unterzeichnet. Ausgangspunkt war, dass Daimler zur Ausweitung seiner Marktanteile in Übersee die Transporter-Produktion neu organisiert und dazu ein neues Werk in den USA plant. Zusammen mit der Beendigung der Auftragsproduktion für VW stellt das in Düsseldorf eine ganze Produktionsschicht und damit rund 1.800 Arbeitsplätze auf die Abschussliste. Die Belegschaft hat diese Auseinandersetzung offensiv angenommen, eine stürmische Betriebsversammlung und einen 24-stündigen Streik organisiert. In der Belegschaft findet eine intensive Diskussion statt: Wer kann den Kampf um jeden Arbeitsplatz führen, wie muss er geführt werden, welche Rolle spielt die IG Metall und muss sie spielen …

Düsseldorf (Korrespondenz): Die Betriebsrats- und IG-Metall-Spitze hat ihre Taktik umgestellt und auf lähmende und zermürbende „Verhandlungen“ orientiert. Gleichzeitig muss­ten sie dem Kampfwillen der Belegschaft immer wieder Raum schaffen, sodass in dieser Zeit mindestens 15 Arbeits­niederlegungen stattfanden, von ein paar Handvoll bis hin zu über 1.200 Kolleginnen und Kollegen. Sie wurden oft als „Betriebsratsinformationen“ bezeichnet, waren zum Teil aber von Kollegen und Vertrauensleuten selbst organisiert. Von führenden Betriebsräten wurde immer versucht, sie als „Unterstützung für unsere Verhandlungen“ zu vereinnahmen. Am Montag, den 15. Dezember wurde die Belegschaft über die Vereinbarung informiert. Ganz bewusst wurden die einzelnen Ergebnisse und Klauseln vom stellvertretenden Betriebsrats­vor­sitzenden Helmut Bauer dermaßen schnell „durchgepeitscht“, dass kaum ein Kollege sie wirklich gründlich aufnehmen und verarbeiten konnte.

Das Ergebnis und die gesamte Vorgehensweise drückt das Dilemma des Daimler-Vorstands aus: Einerseits will erzwecks Erreichung seines Ziels, die Nummer eins der weltweiten Autobauer zu werden, die Belegschaft massiv angreifen, die Ausbeutung und Flexibilisierung verschärfen und massiv Arbeitsplätze vernichten. Andererseits braucht er die Belegschaft, die 2015, 2016 und 2017 insgesamt 147 Sonderschichten (Samstage) arbeiten soll.

Entsprechend enthält die Vereinbarung auch reale Zugeständnisse an die Belegschaft (kein weiteres Outsourcing in Produktion und Logistik bis 2020, leichte Erhöhung der Ausbildungsplätze), aber vor allem „Zusicherungen“, die angeblich die „Zukunftsfähigkeit des Werks“ sichern sollen. So dass Düsseldorf bis 2020 weiterhin einen Teil der Fahrzeuge für den amerikanischen Markt baue. Außerdem, dass das Düsseldorfer Werk die restlichen Märkte (Europa, Asien, Afrika, Australien) auch nach 2020 komplett bedient.

Offiziell beziffern Vorstand und Betriebsrat die geplante Arbeitsplatzvernichtung „unter heutig bekannten Prämissen“ auf 665 Stellen der Stammbelegschaft. Mit einem Abfindungsprogramm sollen schon ab 2015 Hunderte „Freiwillige“ gefunden werden, welche dann direkt durch Leih­arbeiter ersetzt werden. Der Vertrag enthält die merkwürdige Klausel, dass sich Werkleitung und Betriebsrat in drei Jahren zu weiteren Verhandlungen treffen „mit dem Ziel, diese Zahl nicht zu überschreiten“. 

Zu Recht nannte ein Kollege die Zusage des Verzichts auf „betriebsbedingte Kündigungen bis 2020“ eine „Beruhigungspille“. Denn mit der Klausel, dass die Vereinbarung nur bei einer „stabilen wirtschaftlichen Situation“ und den eintreffenden „Marktprognosen“ gilt, ist die Vereinbarung für die Belegschaft so sicher wie eine Sandburg nahe am Wasser.

Insgesamt hat in den letzten Monaten ein massiver Vertrauensverlust als Ausdruck eines gewachsenen Klassenbewusstseins eingesetzt. Viele Kolleginnen und Kollegen sehen Parallelen zu Opel Bochum. Die wenigsten glauben daran, dass dadurch irgendetwas „sicher“ ist. Auf allen drei Betriebsversammlungen sprachen kämpferische Kollegen, die das Ergebnis als faulen Kompromiss ablehnten und kritisierten.

Auf der Spätschicht-Versammlung sagte ein Kollege: „Die Kräfte, die bereit waren, mit Kollegen an anderen Standorten gemeinsam um die Arbeitsplätze zu kämpfen, waren noch zu wenige. Aber es sind mehr geworden. Und es werden noch mehr. Weil ich denen hier (zeigt auf die Werkleitung) überhaupt nicht traue.“ Die Auseinandersetzung geht auf jeden Fall weiter.

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