Polens Bergarbeiter gehen in die Offensive – gegen Zechenstilllegungen und politische Maßregelung

In Polen gehen die Streiks der Bergarbeiter nach einer Urabstimmung unter den Bergleuten der Bergwerksgesellschaft JSW (Jastrzebska Spólka Weglowa SA) mit rund 26.000 Beschäftigten in eine neue Runde.

Die überwiegende Mehrheit – über 98 Prozent von 18.700 teilnehmenden Kumpel – sprachen sich dabei für die Fortführung des bereits zuvor begonnenen Streiks aus. Auf allen fünf Zechen von JSW wird nun unter Tage gestreikt. Am 3. Februar demonstrierten rund 5.000 Kumpel vor dem Hauptsitz des Unternehmens in Jastrzebie-Zdrój (Oberschlesien). Es gab harte Auseinandersetzungen mit der Polizei, die mit Gummigeschossen auf die Bergleute schoss. Diese wollen nun auch zu Straßenblockaden übergehen.

Bereits in den Monaten zuvor weitete sich der Kampf der polnischen Bergleute gegen Zechenschließungen und gegen die Folgen der Privatisierung von Zechen wellenartig aus:

Am 24. September letzten Jahres traten 25 der insgesamt 165 Bergleute der Zeche Juliusz Kazimierz in einen unbefristeten Untertage-Streik. Die Zeche sollte Ende September 2014 geschlossen werden und die Kumpel forderten die Nachzahlung immer noch ausstehender Löhne. Die Frauen un­terstützten ihre Männer und zogen mit Transparenten aufs Zechengelände. Am gleichen Tag blockierten rund 200 Bergleute den Eisenbahnübergang Braniewo nach Russland, um den Import russischer Kohle nach Polen zu verhindern. Am Abend kamen noch weitere Bergleute dazu, um die Blockade zu unterstützen. Der Streik einer kleinen Belegschaft wurde damit zum Auslöser einer wachsenden Streikbewegung, die immer mehr auch die großen Bergbaubetriebe erfasste. Bei Juliusz Kazimierz wurde die vollständige Auszahlung der ausstehenden Löhne durchgesetzt, die Schließung der Zeche wurde zunächst um ein Jahr hinausgeschoben. Diese Entwicklung war Ergebnis der Verarbeitung zahlreicher Kampferfahrungen der letzten Jahre und Jahrzehnte. Das wird nun durch weitgehende Angriffe der Kohleunternehmen herausgefordert. Fertig werden müssen die Bergarbeiter mit einer kleinbürgerlich-nationalistischen Ausrichtung durch die Führung der Gewerkschaft „Solidarnosc“. Sie orientiert auf die Konkurrenz gegenüber den russischen und ukrainischen Kumpel, statt mit ihnen gemeinsam zu kämpfen.

Bei der größten Bergwerksgesellschaft der EU – der staatlichen Kompania Weglowa mit 14 Bergwerken und 64.000 Beschäftigten – begann am 9. Januar der Streik auf vier Schachtanlagen gegen deren Schließung. Er dehnte sich rasch aus – am 15. Januar befanden sich alle 14 Zechen im Untertage-Streik. Verbunden war das unter anderem mit Blockaden und Demonstrationen von über 10.000 Menschen in der Stadt Bytom. In Meinungsumfragen unterstützen 68,5 Prozent aller Menschen in Polen den Streik. Mit der Ausdehnung des Streiks setzten sich die Kumpel bewusst über die Erpressung mit der Drohung der Pleite ihrer Zechengesellschaft hinweg.

In der Nacht vom 17. auf den 18. Januar „einigte“ sich die polnische Regierung mit Vertretern der Gewerkschaft „Solidarnosc“ auf einen „Kompromiss“, der sehr den Methoden der sogenannten „Sozialpartnerschaft“ aus Deutschland ähnelt: Die vier Zechen werden nicht geschlossen, die unmit­telbare Entlassung von 3.100 Kumpeln ist vom Tisch. Jedoch sollen 47.500 Bergleute mit Auslagerungen, Verlegung in Untergesellschaften und Abfindungen von 15 Monatsgehältern gehen. Für dieses Diktat will die Regierung eine halbe Milliarde Euro locker machen. Ein polnischer Kumpel kommentierte das auf der Website der Gewerkschaft „Solidarnosc“ so: „Kein Problem ist gelöst. Das ist eine Vereinbarung, in der der Steuerzahler blechen muss und die neuen Investoren am Melken sind.“ Ein anderer: „Wie üblich sollen Abfindungen gezahlt werden, um die Proteste der Kumpel abzuwürgen. Wenn jetzt von der Senkung der Produktionskosten die Rede ist, dann ist die Pathologie klar: Der Bergmann soll verzichten, während sich andere fett sanieren!“

Kaum war der faule Kompromiss durchgesetzt, kündigte die nächste staatliche Bergwerksgesellschaft JSW alle Vereinbarungen über Löhne und Sozialleistungen. Dazu gehören „selbst die banalsten Dinge wie Seife zum Waschen“, wie der Bergarbeiter Krzyzstof Labadz – polnischer Delegierter auf der erste Internationalen Bergarbeiterkonferenz 2013 in Peru – an die Bergarbeiterbewegung „Kumpel für AUF“ in Deutschland schrieb. Um die Kumpel einzuschüchtern, wurde zehn kämpferischen Gewerkschaftern der Grube „Budryk“ politisch gekündigt. Darunter auch Krzyzstof Labadz. Sie hatten einen Solidaritätsstreik gegen die Schließungen bei der Kompania Weglowa organisiert. Der Vorstand der JSW will sie mit der wahrheitswidrigen Unterstellung, sie hätten die Sicherheit unter Tage gefährdet, kriminalisieren!

Streik gegen Folgen reaktionärer Energiepolitik

Damit rücken inzwischen poli­tische Fragen und Forderungen immer mehr in den Vordergrund. Der Kampf der polnischen Bergarbeiter hat landesweiten Umfang angenommen und ermutigt Arbeiter in anderen Branchen, aber z. B. auch die Bauern (siehe Seite 3) zum Kampf. Er richtet sich direkt gegen die Energiepolitik der EU und der polnischen Regierung, die in Europa eine Vorreiterrolle beim aggressiven Ausbau der Kohleverbrennung, der Atomkraft und des Fracking übernommen hat. Die Schließungspläne in Polen sind Bestandteil der EU-Pläne zur europaweiten Stilllegung des Steinkohlebergbaus. Gleichzeitig hat Polens Regierung bereits über 100 Konzessionen für Fracking-Probebohrungen erteilt. Fracking führt zu zahllosen Umweltzerstörungen wie Vergiftung der Wasserreserven durch das Einpressen von Chemikalien und Zerstörung der Erdkruste durch eine Vielzahl von Bohrungen. Bauern und Umweltaktivisten in Polen haben Bohrtürme und Fracking-Bauplätze besetzt und so bereits einige Fracking-Vorhaben erfolgreich verhindert. Die Zechenstilllegungen sollen gerade auch wegen dem geplanten Einstieg in das Fracking beschleunigt werden. Das fordert die Bergarbeiter heraus, den Kampf für ihre sozialen Belange bewusst mit dem Kampf für die Rettung der Umwelt zu verbinden und auch im Umweltkampf eine führende Rolle einzunehmen.

Ihr Kampf trifft nicht zuletzt auf eine brisante Entwicklung für die ganze EU. Nachdem in Griechenland mit der Wahl von Syriza breite Teile der Bevölkerung dem Diktat der EU eine Absage erteilten und in Spanien Hunderttausende gegen die Kürzungspolitik der Regierung und der EU demonstrierten, erheben mit den polnischen Bergleuten die Industriearbeiter als gut organisierte Kraft ihr Haupt. Davon kann in dieser Situation ein wichtiges Signal ausgehen.

Historische Erfahrungen der polnischen Bergleute

Krzyzstof Labadz schreibt: „So eine Entschlossenheit gab es das letzte Mal im Jahr 1980, als wir für unsere Freiheit kämpften. Jetzt sagen die Bergleute: ,Kämpfen wir für unser Leben, die Freiheit wurde von unseren Vätern erkämpft‘.“ Damit sind die Massenstreiks der polnischen Arbeiter für wirtschaftliche und politische Forderungen im Sommer 1980 gemeint. Sie wendeten sich gegen die damals herrschenden bürokratischen Kapitalisten, die den Sozialismus verraten hatten, die sozialistische Fassade aber aufrecht erhielten, um unter diesem Deckmantel die Ausbeutung und Unterdrückung der Arbeiterklasse wieder einzuführen und zu verschärfen. In Massenstreiks mit um die zwei Millionen Arbeitern setzten diese Lohnerhöhungen und weitere soziale Zugeständnisse, insbesondere die Zulassung der unabhängigen Gewerkschaft „Solidarnosc“ und ein Streikrecht durch.

Mit der Verhängung des Kriegsrechts und einer sozialfaschistischen Diktatur unter General Wojciech Jaruzelski von 1981 bis 1983 wurde der Aufstand der polnischen Arbeiter blutig unterdrückt. Gegen die kämpfenden Bergleute in Oberschlesien wurden Panzer aufgefahren, die Streikführer wurden erschossen. Die Gewerkschaft „Solidarnosc“ wurde verboten und die erkämpften Rechte wieder rückgängig gemacht. Auch das half den bürokratischen Kapitalisten nur kurze Zeit. Die Arbeiterkämpfe in Polen markierten den Anfang vom Ende ihrer Herrschaft. Mit dem endgültigen Bankrott des bürokratisch-kapitalistischen Systems im Ostblock wurde auch in Polen der Übergang zum Kapitalismus westlicher Prägung vollzogen.

Dass damals nicht der Sozialismus, sondern der Verrat am Sozialismus scheiterte – das gründlich zu verarbeiten, ist eine Kernfrage für die Höherentwicklung des Klassenbewusstseins und der Kämpfe der polnischen Arbeiterklasse. Dazu muss sie mit der aggressiven antikommunistischen Unterdrückungspolitik des polnischen Staates fertig werden. Seit dem 14. Juni 2010 ist in Polen Gesetz, dass eine „allgemein-kommunistische Meinung“ als „strafrechtliche Tat“ verfolgt werden kann. Selbst das Tragen von Che-Guevara-T-Shirts wird mit Strafe bedroht.

Die Arbeiter und breiten Mas­sen brauchen auch in Polen eine marxistisch-leninistische Partei, die ihnen hilft, den aggressiven und modernen Antikommunismus zu durchschauen und teilweise noch tiefsitzende antikommunistische Vorbehalte zu überwinden. Eine solche revolutionäre Partei ist genauso notwendig als Kampfstab, um Kämpfe wie jetzt als Schule des Klassenkampfs mit der Perspektive des echten Sozialismus zu führen. Um den Aufbau solcher Parteien in ganz Europa voranzubringen, unterstützt die MLPD den Aufbau der revolutionären Weltorganisation ICOR.

Europaweite Koordinierung der Kämpfe

Damit die Krisenprogramme der EU-Kommission zu Fall gebracht werden können, ist die länderübergreifende Koordinierung der Kämpfe der Industriearbeiter ausschlaggebend. Sie muss sich gegen das Ausspielen der Bergarbeiter insbesondere Russlands, der Ukraine und Polens durchsetzen. Die MLPD unterstützt dazu den Weg der IMC (Internationale Bergarbeiterkonferenz), in Europa Forderungen und Kampfschritte abzustimmen. Der Aufbau einer länderübergreifenden Kampffront der Bergarbeiter kann auf wichtigen Erfahrungen in Massenstreiks der letzten Jahre wie in Spanien, Rumänien, Bulgarien, Slowenien aufbauen. Die Bergleute mit ihrer hohen Kampfentschlossenheit sind eine „Speerspitze“ der weltweiten Arbeiter- und Massenkämpfe. Ihre Kämpfe führten in den letzten Jahren häufig zu Regierungskrisen und Rücktritten: In Südafrika nach dem Mord an 34 Platinbergleuten in Marikana im Jahr 2012, in Rumänien nach Märschen der Bergleute auf Bukarest wie z. B. 1991. Der Kampf gegen die EU-Pläne zur Stilllegung der Bergwerke bildet eine enge Einheit mit wichtigen umweltpolitischen Zielen wie dem Verbot des Fracking und der Stilllegung aller Atomkraftwerke. Solidaritätserklärungen an die polnischen Kumpel können an die auf der Homepage www.minersconference.org angegebene E-Mail- Adresse von Krzyzstof Labadz (kla@wzz.org.pl) geschickt werden.

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