Nichts Positives am Positivismus

Stefan Engel weist in seinem Interview zum Jahreswechsel auf eine Spielart der bürgerlichen Weltanschauung, den Positivismus, hin. „Der Positivismus der bürgerlichen Wissenschaft behauptet, dass man nur Erscheinungen beschreiben, nicht aber tiefere Ursachen und Gesetzmäßigkeiten erkennen kann. Nur die einzelnen Fakten und Arbeitsergebnisse zu betrachten bleibt an der Oberfläche.“

In dem Buch „Katastrophenalarm!“ wird zur heutigen Rolle des Positivismus ausgeführt: „Weltanschaulich vermengt der Positivismus Idealismus und Materialismus: Er bestreitet nicht die Existenz einer objektiven Realität außerhalb des Geistes, verbreitet jedoch die Auffassung, der Mensch könne die universelle Wirklichkeit nicht erkennen und sie auch nicht schöpferisch gestalten (Agnostizismus)“. (S. 39)

Der Positivismus ist in seiner Geschichte mit dem französischen Philosophen und Soziologen Auguste Comte (1798 bis 1857) als Begründer dieser reaktionären Richtung in der bürgerlichen Ideologie verbunden. Willi Dickhut schreibt: „Die Aufgabe der Wissenschaft sah er in der Beschreibung der Erfahrungstatsachen; er war der Meinung, daß die gesamte Geschichte der Erkenntnis aus der Aufeinanderfolge dreier Zustände oder Methoden des menschlichen Geistes besteht, der theologischen, der metaphysischen und der positiven. Karl Marx und Friedrich Engels unterwarfen die reaktionären Anschauungen Comtes, die einen bedeutenden Einfluß auf die weitere Entwicklung der bürgerlichen Philosophie ausübten, einer scharfen Kritik.“1

Das Aufkommen dieser bürgerlichen Weltanschauung war im 19. Jahrhundert von Beginn an gegen den dialektischen Materialismus und die revolutionäre Arbeiterbewegung gerichtet. „Positivisten“ (auch Comtisten genannt) bildeten eine sehr kleine Gruppe in der entstehenden wie erstarkenden Arbeiterbewegung. Sie beteiligten sich an der internationalen Arbeiterorganisation2 und Karl Marx schreibt zu ihrem Wirken: „Es gibt unter uns Positivisten, und es gibt Positivisten, die nicht unserer Organisation angehören, aber ebenfalls tätig sind. Doch ist dies keineswegs das Verdienst ihrer Philosophie, die nichts gemein haben will mit den Ideen der Volksmacht, wie wir sie verstehen; ihre Philosophie will nur die alte Hierarchie durch eine neue ersetzen.“3

Politisch vertraten Comte und seine Anhänger eine reaktionäre Richtung: Sie kritisierten zwar Auswüchse und „Missbräuche“ des Kapitalis­mus. Aber nur, um im gleichen Atemzug die „ … ,Ewigkeit‘ der Herrschaft des Kapitals und des Systems der Lohnarbeit (zu) verteidigen.“4

Karl Marx und Friedrich Engels kennzeichneten Comte als Propheten des Kaisertums und damit feudalen Ordnung und Diktatur, als Vertreter einer strengen Hierarchie und Verteidiger der Ungleichheit. Insbesondere in Zeiten revolutionärer Umgestaltung wie der Pariser Kommune 1871 ergriffen die Positivisten Partei für die Ausbeuterklasse.5

Eine Grundthese des Positivismus ist, dass es eh nur möglich sei, Erkenntnisse über klar messbare und quantitative Größenordnungen zu machen. Zusammenhänge, eine bestimmte Qualität, das Wesen einer Sache – all das soll im Verborgenen und unerforschbar bleiben. Im Jahr 1830 schrieb Auguste Comte: „Wir werden niemals in der Lage sein, die chemische Zusammensetzung der Himmelskörper zu studieren. Unsere positive Kenntnis in bezug auf dieselben wird nur auf geometrische und mechanische Phänomene beschränkt sein. Es wird unmöglich sein, auf irgendwelche Weise Untersuchungen über ihre physikalischen, chemischen und anderweitigen Eigenschaften mit in den Kreis der Betrachtung zu ziehen.“ Mit der Methode der Spektralanalyse konnte dagegen gerade mal 30 Jahre später diese „Unmöglichkeit“ nachgewiesen werden, dass die Masse der Sonne aus 47 der bekannten Elemente besteht und damit auch viele Rückschlüsse auf Eigenschaften, innere Zusammensetzung und Wechselwirkung.6

Was also scheinbar im Gewand des Materialismus daherkommt, man könne nur gelten lassen, was sichtbar, fassbar, zählbar sei …, ist in Wirklichkeit Idealismus, da die Fähigkeit, Zusammenhänge, Ursachen, die Eigenschaften und Gesetzmäßigkeiten zu erkennen, damit geleugnet werden.

Der politische Zweck liegt da nicht weit entfernt: Der Kapitalismus verkündet tagtäglich, dass er die Arbeit seiner Arbeiter mittels des Lohns einkaufen würde. So die Erscheinung. Tatsächlich kauft der Kapitalist die Ware Arbeitskraft des Arbeiters ein. Das Produkt dieser Arbeitskraft in Verbindung mit den eingesetzten Rohstoffen usw. stellt ein Vielfaches an Wert dar, als der Kapitalist an Lohn bezahlt. Diese Gesetzmäßigkeit der Ware Arbeitskraft, im Kapitalismus Mehrwert zu schaffen, wird geleugnet mit solch oberflächlich und positivistischen Methoden.

Es bleibt noch Karl Marx zu zitieren, der treffend schreibt: „Dakyns ist auch ein erklärter Feind der Comtisten oder Positivisten. Er ist mit mir einer Meinung, daß nichts Positives an ihnen ist außer ihrer Arroganz.“7

Joachim Griesbaum

 

1 „Materialistische Dialektik und bürgerliche Naturwissenschaft“, Seite 340

2 1864 wurde in London die Internationale Arbeiterassoziation (IAA) gegründet. Nach Marx „hatte (sie) zum Zweck, die gesamte streitbare Arbeiterschaft Europas und Amerikas zu einem großen Heereskörper zu verschmelzen.“ (Marx/Engels, Werke, Bd. 22, S. 57)

3 Marx/Engels Werke, Bd. 17, Seite 642

4 Marx/Engels Werke, Bd. 17, Seite 562

5 Die Pariser Kommune vom 18. März bis 28. Mai 1871 war der erste große Versuch des Proletariats, die Bourgeoisie zu stürzen

6 Zitate nach „Materialistische Dialektik …“, Seite 45 ff.

7 Marx/Engels Werke, Bd. 32, Seite 614

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