Saarbergbau: Gefahr PCB-haltiger Öle von RAG und Landesregierung jahrzehntelang vertuscht

Saarbrücken (Korrespondenz): Jahrelang hat die RAG jegliche Kritik, dass giftige Stoffe unter Tage eingesetzt oder gelagert seien, als Lüge von sich gewiesen. Selbst als PCB in Fischen aus der Saar gefunden wurde, behauptete die RAG, das könne niemals Schuld der RAG sein, weil die PCB-halti-gen Öle seit 1988 nicht mehr eingesetzt werden. Auch die RAG selber kennt die Untersuchungen von 1984, in denen nachgewiesen wird, dass fast 10.000 Tonnen PCB-haltige Öle nicht ordnungsgemäß entsorgt wurden und Liter für Liter mit dem abgepumpten Grubenwasser über Tage gelangen. Im Saarland sollen es „nur“ 1.500 Tonnen Hydrauliköl sein, von denen man nicht genau weiß, wo sie geblieben sind. Offen ist außerdem, in welchen Mengen der PCB-Ersatzstoff Ugilec unter Tage zum Einsatz kam. Dieses Hydrauliköl gilt zwar als weniger giftig, durfte aber seit 1993 mit Inkrafttreten der Chemikalienverbotsverordnung ebenfalls nicht mehr verwendet werden. Gleichzeitig wird die Gefahr für das Trink- und Grundwasser einseitig bei den PCB-haltigen Ölen gesehen, der andere Giftmüll und die circa 14.000 Tonnen Filterstäube aus Müllverbrennungsanlagen, die allein an der Saar jährlich über den Entsorgungsweg „Versatz“ unter Tage entsorgt wurden, werden weiter heruntergespielt.

Jetzt, wo die Fakten auf dem Tisch liegen, erklärt die RAG, das sei alles nicht so schlimm, durch die Flutung der Bergwerke an der Saar würden die PCB-haltigen Hydrauliköle so weit verdünnt, dass die gesetzlichen Grenzwerte nicht überschritten werden.

Während Ende Januar noch die These aufgestellt wurde, dass die Bergbehörden bei der Genehmigung der bisherigen Grubenflutung möglicherweise nicht berücksichtigt hätten, dass in der Vergangenheit PCB-haltige Hydrauliköle in den Bergwerken eingelagert wurden, berichtet der Saarländische Rundfunk: „Bei der Genehmigung der Grubenwasserflutung, die seit 2013 läuft, hat sich die Landesregierung über die Empfehlungen der Fachbehörden hinweggesetzt. Das geht aus internen Unterlagen hervor, die jetzt aufgetaucht sind. Die RAG hat die Flutung ihres ehemaligen Bergwerks Saar auf dem Hoxberg im November 2012 beantragt – per Sonderbetriebsplan. In acht Jahren soll das Wasser in den ehemaligen Abbaufeldern Primsmulde, Dilsburg und dem Nordfeld steigen. Diesen Plan wollten mehrere Behörden nicht genehmigen. Das Landesamt für Umweltschutz (LUA) bemängelte schriftlich, in den Entscheidungsprozess nicht ordentlich eingebunden zu sein. Das Oberbergamt widersprach sogar seiner untergeordneten Behörde in der Einschätzung der Genehmigungslage zur Flutung. Aber Wirtschaftsministerium und Umweltministerium setzten sich darüber hinweg.“

Umweltminister Reinhold Jost erklärte dazu im aktuellen Bericht des Saarländischen Rundfunks, „dass vor der Entscheidung innerhalb der Regierung eine Abwägung getroffen wurde, ob die Genehmigung des Sonderbetriebsplans rechtlich zulässig sei“. Man sei damals „zu dem Ergebnis gekommen, es sei rechtlich zulässig“, so Jost. Dabei bleibe es auch.

Der Regionalbeauftragte der RAG, Uwe Penth, erklärt dazu: „Sollten im weiteren Verfahren Zweifel auftauchen, wird das Konzept nicht umgesetzt oder das Wasser wieder abgepumpt. Ein Risiko für das Trinkwasser kommt für uns nicht infrage.“

Offen erklärt die saarländische Landesregierung, dass sie zwischen den wirtschaftlichen Interessen der RAG, 16 Millionen Euro im Jahr einzusparen, und der Gefahr für das Trink- und Grundwasser abwägen musste und sich halt für die RAG entschieden hat. Aber was passiert, wenn das Wasser steigt und doch Gift entdeckt wird?

Laut Aussagen der RAG wird das Wasser frühestens in zehn Jahren so weit gestiegen sein, dass es in die Saar läuft. Dann gibt es aber die RAG in der jetzigen Form nicht mehr. Im sogenannten Erblastenvertrag zwischen der RAG, dem Bund und den Ländern Nordrhein-Westfalen und Saarland ist geregelt, dass nach dem Ende des Bergbaus die RAG-Stiftung die gesamte Verantwortung für die Ewigkeitslasten des Bergbaus übernimmt. Dafür soll sie 4 bis 5 Milliarden Euro von der jetzigen RAG bekommen. Sollte aus irgendwelchen Gründen dieses Geld nicht reichen, übernehmen die Steuerzahler in NRW und dem Saarland diese zusätzlichen Kosten.

Sollte es sich vor dem Ende des Bergbaus, also bevor die RAG-Stiftung die Verantwortung übernimmt, herausstellen, dass wegen der möglichen Vergiftung des Trink- und Grundwassers zusätzliche Kosten, möglicherweise in Milliardenhöhe, anfallen, müsste die RAG in diesem Fall weitere Rückstellungen für die notwendige Reinigung des Wassers einstellen. Gelingt es der RAG dagegen, mit Hilfe der Landesregierung an der Saar das Problem so lange vor sich herzuschieben, bis die RAG-Stiftung übernimmt, spart sie nicht nur 16 Millionen Euro pro Jahr, sondern einige Milliarden an Rückstellungen.

Damit „spart“ die RAG bereits zum zweiten Mal. Spätes­tens 1988, als die Gefahr von PCB bekannt wurde, hätte der RAG-Konzern dafür Sorge tragen müssen, dass alle Bergleute, die mit dem PCB in Berührung kamen, auf eine mögliche Belastung untersucht werden. Auch bei dem Einsatz von FAZ (Flugasche-Zement-Gemisch zur Verfüllung von Hohlräumen), das hochgiftige Schwermetalle aus Filterstäuben enthielt, wurden die Bedenken der Kumpel zerstreut. Es wäre doch nur Asche und bei der Verbrennung wären alle Giftstoffe mitverbrannt. Stattdessen wurden Kollegen, die auf diese Gefahren hinwiesen, als „Nestbeschmutzer“ beschimpft, weil sie es wagten, „ihr“ Unternehmen zu kritisieren.

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