Die Angst geht um in der RAG-Zentrale

Unter dieser Überschrift wurde in der Zeitung „Vortrieb – Bergarbeiterzeitung aller Schachtanlagen und weiterer Bergbaubetriebe der RAG“ folgender Artikel veröffentlicht:

Immer mehr kommt ans Tageslicht, welch umweltpolitisches Drama durch den Stilllegungsplan für den deutschen Steinkohlenbergbau heraufbeschworen wird. „Kumpel für AUF“ hat bekanntlich im letzten Jahr das Ausmaß und die Gefährlichkeit des in den Ruhrgebietszechen eingelagerten Giftmülls nachgewiesen. Seit Beginn der 1980er Jahre bis 2006 wurden 1,6 Millionen Tonnen Filterstäube und Flugasche aus Müllverbrennungsanlagen und Kraftwerken, Klärschlämme, Krankenhausabfälle und weitere hochgiftige Substanzen nach unter Tage verbracht – alles mit dem Segen der Bundes- und Landesregierung. Darin enthalten sind unter anderem Blei, Cadmium, Arsen, Quecksilber und Dioxin. Durch das begonnene und weiter beabsichtigte Zurückfahren der Wasserhaltung durch die RAG werden diese Giftstoffe durchflutet, was das Trinkwasser und die Lebensgrundlagen überhaupt im gesamten Ruhrgebiet und darüber hinaus infrage stellt. Der Bergmann Christian Link, einer der Sprecher von „Kumpel für AUF“, hatte diesen Zusammenhang öffentlich gemacht und wurde dafür vom RAG-Vorstand mit einem revierweiten Anfahrtverbot abgestraft, was faktisch einem Berufsverbot gleichkommt. Doch die in Gang gekommene öffentliche Diskussion über den Giftmüllskandal unter Tage ließ sich damit nicht beilegen. Ein zusätzlicher Maulkorb für Christian Link mit dem über eine Abmahnung verhängten Sprechverbot wurde vom Arbeitsgericht für ungültig erklärt. Die Landesregierung von NRW kam so unter Druck, dass sie das weitere Zurückfahren der Wasserhaltung bis zu einem Gutachten verbieten musste. Allerdings ist deswegen überhaupt keine Entwarnung angesagt. Es wurden und werden dramatische Fakten geschaffen. Auf Consol wurde der Giftmüll in 1.100 bis 1.200 m Tiefe eingelagert, dort ist das Wasser durch Zurückfahren der Pumpen auf inzwischen 990 Meter Tiefe gestiegen. Am Niederrhein liegt der Giftmüll im Bereich des Binsheimer Feldes und im Bereich Walsumer Horst-Altfeld in über 800 m Tiefe. Durch das Zurückfahren der Pumpen auf Walsum bis 746 m Tiefe liegt auch dieser im fließenden Wasser. Die öffentliche Kritik ist zu einem Hindernis für die Pläne der RAG geworden. Der für die Abwicklung des Bergbaus gegründeten Kohlestiftung fehlt es an Geld und je weniger gepumpt wird, desto billiger wird es. Die Folgen für das Leben und die Gesundheit der Bevölkerung spielen in dieser kaltschnäuzigen Rechnung keine Rolle und werden bewusst heruntergespielt. In den letzten Wochen wurde diese Problematik um weitere umweltpolitische Schweinereien erweitert, insbesondere der Verbleib von mehr als 10.000 Tonnen PCB unter Tage unter Verantwortung der RAG. Er geht auf den verantwortungslosen Umgang mit Betriebsstoffen zurück. Noch gar nicht in der Diskussion sind weitere giftige Stoffe wie mit Formaldehyd verseuchte Isoschäume, die flächendeckend eingesetzt wurden. Hochgefährlich sind alle „schwer entflammbaren Hydraulikflüssigkeiten“ (HSA, HSB, HSC und HSD), von denen nach ersten Schätzungen bis zu 350.000 Liter pro Zeche unter Tage verblieben. Sie sind haut- und lungengängig, lassen sich durch bloßes Waschen nicht entfernen und lösen Hautkrankheiten sowie weitere Gesundheitsschäden aus. „Kumpel für AUF" widerlegt in einer Pressemitteilung die Spurenverwischung und Verharmlosung von RAG und Kohlestiftung: „Bei PCB gibt es überhaupt keine unbedenklichen Mengen. Es reichert sich im Fettgewebe des Menschen an und wird nicht mehr abgebaut. Tatsache ist, dass an der Saar laut Bericht des „Spiegels“ Landesuntersuchungsämter in den Abwässern der RAG PCB fanden. Ab 2004 wurde vor dem Fischfang in der Saar gewarnt. Dennoch behauptet Saarlands Umweltminister Reinhold Jost (SPD), dass von den Giftstoffen unter Tage keine Gefahr ausginge. Durch die Grubenwassereinleitung des Bergwerkes West in Kamp-Lintfort im Jahr 2004 in dem Gewässer ,Fossa Eugeniana‘ bei Rheinberg wurden PCB-Belastungen weit über den Grenzwerten verursacht: Es wurden 1.600 µg/kg PCB statt der zulässigen 20 µg/kg PCB gemessen. Insbesondere begrüßen wir, dass das Institut für Arbeits- und Sozialmedizin des Universitätsklinikums Aachen endlich ernsthaft Bergleute und ehemalige Bergleute auf Erkrankungen durch PCB untersuchte. Dabei wurden bei mehreren Bergleuten erhöhte Konzentrationen von PCB festgestellt. Darüber geht die RAG skrupellos hinweg.“ Sie pickt sich die Untersuchungen heraus, die kein PCB nachgewiesen haben. Der „Spiegel“, der diese Diskussion neu befeuert hat, spielt zugleich selbst die Problematik herunter, indem die Millionen Tonnen Giftmüll unter Tage nur noch am Rande erwähnt werden. Soll damit zugleich die Rolle der kämpferischen Bergarbeiterbewegung, von „Kumpel für AUF“ und dem „Vortrieb“, die das Ganze in Zusammenhang mit den Zechenschließungen und dem Kampf dagegen gebracht haben, an den Rand gedrängt werden? Stattdessen werden plötzlich Politiker der Grünen als die aktivsten Kritiker aus dem Hut gezaubert. Da setzt man offenbar auf ein schlechtes Gedächtnis von uns Kumpel. Tatsächlich hat bereits 1984 ein Vorläufer des „Vortrieb“ auf der Schachtanlage Niederberg in Neukirchen-Vluyn den verantwortungslosen Einsatz von PCB-haltigen Ölen aufgedeckt, was die RAG dazu zwang, diese abzuschaffen. Umgekehrt haben die Giftmülleinlagerungen in der Amtszeit der damaligen Umweltministerin Bärbel Höhn von den Grünen zwischen 1995 und 2005 ihren traurigen Höhepunkt erreicht. Im Jahr 1996 wurde so viel Giftmüll unter Tage eingelagert wie nie zuvor! Wir Kumpel sind der Zukunft unserer Kinder und Familien verpflichtet: Sofortiger Stopp der Wasserhaltungspläne! Keine weitere Einlagerung und Entsorgung belastender Stoffe unter Tage! Restlose Aufklärung des Skandals um eingelagerten Giftmüll und PCB! Schluss mit den Repressalien gegen den Kumpel Christian Link und Aufhebung seines Anfahrverbotes! Bergleute, Bergbaurentner und (ehemalige) Beschäftigte von im Bergbau eingesetzten Fremdfirmen müssen das Recht erhalten, zu medizinischen Untersuchungen auf Belastung durch Dioxine, PCB und andere unter Tage angefallene oder eingebrachte Stoffe bei unabhängigen medizinischen Einrichtungen auf Kosten der RAG zu gehen! Der Schließungsplan für den deutschen und europäischen Steinkohlebergbau beschwört nicht nur ein umweltpolitisches Drama herauf. Zugleich wird das Versprechen vom angeblich „sozialverträglichen Arbeitsplatzabbau“ immer mehr entzaubert. Wir Bergleute brauchen beides: Arbeits- und Ausbildungsplätze und eine lebenswerte Umwelt und Zukunft für unsere Kinder und Familien. Es ist noch nicht zu spät: Schluss mit den Zechenschließungen! Keine Stilllegung von Auguste Victoria – weder vorzeitig noch zum Jahresende! Der Zugang zu den Kohlelagerstätten muss für künftige Generationen offen bleiben! Weg mit dem Stilllegungsplan für den europäischen Steinkohlebergbau! Weg mit den Fracking-Plänen in der EU!

Redaktion Auguste Victoria

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