„DIE ENTSCHEIDUNG – Kapitalismus vs. Klima“ – Buchkritik

Aus Rote Fahne 13/2015: Das jetzt auch in Deutsch erschienene neue Buch von Naomi Klein „DIE ENTSCHEIDUNG – Kapitalismus vs. Klima“ findet aktuell breite Resonanz in allen Medien. Wie auch Stefan Engels Buch „Katastrophenalarm! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?“ geht es ungeschminkt von der Tatsache aus, dass eine für die Menschheit existenzielle Entscheidungsschlacht tobt. Wir stecken mittendrin und heute werden die Weichen gestellt, ob eine weltweite Klimakatastrophe in ihrem ganzen Ausmaß noch abgewendet werden kann. Klein geht zu Recht davon aus, dass alleine schon „der Klimawandel zur Existenzkrise für die menschliche Spezies geworden ist“, vergleichbar mit der Gefahr eines nuklearen Holocaust. Kleins Kapitalismuskritik erhält im Gegensatz zu der von Stefan Engel breiteste Öffentlichkeit.

Das ist kein Zufall: Klein fällt bei aller Kapitalismuskritik die Entscheidung für einen illusionären, reformistischenstatt revolutionären Ausweg aus der drohenden Umweltkatastrophe.

Durchaus mutig positionierte sich Naomi Klein bei den „Blockupy“-Protesten Mitte März in Frankfurt, wo sie vor Ort war: Offensiv griff sie den Kapitalismus an: „Ihr verbrennt keine Autos – ihr verbrennt Planeten!“ Die wahren „Randalierer“ säßen in der EZB. In ihrem Buch provoziert sie und fordert heraus, die „Entscheidung“ in einen „Krieg“ des gegenwärtigen kapitalistischen Wirtschaftssystems gegen das Planetensystem und viele seiner innewohnenden Lebensformen einzuordnen. Damit lenkt sie den Blick auf einen systemischen Lösungsansatz statt einseitig von einzelnen individualistischen Verhaltensänderungen oder dem Hoffen auf eine Einsicht der Entscheidungsträger in den Konzernetagen auszugehen. Verbunden ist dies mit einem Plädoyer für eine neue Massenbewegung von unten zur Rettung des Weltklimas.

Es ist auf den 560 Seiten keine naturwissenschaftliche Abhandlung und Darlegung über die Klimafrage. Vielmehr wird insbesondere im ersten und zweiten Teil des Buches nachgewiesen, wie zugunsten der Maximalprofite auf wirksame Klimaschutzmaßnahmen verzichtet, die öffentliche Meinung zielgerichtet manipuliert, ja sogar Umweltschutzorganisationen regelrecht „eingekauft“ werden; wie insbesondere seit den 1990er Jahren die Klimaerwärmung mit der „Liberalisierung der Märkte“ sprunghaft zugenommen hat und Maßnahmen wie das Geo-Engeneering dies noch weiter beschleunigen kann.

Naomi Klein fordert zwar zu Beginn des Buches berechtigt einen „fundamentalen Wandel“ durch eine Änderung des Lebenswandels, der Art des Wirtschaftens, ja sogar einer Änderung der Auffassung, welchen Platz der Mensch auf der Erde einnimmt. Aber dem darin enthaltenen Aufruf, „anders zu denken, radikal anders“ und zwar „unverzüglich“ wird sie insbesondere im dritten Teil des Buches über den „Aufbruch in eine neue Zeit“ selbst nicht gerecht!

Das liegt vor allem in der Grundausrichtung des Buches auf eine „Klimagerechtigkeitsbewegung“ und seiner Beschränkung auf eine globalisierungs- und kapitalismuskritische Sicht. Kerninhalt ist die Illusion, den „entfesselten“ bzw. „deregulierten Kapitalismus“ wieder zu zähmen, zu bändigen, ihn durch Erkämpfung von notwendigen Sofortmaßnahmen zur Rettung des Klimas demokratischer und gerechter werden zu lassen. Zum Beispiel durch gerechte Landverteilung, Schließung der Kluft zwischen Arm und Reich, Schaffung einer Vielzahl guter Jobs, aus der fossilen Verbrennung deinvestieren, in erneuerbare Energien anlegen usw.

Klein liefert in Teilen ihres Buches anhand der Klimafrage zahlreiche Hinweise, dass der Kapitalismus heute nur noch funktionieren kann, indem er die menschlichen Lebensgrundlagen zerstört. Um die eigentliche Konsequenz daraus macht sie aber einen Bogen: Statt den Kapitalismus grundsätzlich und revolutionär in Frage zu stellen, erhalten die Leser den gefühlten hundertsten Aufguss, diesen Kapitalismus zu demokratisieren und zu reformieren. Das gipfelt in dem Schluss: „ein fundamentaler Wandel vollzieht sich … in Wogen sperrfeuerartiger Gesetzgebungen, die einen Durchbruch nach dem anderen bringen.“ Und das soll die Perspektive der neuen Klimaschutzbewegung von unten sein? Ist diese reformistische Ausrichtung, nicht längst gescheitert?

Ausführlich macht sich das Buch auf die Suche nach historischen Vorbildern für die notwendige Massenbewegung für einen grundsätzlichen Wandel und einer eingeforderten notwendigen „Klimarevolution“.

Die historisch bedeutsamen sozialistischen Revolutionen zur Befreiung der Menschheit von Ausbeutung und Unterdrückung, wie 1917 in der Sowjetunion und 1949 in China, werden völlig verschwiegen. Angesichts ihrer kommunistischen Großeltern kann das kaum Zufall sein. Mehr noch, den sozialistischen Ländern wirft Klein sogar vor, sie hätten „mit ebenso großer Begeisterung wie ihre kapitalistischen Gegenspieler“ Ressourcen verschlungen, Müll produziert usw. Im Gegensatz zu vielen anderen Thesen im Buch werden diese aber mit keinem einzigen Fakt belegt. Hier macht sich Naomi Klein die Geschichtsklitterung des modernen Antikommunismus zu eigen und verbreitet sie weiter.

Das macht Kleins Buch auch so wertvoll für die Herrschenden: Es wirft – wie ein wachsender Teil der Menschheit – die Systemfrage auf, aber beantwortet sie reformistisch bzw. revisionistisch: „Der … Augenblick muss dazu genutzt werden, die Welt, wie sie ist, anzuprangern und temporäre Nischen, befreite Zonen zu schaffen. Er muss zum Katalysator für den wirklichen Aufbau einer Welt werden, in der wir alle sicher leben können.“ Mit diesem Schlussplädoyer gibt Klein eine illusorische und irreführende Antwort auf die weithin wachsende Kapitalismuskritik in der Umweltbewegung. Im Falle einer globalen Umweltkatastrophe gibt es weder Nischen noch Zonen zum Überleben. Ein „Katalysator“ ist laut Duden ein Stoff, der eine (chemische) Reaktion herbeiführt oder beeinflusst, selbst aber unverändert bleibt. Die Macht des Imperialismus, die einer „anderen Welt“ im Weg steht, kann man mit Katalysatoren nicht beseitigen.

Das Buch „Katastrophenalarm! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?“ macht im Gegensatz zu Klein keinen Bogen um die Machtfrage. Stefan Engel beantwortet die Systemfrage revolutionär. Er weist nach, welche welthistorischen Errungenschaften und Pionierarbeit (teilweise bis heute noch) im Umweltschutz im Sozialismus auch gegen alle Anfeindungen und Gegenrichtungen erkämpft wurden. Aber auch wie nach dem Verrat und der Machtergreifung einer neuen entarteten Bürokratie diese auch wieder einen gefährlichen Rückfall erlitten. In diesem Buch wird neben der Analyse weiterer Hauptfaktoren in der Umweltkrise unter anderem auch die Notwendigkeit eines wirklich gesellschaftsverändernden Charakters der neuen Umweltbewegung dargelegt. Es entwickelt die Perspektive vereinigter sozialistischer Staaten der Welt, Ohne Ausbeutung des Menschen durch den Menschen bilden Mensch und Natur dann eine fruchtbringende Einheit.

Es ist sicher kein Zufall, dass „DIE ENTSCHEIDUNG“ derzeit breit in den Medien beworben und vorgestellt wird – oft von den gleichen Medien, die sich seit einem Jahr weigern, den „Katastrophenalarm!“ auch nur vorzustellen.

Dessen ungeachtet beginnt sich um das Buch eine lebhafte internationale Strategiedebatte unter Zehntausenden Umweltschützern zu entfalten. Diese muss eine fundamentale Auseinandersetzung für die notwendige Selbstveränderung der Umweltbewegung werden. Die Umweltbewegung muss perspektivisch eine gesellschaftsverändernde Macht werden!

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