70 Jahre nach dem II. Weltkrieg – neue imperialistische Kriegsbrandherde
Die „Bild“-Zeitung behauptete in einem Artikel zur Neuverfilmung des antifaschistischen Romans „Nackt unter Wölfen“ das Gegenteil. Autor und Regisseur hätten die Geschichte benutzt, „um eine Legende zu erschaffen. Die Legende vom Triumph des Kommunismus über den Faschismus. Vom Sieg der Solidarität über die Brutalität.“1 Mag sein, dass das ausgekochten Antikommunisten nicht gefällt, aber es ist eine Tatsache, dass die sozialistische Sowjetunion unter Führung Stalins den Hitler-Faschisten das Genick gebrochen hat. Diese unverblümte Geschichtsfälschung à la „Bild“ ist aber nur eine Seite der psychologischen Kriegsführung. Vor allem werden NATO und EU als Friedensmächte dargestellt, die dafür gesorgt hätten, dass es seit 70 Jahren keinen Weltkrieg mehr gab. Tatsächlich gab es seit 1945 so gut wie keinen Zeitpunkt ohne imperialistische Kriege, meist gegen Befreiungsbewegungen. Die Blutspur reicht von Korea über Vietnam, Indonesien, Chile bis Irak und Afghanistan mit dem vorläufigen Höhepunkt der akuten Kriegsgefahr in der Ukraine-Krise. Und die Zahl der Kriege nimmt zu! Kriege und Kriegsgefahr gibt es, so lange es Imperialismus gibt.
Gut oder Böse?
In der westlichen bürgerlichen Meinungspropaganda sind Angela Merkel, Barack Obama und der ukrainische Präsident Petro Poroschenko die Guten, Putin und die „Separatisten“ in der Ost-Ukraine sind die Bösen. In Russland ist die Propaganda natürlich umgekehrt. Da wundert es nicht, dass nach einer Umfrage für „Zeit online“ 47 Prozent der Befragten die Aussage unterstützten, dass die Medien einseitig berichten. Andererseits hinterlässt ständige Wiederholung auch eine Wirkung. 40 Prozent der Befragten halten Putin für den Hauptkriegstreiber, nur 14 Prozent den Westen. Schon die Fragestellung lenkt davon ab, dass bei einem imperialistischen Krieg beide Seiten die „Bösen“ sind!
Die ukrainischen Marxisten-Leninisten2 und die MLPD sind Mitglieder der revolutionären Weltorganisation ICOR. Sie kämpfen konsequent gegen jede imperialistische Einmischung in der Ukraine, für eine unabhängige sozialistische Ukraine.
Warum nimmt die Kriegsgefahr zu?
Die imperialistischen Staaten stehen auf der Jagd nach Maximalprofiten in erbitterter Konkurrenz um Absatzmärkte für überschüssige Waren, um Anlagemöglichkeiten für Spekulationskapital, um Arbeitskräfte zur Ausbeutung und um die Ausplünderung natürlicher Rohstoffe. Die Ukraine verfügt über riesige Flächen an wertvoller Ackererde und enorme Lagerstätten an Schiefergas. Westliche Öl-Konzerne haben bereits Lizenzen für Fracking im großen Stil erhalten.
Kriege und Kriegsgefahr entstehen aus der ungleichmäßigen Entwicklung der imperialistischen Staaten, die nach Neuverteilung der Einflussgebiete drängt. Unter den 500 weltweit größten Konzernen sind 2014 nur noch 128 aus den USA gegenüber 185 im Jahr 2000. Dagegen ist China mit heute 95 Konzernen in den TOP 500 wirtschaftlich und militärisch zum Hauptkonkurrenten aufgestiegen. Zusätzlich sind neue imperialistische Kräfte wie Indien, Brasilien oder Südkorea entstanden, die alle ihre imperialistischen Ansprüche anmelden. Die Aufrüstung vor allem im pazifischen Raum nimmt nie gekannte Dimensionen an. Nach den USA, die 2013 mit 640 Milliarden Rüstungsetat an der Spitze lagen, hat sich China mit circa 200 Milliarden auf Platz zwei geschoben.3 Auch Indien, Japan, Saudi-Arabien und Südkorea liegen in den Top Ten der Aufrüstung. Die USA versuchen, verlorenen Boden gut zu machen, indem sie ihren Einflussbereich vor allem in Europa nach Osten ausdehnen, bis an die russische Grenze. 1990 hatte unter anderem der damalige US-Außenminister James Baker gegenüber Russland eine klare Zusage gemacht, dass die NATO sich nicht nach Osten erweitern würde, wenn Russland der Wiedervereinigung Deutschlands innerhalb der NATO zustimmt. Diese Zusage hat die NATO gebrochen. Heute finden in der Ukraine Manöver mit Beteiligung von NATO-Truppen statt, was nach dem Abkommen „Minsk II“ eigentlich verboten ist. Das Abkommen besagt, dass „alle ausländischen bewaffneten Formationen, militärische Ausrüstung und Söldner vom Territorium der Ukraine zurückgezogen“ werden müssen.
Gefährlichster Brandherd seit der Kuba-Krise
Die Massen in der Ukraine wollen Frieden. Aber der gegenwärtige Waffenstillstand ist extrem brüchig. „Der Krieg im Donbass geht weiter, dort fallen jeden Tag Schüsse“, berichten ukrainische Marxisten-Leninisten des KSRD gegenüber der „Roten Fahne“. „Das wird nicht für einen einzigen Tag unterbrochen. Heute, am 20. März zum Beispiel, wurde 13-mal von der Seite der ukrainischen Kräfte aus geschossen. Sie schossen mit Granatwerfern auf das Territorium von Donezk. Außerdem schossen sie auf die Stadt Gorlovka, die unter Kontrolle von Donezk steht. Früher wurde die Stadt Gorlovka von einer unabhängigen Armee kontrolliert. Doch unter dem Druck des Kreml wurde diese Armee Truppenführern Putins unterstellt.“4
Laut ukrainischer Caritas sind Millionen Menschen auf der Flucht, oft traumatisiert. Viele der 5,2 Millionen Menschen in der Ost-Ukraine sind von Wasser, Lebensmitteln, Medikamenten, Heizmaterial abgeschnitten. Aus der Westukraine berichten die Genossen der ICOR-Organisation KSRD: „Das Lebenshaltungsniveau wird andauernd weiter gesenkt, Arbeitsplätze werden vernichtet, die Preise für Lebensmittel sind schon mehrmals erhöht worden. Die Tarife für Miete, Gas, Wasser, und Elektrizität steigen.“
Trotzdem geht die Aufrüstung für den Krieg um die Ukraine verstärkt weiter. Das ukrainische Parlament hat vergangenen Monat eine Vergrößerung der Armee um mehr als ein Drittel auf 250.000 Soldaten beschlossen. Vor kurzem kam heraus, dass der US-Flugzeugträger Donald Cook auf dem Weg zur Krim war und erst abdrehte, als Putin drohte, die russischen Atomstreitkräfte in Kampfbereitschaft zu versetzen.5 USA, China und Russland stocken ihre Atomsprengköpfe auf. Sowohl NATO als auch Russland und Deutschland („Weißbuch 2016“) ändern aktuell ihre Militärstrategie in Richtung Konfrontation! Die deutsche Regierung versucht gleichzeitig, die Widersprüche zu dämpfen. Sie will aus durchsichtigen, wirtschaftlichen Motiven die Tür zu Russland nicht ganz schließen. Scheinheilig warnte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) „vor einer neuen Eskalation der Gewalt im Kriegsgebiet Donbass“6. Gleichzeitig beteiligt sich die Bundeswehr in diesem Jahr mit über 5.000 Soldaten an 14 Manövern in Osteuropa. Deeskalation gilt offenbar immer nur für die anderen. Die Entwicklung der Ukraine-Krise ist weiterhin die brisanteste Weltkriegsgefahr seit der Kuba-Krise 1962.
EU – Friedensmacht?
Deutschland und Frankreich spielen als EU-Führungsmächte ein Doppelspiel, setzen auf den imperialistischen Pazifismus: Einerseits treten sie als Schlichter im Ukraine-Konflikt auf und sprechen sich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine aus. Gleichzeitig übernimmt Deutschland die Führung bei der schnellen Eingreiftruppe mit dem „friedlichen“ Namen „Speerspitze“ der NATO gegen Russland. Die Bundeswehr wird mit mehr Panzern und Kampfdrohnen aufgerüstet und wirbt verzweifelt um Nachwuchs. Rund drei Millionen Euro fließen jährlich in die Bundeswehr-Werbung auf Jugend- und Berufsmessen, in Sportstadien, Schulen, Universitäten und Jobcentern. Doch die Versuche von Ministerin Ursula von der Leyen, die Bundeswehr mit kostenlosem Internetzugang und wohnlicheren Kasernen attraktiver zu machen, fruchten bisher kaum. Rund ein Drittel der freiwilligen Wehrdienstleistenden bricht die Ausbildung nach wenigen Monaten ab.
Putin verteidigen?
Die Propaganda westlicher Imperialisten versucht penetrant, Russland als Feindbild aufzubauen, wobei auch gerne antikommunistische Klischees bemüht werden. Obwohl der Sozialismus in der Sowjetunion nach dem XX. Parteitag der KPdSU 1956 – also seit fast 50 Jahren – verraten und zerstört wurde, soll er und insbesondere Josef Stalin für die heutigen Verbrechen des russischen Imperialismus wie die völkerrechtswidrige Annexion der Krim herhalten. Das treibt absurde Blüten, wenn beispielsweise Putin unterstellt wird, er wolle den Sozialismus wieder einführen. Putin war früher für den Geheimdienst der bürokratischen Machthaber der Sowjetunion tätig, also genau für diejenige Bürokratenclique, die den Sozialismus verraten und den Kapitalismus wieder eingeführt hat. Auch wenn Russland nicht der Haupt-Aggressor im Ukraine-Konflikt ist, kann das keine Begründung sein, die Rolle des russischen Imperialismus und Putins zu relativieren, wie das große Teile der revisionistischen Strömung innerhalb der Friedensbewegung machen. Putin unterstützt inzwischen auch Faschisten, wenn es der Durchsetzung der eigenen außenpolitischen Interessen dient.7 Der Vorschlag des außenpolitischen Sprechers der Bundestagsfraktion der Linkspartei, Wolfgang Gehrcke, Putin als Redner zum 70. Jahrestag der Befreiung vom Hitler-Faschismus in den Bundestag einzuladen, ist ein Schlag ins Gesicht jedes Menschen, der im Kampf gegen den Faschismus gefallen ist.
Friedenskampf statt Appelle
Dem Aufruf zum Ostermarsch in Stuttgart kann man in Bezug auf die Kritik an jetziger und vorheriger Bundesregierung nur zustimmen: „Es handelt sich um imperialistische Machtpolitik wie in früheren Jahrhunderten.“ Die heutige aktive Unterstützung der ukrainischen Regierung, in der auch Faschisten mitarbeiten, und die Beteiligung der Bundeswehr an Kriegseinsätzen in 15 Ländern zeigen, dass der deutsche Imperialismus, der gerne weltweit als „Friedens- und Demokratiestifter“ auftritt, aggressiv eigene machtpolitische Interessen verfolgt. Der Ostermarsch-Aufruf Stuttgart verbreitet dagegen Illusionen, wenn er wenige Zeilen später seinen Appell „Übernehmt endlich Verantwortung für den Frieden!“ ausgerechnet an Bundestag und Bundesregierung adressiert. Also an diejenigen, die über Auslandseinsätze der Bundeswehr beschließen. Viele Menschen beteiligen sich an Online-Petitionen für den Frieden. Aber kann dadurch die wachsende Kriegsgefahr gestoppt werden? Die MLPD macht in ihrer Kleinarbeit in Betrieben und Wohngebieten eine Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit für die Notwendigkeit einer internationalen antiimperialistischen Front gegen alle Kriegstreiber. Erst die internationale sozialistische Revolution kann den Imperialismus überwinden und die Ursache der Kriegsgefahr aus der Welt schaffen. Wenn eine Befreiung vom Imperialismus nicht ohne bewaffneten Kampf möglich ist, dann müssen im Interesse des Friedens auch gerechte Befreiungskämpfe unterstützt werden. Die Marxisten-Leninisten mobilisieren und beteiligen sich in diesem Sinne an den Ostermärschen: Keine deutschen Truppen ins Ausland! Für das Verbot und die Vernichtung aller Atomwaffen! Auflösung der NATO! Werdet Mitglied in MLPD und REBELL!
1 „Bild“, 29.3.15
2 Koordinazionnyj Sojuz Rabotschewo Dvizhenija, Ukraina (KSRD) – Koordinierungsrat der Arbeiterbewegung der Ukraine
3 Schätzung SIPRI Stockholm
4 Siehe Interview auf Seite 10
5 „Frankfurter Rundschau“, 17.3.15
6 „NTV“, 29.3.15
7 Siehe Artikel Seite 6