Nackt unter Wölfen – neu verfilmt
70 Jahre nach der Selbstbefreiung des KZ Buchenwald
Am 1. April lief zur besten Sendezeit in der ARD die Neuverfilmung des Buches „Nackt unter Wölfen“ von Bruno Apitz. Apitz war selbst Häftling im Konzentrationslager Buchenwald und hat in seinem Roman die letzten Tage des KZ verarbeitet. Die Geschichte – wie sich die Häftlinge befreit und dabei auch ein Kind gerettet haben – ist auch als Bilderbuch unter dem Titel „Das Kind im Koffer“ bekannt.
Am 11. und 12. April 2015 finden in Buchenwald Feiern anlässlich des 70. Jahrestags der Selbstbefreiung statt. Eine Befreiung, die bis heute umstritten ist. Das schlägt sich auch in der Neuverfilmung des Mitteldeutschen Rundfunks nieder.
Hier im Konzentrationslager Buchenwald wurden eine Viertelmillion Menschen vom Hitler-Faschismus inhaftiert, versklavt, gequält – 51.000 wurden ermordet, darunter Ernst Thälmann, der Vorsitzende der KPD. Klaus Wallenstein, Mitglied des Zentralkomitees der MLPD, ging in seiner Gedenkrede am 5. August 2007 auf die Situation im April 1945 ein:
„Die Häftlinge, die sich in Buchenwald unter der Bedingung der näherrückenden US-Armee befreiten, kamen aus 50 verschiedenen Ländern. … Die Selbstbefreiung der Häftlinge in Buchenwald ist einmalig in einem Konzentrationslager auf deutschem Boden. Vorausgegangen war dem ein jahrelanger systematischer, illegaler, hoch organisierter Widerstand unter kompliziertesten Bedingungen und ständiger Todesbedrohung. Die organisierten Antifaschisten unter den Häftlingen leisteten unter Führung eines streng verdeckt arbeitenden internationalen Lagerkomitees Sabotage in der Rüstungsindustrie, sie schmuggelten Waffen in das Lager, retteten Häftlinge vor dem sicheren Tod, wo immer dies möglich war, leisteten gegenseitige Solidarität, organisierten politische und kulturelle Bildung und retteten Zehntausenden das Leben. Sie hatten eine internationale Militärorganisation mit 900 teilweise bewaffneten Kämpfern aufgebaut.
Dieser Widerstand wurde wesentlich getragen und geführt von Genossinnen und Genossen von kommunistischen Parteien aus elf Ländern. Es war ein internationaler Widerstand. Er wurde auch als Kleine Internationale bezeichnet – in Anlehnung an die Kommunistische Internationale, die damals den Zusammenschluss der kommunistischen Parteien rund um den Erdball organisierte.“
Von all dem erfuhr man in dem Film kaum etwas. Eine Kollegin, die die Geschichte vorher gar nicht kannte, war trotzdem fasziniert: ein Kind gerettet, davon habe ich noch nie was gehört. Trotzdem hat sie das Ende des MDR-Films so verstanden, dass die SS im Angesicht der näherrückenden US-Armee geflohen sei. Der Fakt der Selbstbefreiung wurde in der Neuverfilmung derart an den Rand gedrängt, dass er überhaupt nicht mehr auffiel.
Trotzdem war es nicht der erwartete aggressiv antikommunistische Film, den entsprechende Ankündigungen in der Presse erwarten ließen. Selbst Marlis Apitz, die Witwe von Bruno Apitz, erzählte dem „Berliner Kurier“, „wenn man den Film für sich stehen lässt, habe ich große Sympathien für ihn“. In weiten Teilen hat sich der neue Film am Buch orientiert bzw. auch an der Erstverfilmung durch die DEFA-Filmgesellschaft in der DDR. Manche Dialoge wirkten sogar fast identisch, so Leser, die inzwischen den alten Film noch mal angeschaut haben.
Dass der Film bei einigen sogar Sympathien für Kommunisten wecken könnte, das befürchteten offenbar auch einige antikommunistische Programm-Verantwortliche bei der ARD. Und so wurde, ohne erkennbaren Übergang, direkt in den Abspann des Filmes hinein, eine sogenannte Dokumentation unter dem Titel „Buchenwald – Heldenmythos und Lagerwirklichkeit“ gestartet.
Erst nach einigen Minuten wurde überhaupt klar, dass die Sequenzen gar nicht mehr zum Film gehören. Hier wurde nun ein ganz anderes, aggressiv antikommunistisches Bild gezeichnet. Demnach hätten die SS und die Kommunisten das Lager fast zusammen geführt. Mit allen Tricks des Filmschnitts wechselten die Bilder von einer – natürlich kommunistischen – Lagerkapelle zu halb und ganz verhungerten Häftlingen. Damit sollte die Behauptung untermauert werden: die „Roten“ haben sich auf Kosten der anderen Häftlinge vor allem um sich selbst gekümmert. Tatsache ist, dass die SS ein System der Lagerselbstverwaltung einrichtete. Geschickt wurden die Schlüsselpositionen darin vom kommunistischen Widerstand erobert, die zunächst vor allem mit kriminellen Häftlingen besetzt waren. Selbst die Dokumentation kam nicht umhin zu erwähnen, dass diese Übernahme durch die „Roten“ eine Erleichterung für alle Häftlinge brachte. Die davon ausgehende Einrichtung der „Kinderbaracke“ rettete zum Beispiel nicht nur das berühmte Kind im Koffer, sondern insgesamt rund 900 Kinder und Jugendliche. Gleichzeitig übertrieb die Dokumentation den Einfluss der illegalen Widerstandsorganisation auf die SS maßlos. So konnten die in der Dokumentation als „rote Kapos“ diffamierten Widerstandskämpfer zum Beispiel nicht verhindern, dass im August 1944 der KPD-Vorsitzende in Buchenwald hingerichtet wurde. Das passt nicht ins Bild der Dokumentation, die behauptet, die Kommunisten hätten sich vor allem um das eigene Überleben gekümmert. Aber solchen Widersprüchen ging – typisch für den Antikommunismus – auch diese Dokumentation geflissentlich aus dem Weg.
Die Abneigung gegen den als Partei und international organisierten harten Widerstand und Klassenkampf, den die Kommunisten auch im KZ führten, tropfte aus jeder Pore dieser Dokumentation. Die bürgerliche Ideologie heroisiert wehrlose Opfer oder individuelle Taten, wie den Industriellen Oskar Schindler (Schindlers Liste). Sie verbreitet dagegen tiefste Skepsis gegen den organisierten Kampf. Warum? Weil er wirksam ist. Das konnte selbst diese antikommunistische Dokumentation nicht ganz verbergen.