Vor achtzig Jahren: „Generalplan zur Rekonstruktion Moskaus“ – ein kühner Plan für eine sozialistische Metropole

Vor achtzig Jahren wurde die Verwirklichung des „Generalplans zur Rekonstruktion Moskaus“ begonnen. Damit sollte Moskau zu einer sozialistischen Metropole umgewandelt werden. Eine gigantische Aufgabe, bedenkt man den Zustand der sowjetischen Hauptstadt noch zu Beginn der Dreißigerjahre des vergangenen Jahrhunderts.

Der „Generalplan zur Rekonstruktion Moskaus“ aus dem Jahr 1935 geht auf den Beschluss der KPdSU vom 15. Juni 1931 „Über die Moskauer Wirtschaft und die Entwicklung der städtischen Wirtschaft“ zurück. Er beinhaltete im Kern ein Muster für die planmäßige Umgestaltung sowjetischer Städte: Vorrangig musste in der Sowjetunion ausreichend Wohnraum für die Massen geschaffen werden, die im Zuge der beschleunigten Industrialisierung im Zeitraum des ersten und zweiten Fünfjahresplans in die Städte geströmt waren. So wanderten zwischen 1926 und 1939 rund 23 Millionen sowjetischer Bauern in die Städte.1

Neu entstandene Stadtviertel waren oft Baracken- und Hüttensiedlungen mit schlechten hygienischen Bedingungen. Innerhalb von zehn Jahren sollten insgesamt 15 Millionen Quadratmeter Wohnraum in 2.500 Wohnhäusern entstehen. Gleichzeitig sollten damit auch die Lebensverhältnisse entscheidend verbessert werden. So wurde die Länge des Kanalisationsnetzes von 44,6 Kilometer im Jahr 1913 auf rund 800 Kilometer im Jahr 1937 erweitert. Zur besseren Versorgung der wachsenden Bevölkerung mit Nahrungsmitteln entstanden im Moskauer Stadtgebiet neun staatliche Großkaufhäuser, unterirdische Lagerhäuser, drei Getreidesilos, sechs Brotfabriken und Großbäckereien und fünf Kühlhäuser mit einer Kapazität von 50.000 Tonnen. In Kantinen konnten täglich 2,2 Millionen Moskauer mit Essen versorgt werden. Die Heizung sollte von privaten Öfen auf Fernwärme aus zentralen Heizkraftwerken umgestellt werden.2

So wurde durch den „Generalplan zur Rekonstruktion Moskaus“ eine völlig neue Infrastruktur zur Befriedigung der wachsenden Bedürfnisse der Masse der Bevölkerung und zur Verbesserung der sozialistischen Lebensverhältnisse geschaffen.

Während der beiden Fünfjahrespläne wurden bestehende Moskauer Betriebe modernisiert. Automobilwerke, eine Kugellagerfabrik, Maschinenbau- und Elektrowerke, Uhren- und Nähmaschinenfabriken, Großbetriebe der Leichtindustrie und der Lebensmittelproduktion, Margarinewerke entstanden neu. Bestehende Betriebe wurden erweitert und modernisiert. Insgesamt gab es keinen Stadtbezirk mehr, in dem es keine Fabrik gab.3

Die Verwirklichung des „Generalplans“ führte zu einer grundlegenden Veränderung des Moskauer Stadtbilds. Zugleich wurden Teile der historischen Substanz ganzer Stadtteile, auch gegen den wirkungslosen Protest von Denkmalschützern, durch die Errichtung von Neubauten zerstört. Selbst von bürgerlichen Publizisten wird jedoch der „Generalplan zur Rekonstruktion Moskaus“ bis heute gelobt. Karl Schloegel spricht von einem grandiosen Plan, der Publizist Harald Bodenschatz sieht im „Generalplan“ eine positive Initiative. Alles in allem handelte es sich beim „Generalplan“ um einen kühnen Plan, der mit dem II. Weltkrieg zuerst ins Stocken und dann zum Erliegen kam und der nach dem II. Weltkrieg wegen anderer, wichtigerer Prioritäten nicht weiter verfolgt wurde.

 

1 Karl Schlögel: „Terror und Traum – Moskau 1937“, München 2008, S.81

2 Lebendige Schilderungen dieser unhaltbaren Zustände finden sich in: Karl Schloegel: S.60-71; „Beschluss des Plenums des CK VKP(b) ‚Über die Moskauer städtische Wirtschaft und die Entwicklung der städtischen Wirtschaft der UdSSR‘, 15. Juni 1931“, München, 17. September 2011, S.1

3 Karl Schlögel: „Terror und Traum – Moskau 1937“, München 2008, S.70/71

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