Ein Freund ist von uns gegangen
Henning Mankell: Schriftsteller und politischer Aktivist, Foto: PalFest / CC BY 2.0
Zum Tod des schwedischen Schriftstellers Henning Mankell (67)
„Erinnerungen an einen schmutzigen Engel“, so hieß eines der letzten Bücher Henning Mankells. Es handelt von einer jungen Schwedin, die es vor langer Zeit ins afrikanische Mozambique verschlug. Dort stellte sie sich mutig auf die Seite schwarzer Frauen, die ihre Arbeit für weiße Männer verrichten mussten – in einem Bordell, das sie später dann selbst übernahm. „Schmutzige Engel“ – als solche sah Henning Mankell auch viele andere Menschen, die ihm nahestanden, mit denen er zusammen kämpfte und über die er schrieb: Oftmals von Schmutz befleckt, im Kern aber gut. Sorgsam unterschied er sie von der anderen Sorte Engelsfiguren, die es natürlich auch gibt: Außen gold glänzend, innerlich jedoch nichts als hohl.
Sein allerletztes Buch erschien nun auf Deutsch Ende September, wenige Tage vor seinem Tod unter dem Titel „Treibsand“. Unermüdlich – schon schwer von einer Krebserkrankung gezeichnet – arbeitete er an dessen Fertigstellung. Es ist nach seinen eigenen Worten „ein Buch darüber, wie die Menschheit gelebt hat und lebt und wie ich mein eigenes Leben gelebt habe und lebe“ (Klappentext). Es ist eines von 40 Büchern insgesamt, die Henning Mankell in einer Auflage von 40 Millionen weltweit veröffentlichte, 15 Millionen davon allein in Deutschland.
Henning Mankell wurde früh zum Schriftsteller, verband dies aber immer mit politischen Aktivitäten. Er engagierte sich in der jungen marxistisch-leninistischen Bewegung der 1970er Jahre, später in der Friedensbewegung und dann vor allem in der internationalen Solidarität mit dem Befreiungskampf der afrikanischen Völker oder dem der Palästinenser. 2010 nahm er an der „Hilfsflotte für Gaza“ teil, die Lebensmittel in den blockierten Gaza-Streifen bringen wollte, vor der Küste aber von israelischem Militär beschossen wurde – mit tödlichen Folgen für mehrere Aktivisten.
Sein berühmtester Protagonist ist zweifellos Kommissar Wallander aus dem schwedischen Ystad. Er löst seine Fälle wie kein zweiter, versteht es dialektisch zu analysieren und Schlüsse zu ziehen, bleibt aber trotz der Brutalität vieler Verbrechen dennoch Mensch. Eben kein zynischer oder cooler Menschenverächter, wie sie im heutigen Krimi-Genre ansonsten haufenweise vertreten sind. Zugleich ist Wallander auch im eigenen Leben stets ein Suchender, doch anders als in seinen Fällen findet er für die persönlichen Fragen keine wirkliche Lösung. Auch den letzten Wallander-Band durchzieht diese Tragik, er wird mit Altersdemenz konfrontiert und hört schließlich auf.
Der Roman, der Henning Mankell selbst am meisten aufwühlte, erschien 2008: „Der Chinese“. Die bürgerliche Kritik reagierte diesmal allerdings ablehnend. Besonders der „Spiegel“ tat sich hervor und meinte, „Mankells Leidenschaft für den Kampf gegen Armut, Hunger, Aids und Unterdrückung“ sei ja noch zu verstehen, nicht aber die Sympathie „mit einem Kommunismus nach Maos Prägung“. („Spiegel-Online“, 12. 6. 2008) „Der Chinese“ passte bestimmten Leuten einfach nicht ins Bild des modernen Antikommunismus – nichtsdestotrotz wurde auch und gerade dieses Buch ein Bestseller.
Adieu, Henning Mankell, wir werden dich nicht vergessen!
Peter Borgwardt