Gesundheitszentrum von Kobanê feierlich übergeben: "Kobanê braucht strahlende Häuser der Zukunft!"
Bild von der Übergabefeier (rf-foto)
"Der erste Sonnenstrahl, ein neuer Tag bricht an, Ruinen rings um, unser Haus wächst heran, jeden Stein auf unserem Weg fügen wir in unsere Mauer ein" - buchstäblich jedes Wort unseres Brigadistenliedes wurde heute bei der Übergabe des Gesundheitszentrums Kobanê Wirklichkeit. Die Feier fand bei strahlendem Sonnenschein vor dem erst gestern Morgen fertiggestellten Foyer statt. Auf dem Dach wehten die Rojava-Fahne und die ICOR-Fahne, der am Gebäude angebrachte Gedenkstein war mit rotem Tuch verhüllt. Die Kinder-Tanzgruppe des Kulturzentrums von Kobanê sorgte für eine feierliche und zugleich kämpferische Stimmung. Gestern haben die Arbeiter aus restlichen Armierungseisen einen ein Meter hohen ICOR-Schriftzug geformt und mit farbigen Bändern umwickelt.
Die Botschaft des heutigen Tages - das spüren alle - wird Geschichte machen. Was seit Monaten Tag für Tag heftig umkämpft ist, steht in Stein und Lehmziegeln vor uns: Ergebnis eines Pakts der internationalen Solidarität zwischen den Revolutionären der Welt und den um ihre Befreiung kämpfenden Arbeitern und unterdrückten Massen. Es war ein Tag der Verbrüderung und des Stolzes auf die hohe Kampfmoral und den unbeirrbaren Kampf um das Ziel, das man sich gemeinsam vorgenommen hat.
Gebannt verfolgten die Besucher die Reden: Der des stellvertretenden Hauptkoordinators der ICOR, Sanjay Singhvi, und der von Gabi Gärtner, Vertreterin der MLPD und der Projektleitung, die auch die Grußbotschaft des ICOR-Hauptkoordinators Stefan Engel enthielt. Beide Reden wurden stellvertretend von Teilnehmern der sechsten Brigade vorgetragen, weil ihre Anreise zur Eröffnung verweigert wurde. Obwohl dies seit Wochen beantragt und von höchstinstanzlichen zuständigen Stellen der kurdischen Autonomie-Region im Nordirak zugesagt war, wurde der Grenzübertritt dann an der Grenzstation untersagt - mit zum Teil hanebüchenen Begründungen und Diffamierungen. Das wirft die Frage auf: Wer hat hier - offenbar von höchster Stelle im In- oder Ausland - interveniert? Ein skandalöser Vorgang, den ICOR und MLPD keinesfalls auf sich beruhen lassen werden.
Es sprachen danach Enver Müslim, Ministerpräsident des Kantons Kobane, Dozdar H., Vertreter der PYD, der Maurer und Verputzer Sayed stellvertretend für alle einheimischen Arbeiter am Bau und eine Delegation der YYPG (Verein der Solidarität der Völker aus Quamislo).
Im Grußwort der 7. Brigade und der die ICOR, Projektleitung und MLPD repräsentierenden Delegation heißt es: "Herzliche solidarische Grüße zum großen Ereignis der Übergabe des Gesundheitszentrums an die Selbstverwaltungsorgane und die Menschen in Kobanê. Unser Herz ist mit euch. Wir wollten so sehr heute bei euch sein und haben hart dafür gekämpft. Wir sehen dieses Projekt als Verwirklichung der uneigennützigen internationalen Solidarität der ICOR und der kämpfenden Massen auf der Welt mit dem Befreiungskampf der Menschen in Rojava und eines festen Bandes der Zusammenarbeit. … Aber egal, wo wir sind - zusammen werden wir Berge versetzen. Wir sind fest entschlossen, nach Kobane zu kommen und unser Werk mit Euch weiterzuführen. Kobanê braucht keine Ruinen, sondern strahlende Häuser der Zukunft!"
Hier dachten viele Brigadisten zurück an die Bilder, als vor sechs Monaten die ersten Brigadisten in glühender Sonne durch Trümmerwüsten gingen und brauchbares Baumaterial suchten. Jetzt steht hier ein stabiler neuer Bau, viele Ruinen rundherum sind abgetragen, der Blick wird frei auf einen kleinen Park mit Oleander und Olivenbäumen. In die Stadt ist das Leben zurückgekehrt, das spürte man auch in unserer Feier.
Leider war die unmittelbare Übersetzung der auf Kurmanci gehaltenen Reden auf Deutsch nicht möglich. Was Enver Müslim ausführte, entsprach sinngemäß seinen Worten in einer Rede vom 29. September: "Sie alle haben mit uns gelebt und gekämpft. ... Kobanê ist Symbol für die ganze Welt. ... Kann sein, dass mancher vor allem wegen des Baus des Gesundheitszentrums gekommen ist. Aber für uns hat er eine größere Bedeutung. Wir spüren: Wir sind nicht allein. Menschen sind hinter oder neben uns. ... Wir hoffen, dass sie weiter an uns glauben. Es gibt viele Menschen, die wie wir glauben, den Imperialismus zu überwinden. Kann sein, Kobanê ist nur eine kurdische Stadt – aber sie hat für die Freiheit aller Menschen gekämpft. Wir glauben, der Kampf geht weiter. Bis alle Menschen frei sind!"
Die Enthüllung des Gedenksteins an dieses große Gemeinschaftswerk und die Unterzeichnung des Vertrages zur Übergabe des Gesundheitszentrums in die Hände der Verwaltung waren feierliche Höhepunkte im gesamten Ablauf. Der Text des Gedenksteins in Deutsch, Englisch und Kurmanci heißt: "Dieses Gesundheitszentrum wurde im Jahr 2015 von 170 Brigadisten aus zehn Ländern zusammen mit Arbeitern aus Kobanê gebaut. Furchtlos setzten sie ihre Arbeit auch nach dem IS-Massaker vom 25. Juni fort."
Einer unserer lustigsten und aktivsten Arbeiter, Ali, hat es sich nicht nehmen lassen, eine Riesentorte in der Bauform des Gesundheitszentrums vorzubereiten. Sie hatte einer Front aus traditionellen Cerpice-Steinen, die in der intensiven syrischen Sonne orangerot leuchten. Das war nach Liedern der Kulturgruppe und dem Tanz im Foyer sowie draußen ein weiteres Highlight. Die Arbeiter, viele Frauen aus der Nachbarschaft, der Gesundheitsminister Dr. Omar Welat, viele Jugendliche und die Repräsentanten der Stadt sowie die aktiven Presseleute der kurdischen Presse bedankten sich immer wieder direkt und persönlich bei allen Brigadisten.
Aber der Dank geht auch zurück: wir Brigadisten haben unbeschreiblich viel gelernt vom Kampfesmut, der Zähigkeit, dem revolutionären Enthusiamus und Optimismus der kobanischen Arbeiter. Wir konnten die ICOR bekannt machen und unsere Verbundenheit in den zukünftigen Kämpfen für Freiheit, Demokratie und Sozialismus festigen.
Morgen früh, wenn der erste Sonnenstrahl den Himmel über Rojava wieder in intensives Rot tauchen wird und wir uns am dampfenden Tee wärmen, werden wir weiter machen am Bau mit einer noch tieferen Fröhlichkeit und Zuversicht, dass Revolutionäre international bewegen und verändern können, was sie sich vorgenommen haben - gegen alle Widerstände.
Die Arbeit der Brigaden fand auch in der Presse ein deutliches Echo:
- WAZ: Hilfseinsatz Gelsenkirchener bauen Gesundheitszentrum in Kobanê mit auf
- funkhauseuropa.de: Radiointerview mit einem Teilnehmer der Brigaden über seine Arbeit in Kobane
- Heise/Telepolis: Das Leben kehrt zurück nach Kobanê
Berichte auf RF-News:
Hier der Bericht von der Pressekonferenz in Berlin, hier Berichte von den Feiern in 23 Städten Deutschlands, hier ein Bildreport zu den Übergabefeiern und hier ein Videofilm von der Übergabefeier in Kobanê.