Bergbau vor dem Aus? Das letzte Wort ist nicht gesprochen
Ende 2018 die beiden dann noch verbleibenden Zechen Prosper in Bottrop und Ibbenbüren. So will die Ruhrkohle AG (RAG) zusammen mit der EU-Kommission und der Bundesregierung 150 Jahre industriellen Steinkohlebergbau liquidieren, gegen den erklärten Willen der Bevölkerung und der Bergleute.
Nach der Schließung von Opel Bochum sollen damit weitere Großbetriebe mit Zehntausenden daran hängenden Arbeitsplätzen geschlossen werden. Von der RAG im Verein mit der Bundes- und Landesregierung und unterstützt von der rechten IGBCE-Führung wird seit Jahren mit einem ganzen System von Versprechungen, Lügen, Mobbing, Desorganisation und Demoralisierung der Kampf gegen die Zechenstilllegungen als alternativlos dargestellt, um diese kampflos über die Bühne zu bringen. Gehören die Bergleute doch zum kampfstärksten Teil der Arbeiterklasse, nicht nur in Deutschland. Kohle ist ein wertvoller Rohstoff, der mit seinen Vorkommen in Deutschland noch für Jahrzehnte reicht. Auch die Bergmannskultur gehört seit Jahrzehnten zum Ruhrgebiet und Saarland. Es ist ein Frevel, den Zugang zur Kohle dauerhaft abzuschneiden, indem man die Zechen flutet. Zugleich gefährdet das angesichts der Giftmülleinlagerungen die Trinkwasserversorgung für Millionen Menschen – aber das wird von der RAG rücksichtslos in Kauf genommen. Dagegen muss zusammen mit der Umweltbewegung und der Bevölkerung der Widerstand entwickelt werden, um die Pläne zu Fall zu bringen.
Wichtige Erfahrungen und Erfolge
Die MLPD-Betriebsgruppen und die kämpferische Bergarbeiterbewegung „Kumpel für AUF“ fördern seit Jahren das Selbstbewusstsein der Bergleute. Sie können sich mit Stolz auf ihre Kampfkraft und die breite Unterstützung in der Arbeiterbewegung und unter den Massen, besonders im Ruhrgebiet und an der Saar, besinnen. Als 1997 der Plan bekannt wurde, den Kohlebergbau in Deutschland einzustellen, war die Empörung unter den Kumpels groß. Unter Einfluss der MLPD und der überparteilichen Bergarbeiterzeitung „Vortrieb“ verbreitete sich ihr Kampf zu einem selbständigen Streik, der den Herrschenden gehörig in die Knochen fuhr. Bis zu 130.000 Kumpels waren beteiligt, besetzten zeitweise Autobahnen, zwei Bahnhöfe, den Dortmunder Flughafen und stürmten trotz Verbot die Bannmeile im damaligen Bonner Regierungsviertel. Damit wurde das Ende der Kohl-Regierung eingeläutet. Die bis kurz vor dem Streik vorherrschende Niederlagenstimmung bei den Kumpels und ihren Familien verflüchtigte sich im Nu. Mit der öffentlichen Zusage „keine betriebsbedingten Kündigungen“ wurden sie bewegt, nach sechs Tagen wieder an die Arbeit zu gehen.
Im Jahr 2010 beschloss die EU-Kommission, den Steinkohlebergbau schon 2014 zu schließen. Nachdem wiederum MLPD und „Vortrieb“ dies aufdeckten, brodelte es unter den Kumpels, mehrere Tausend demonstrierten in Brüssel, ein neuer Streik lag in der Luft. Am 8.12.2010 musste die EU-Kommission ihren eigenen Beschluss wieder einkassieren – ein einmaliger Vorgang in der Geschichte Deutschlands! Mit ihren Kämpfen setzten die Bergleute zusammen mit Stahlbelegschaften und Autoarbeitern – vorneweg die kämpferische Belegschaft von Opel Bochum – wichtige Zeichen für den Übergang zur Arbeiteroffensive.
Geänderter Kurs in der Energiepolitik
Das Ziel der RAG in den 1990er Jahren war, ein weltweit führender Kohleförderer zu werden. Durch den Aufkauf von Kohlezechen in Australien, Südamerika und USA wurde die RAG bis zum Jahr 2001 zum viertgrößten Kohleproduzenten der Welt. Dennoch hat sie im mörderischen internationalen Konkurrenzkampf die Weltmarktführerschaft verpasst. „Vor diesem Hintergrund beschloss die EU im Einvernehmen mit den nationalen Kohlemonopolen, dass der seit Jahren als nationale Energiereserve subventionierte Steinkohlebergbau in Europa bis spätestens 2018 einzustellen ist.“1 Die Schließung der Zechen in ganz Europa soll jetzt den Weg frei machen für das Fracking, das die RAG mit ihrer Tochter Mingas und anderen Energiemonopolen massiv vorantreibt – und damit den Übergang in die globale Umweltkatastrophe!
Stimmungsumschwung unter den Bergleuten
Im Sommer diesen Jahres wurde die Zusage der RAG „keine betriebsbedingten Kündigungen“ mit dem neuen „Gesamtsozialplan“ gekippt. Mit dieser Vereinbarung von RAG und Gesamtbetriebsrat werden offene Massenentlassungen ermöglicht. Damit scheiterte die Klassenzusammenarbeitspolitik offen.
Betriebliche Leistungen der Altersversorgung der Bergbaurentner und Witwen, wie das Deputat2 oder die Zulage für Bergleute im Vorruhestand, wurden gekürzt oder sogar gestrichen. „Damit ist der sozialverträgliche Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau endgültig gescheitert“, schrieb damals der „Vortrieb“ in einer Extraausgabe am 9.7.2015. Und weiter: „Seit Jahren werden die Kumpel bei jedem Angriff auf ihre Löhne, auf ihre Renten … damit vertröstet, dass im Gegenzug ja auf ‚betriebsbedingte Kündigungen‘ verzichtet würde … und keiner ins soziale Abseits fällt.“
Der Fahrplan der RAG kam durch den wachsenden Widerstand dagegen zum Scheitern. 120 jüngere Kollegen klagten bis zum Bundesarbeitsgericht erfolgreich gegen die RAG, die mehrere Tausend dieser sogenannten „Nicht-Anpassungsfähigen“ rausschmeißen wollte. Der Bergmann Christian Link, bekannt durch seine Enthüllungen zur Einlagerung von Giftmüll unter Tage durch die RAG, gewann die Klage gegen die Knappschaft vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, die ihn nach 30 Jahren Bergmannsarbeit aus der Knappschaft rausschmeißen wollte. Die RAG kam in die Defensive. Dies steht in Verbindung mit der langjährigen, systematischen Überzeugungsarbeit der MLPD auf und vor den Zechen und Bergbausiedlungen, mit der Arbeit der 1999 entstandenen Bergarbeiterinitiative „Kumpel für AUF“, der positiven Gewerkschaftsarbeit, der Vertrauen stärkenden Kultur- und Freizeitarbeit und nicht zuletzt mit den Enthüllungen im „Vortrieb“. Auch das Fracking wird von vielen Kumpels abgelehnt und es gibt große Empörung über die Einlagerung von Millionen Tonnen Giftmüll unter Tage und die verheerenden Folgen (s. dazu unser Interview auf S. 19).
Inzwischen vertieft sich der Vertrauensverlust in die IGBCE-Führung, selbständige Initiativen der Kumpels nehmen zu: Mehr als 200 Bergleute, Rentner und Witwen versammelten sich zu Protestversammlungen in Ibbenbüren und knapp 60 in Neukirchen-Vluyn gegen die Kürzungen ihrer Altersversorgung beim Deputat. Bedeutend ist, dass bis in den unteren Gewerkschaftsapparat hinein Kumpels gegen das jahrzehntelange Co-Management der rechten Gewerkschaftsführung aufstehen.
Kumpels aller drei Schachtanlagen trafen sich im vertraulichen Kreis, um einen Forderungskatalog an die RAG zu entwickeln und die IGBCE per Rechtsanwalt aufzufordern, diesen umzusetzen, wie der „Vortrieb“ berichtete. In Marl gab es einen beeindruckenden Frauenmarsch durchs Wohngebiet zur Zeche Auguste Victoria, organisiert von der Bergarbeiterfraueninitiative in Courage. Bei einer Umfrage vor der Zeche Auguste Viktoria unter Jungbergleuten protestierten alle gegen ihre Verschiebung zur Leiharbeitsfirma „Start“. Selbständigen Streiks gingen in der Vergangenheit auch immer wachsende selbständige Initiativen voraus.
Die Kumpel-Zeitung „Vortrieb“, die MLPD-Betriebsgruppen und „Kumpel für AUF“ spielen bei allen diesen Aktivitäten eine wichtige Rolle. Systematisch unterstützen sie die Kumpels mit treffenden Analysen, mit Vorschlägen zum taktischen Vorgehen, wappnen sie mit Argumenten, fördern den Zusammenschluss und die Organisiertheit der Kollegen. Allein 12.000 schlossen sich dem Aufruf „Für eine lebenswerte Zukunft“ von „Kumpel für AUF“ an. Immer mehr Kumpels lernen dabei, hinter die Kulissen und über den Tellerrand des Kapitalismus zu schauen und selbstbewusst ihre Interessen in die Hand zu nehmen.
Die Bergarbeiter, vereint – eine internationale Macht
2015 fanden weltweit bedeutende Kämpfe der Bergleute wie in Südafrika, Kolumbien, Polen und Indien statt (s. S. 26/27). Sie kämpfen für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze und zunehmend auch gegen die massive Umweltzerstörung. Sie lassen sich auch oftmals nicht von staatlicher Gewalt einschüchtern. In Peru kämpfen Zigtausende Arbeiter, Bauern und Umweltschützer gegen die geplante Übertage-Kupfermine „Tia Maria“, mit der rücksichtsloser Raubbau an der Natur betrieben wird.
Anfang März 2013 fand in Arequipa/Peru die 1. Internationale Bergarbeiterkonferenz mit 500 Teilnehmern aus 25 Ländern statt. Sie hat sich als Organisationsform das Ziel gesetzt, die kämpferische und klassenkämpferische Bergarbeiterbewegung der insgesamt 22 Millionen Bergleute der Welt zusammenzuschließen, ihre Kämpfe gegen die mächtigen Gegner von internationalen Bergbaumonopolen und ihren Regierungen zu koordinieren und höherzuentwickeln. Anfang 2017 wird die 2. Internationale Bergarbeiterkonferenz in Indien stattfinden, um den Prozess und die Vision einer weltweit verbundenen Bergarbeiterbewegung voranzubringen, „die für sich und ihre Kinder darum kämpft, dass die Schätze des Bodens, des Wassers und der Lüfte denen gehören, die sie durch ihre Arbeit erschließen. Sie sollen eingesetzt werden für ein reiches, würdevolles und gesundes Leben aller Menschen in Einklang mit der Natur – ohne Ausbeutung und Unterdrückung.“ 3.
Wie weiter?
Die Bergleute aller Länder, ebenso wie die Opel-Arbeiter aus Bochum und aktuell die VW-Arbeiter, haben tausendfach erfahren: Das Gerede von „viel zu spät“, „gemeinsam aus der Krise“ dient allein dazu, die Arbeiter kampflos den Interessen der Konzerne unterzuordnen. Nur wer kämpft, kann gewinnen! Die Entscheidung für einen Streik braucht Mut und Risikobereitschaft, Entschlossenheit und Zuversicht, den Stolz, sich nicht unterkriegen zu lassen, das Rückgrat, Anfeindungen von RAG und IGBCE-Spitze zu trotzen, und nicht zuletzt auch das Vertrauen in die breite Unterstützung aus der Arbeiterschaft und Bevölkerung.
Das wichtigste ist die Stärkung des Selbstbewusstseins, das Vertrauen in die eigene Kraft und die Bereitschaft, sich organisiert zusammenzuschließen. Notwendig ist es, sich freizumachen von gestreuten Vorbehalten gegenüber den Marxisten-Leninisten, die angeblich nur ihr „Süppchen kochen“ wollen. Solcherlei wird vor allem von Leuten verbreitet, die selbst ihr „Schäfchen ins Trockene bringen“ und deshalb am meisten Angst vor einem Streik oder gar der sozialistischen Perspektive haben. Die MLPD hat dagegen seit Jahrzehnten den Kampf der Bergleute konsequent, uneigennützig und konstruktiv vorangebracht. Immer weniger ist es heute möglich, sich isoliert voneinander und lokal beschränkt gegen die internationalen Übermonopole durchzusetzen. Wir brauchen die Einheit der Arbeiter weltweit. Glück auf!
1 Stefan Engel, „Katastrophenalarm!“, S. 196
2 Deputat: Anspruch der Beschäftigten und Rentner im Bergbau auf kostenlose Steinkohle
3 Gründungsresolution der Internationalen Bergarbeiterkoordination, Peru, 3.3.2013