Börsenturbulenzen in China – Weltwirtschaft vor neuem Einbruch?
Zu Beginn des neuen Jahres stürzten die Börsenkurse in China ab. Der wichtigste Börsenindex Shanghai Composite verlor an den drei Handelstagen 4., 7. und 11. Januar zusammen 14,8 Prozent gegenüber Silvester. Der Börseneinbruch in China strahlte weltweit aus und riss die Aktienbörsen in Deutschland, den USA, in Japan und zahlreichen weiteren Börsen nach unten, besonders in Asien. Das Börsengeschehen spiegelt die große Unsicherheit wider über die weitere wirtschaftliche und politische Entwicklung in China und deren Folgen für die Weltwirtschaft.
Vorboten einer neuen Weltwirtschafts- und Finanzkrise
Der MLPD-Vorsitzende Stefan Engel beurteilte die Weltwirtschaftsentwicklung in einem Interview mit dem „Rote Fahne“-Magazin vom 16. Dezember 2015 so: „Insbesondere in den neuimperialistischen BRICS- und MIST-Ländern1 haben sich die Wachstumsraten stark abgeschwächt oder sind sogar in eine rückläufige Entwicklung eingetreten wie in Brasilien, Russland oder Südafrika. Insbesondere das Abbrechen der astronomischen Wachstumsentwicklung in China hat die Weltwirtschaft ins Stottern gebracht. Die internationale schwankende Stagnation hat bereits eine ganze Reihe von Faktoren herausgebildet, die in eine neue Weltwirtschafts- und Finanzkrise münden können.“
Die wiederholten Konjunkturprogramme der chinesischen Regierung konnten den Rückgang der Wachstumsraten nicht stoppen. Die industrielle Bruttowertschöpfung nahm im November 2015 nur noch um 6,2 Prozent zu. Im November 2013 war sie mit 10,0 Prozent noch zweistellig. Die Ausfuhren sind im November im Jahresverlauf sogar absolut gesunken, um 3 Prozent. Noch stärker gingen die Einfuhren zurück, von Januar bis November um 15,1 Prozent.2 Als sich Mitte 2015 abzeichnete, dass Chinas Exporte absolut sinken, fielen die Aktienkurse von ihrem zweithöchsten Stand seit dem Rekord vor Ausbruch der Weltwirtschafts- und Finanzkrise von 5.174 Punkten am 15. Juni 2015 auf knapp unter 3.000 Punkte am 26. August 2015, ein Minus von 42,4 Prozent.3 Um seine Ausfuhren anzukurbeln, hat China den Kurs des Yuan gegenüber dem US-Dollar seit August 2015 in mehreren kleinen Schritten um insgesamt 6,3 Prozent abgewertet. Solche Versuche der Abwälzung der eigenen wirtschaftlichen Probleme auf die Konkurrenten verschärfen die zwischenimperialistischen Widersprüche.
China: Massive Überakkumulation des Kapitals
China übertraf im Jahr 2014 mit einem Weltanteil von 16,6 Prozent die Wirtschaftsleistung der USA in Höhe von 15,9 Prozent, gerechnet in Kaufkraftparitäten.4 In China wurden immer neue Stahlwerke aus dem Boden gestampft und die Hälfte der Weltstahlproduktion konzentriert. Die Bauindustrie wurde spekulativ aufgebläht, während jetzt schon künstlich geschaffene Städte, konzipiert für Millionen Einwohner, leer stehen. Aufgrund der Überakkumulation des Kapitals haben sich massive Widersprüche aufgestaut.
Dazu hat der internationale Kapitalexport nach China wesentlich beigetragen. Bis zum Jahr 2014 summierten sich die ausländischen Direktinvestitionen in China und Hongkong auf 2,6 Billionen US-Dollar. Umgekehrt haben chinesische Unternehmen 2,2 Billionen US-Dollar im Ausland investiert und kaufen immer mehr Unternehmen auf. So aktuell den Maschinenbauer Kraus Maffei oder den US-amerikanischen Filmkonzern Legendary Entertainment. Tendenzen der Überproduktion in China äußern sich in dem seit vier Jahren anhaltenden Fall der industriellen Erzeugerpreise, einer Form der Kapitalvernichtung.5 Der Bundesverband der Deutschen Industrie behauptet dennoch: „Die deutsche Wirtschaft weist kein hohes Risiko gegenüber China auf.“6
Alle deutsche Firmen zusammen unterhalten in China mittlerweile 6.600 Firmenniederlassungen mit 1,1 Millionen Arbeitern.7 Die Entwicklung in China wirkt deshalb aber auch direkt auf deutsche Übermonopole wie VW, Daimler, BMW, Siemens, BASF usw. zurück. Die deutschen Ausfuhren nach China, vor allem Autos, Maschinen und Anlagen, sind 2015 gesunken.
Arbeiterproteste nehmen zu
In China häufen sich in den letzten Monaten massenhaft Fabrikschließungen und Verlagerungen in Regionen oder Länder mit noch niedrigeren Löhnen und schlechteren Arbeitsbedingungen. Unternehmen zahlen oft monatelang keine Löhne aus. Diese Behandlung lassen sich die chinesischen Arbeiter immer weniger gefallen. Die Zahl der Streiks und Demonstrationen hat sich laut „China Labour Bulletin“ 2015 auf 2.774 verdoppelt, gegenüber 1.379 im Jahr 2014. Internationale Monopole nutzen in China vor allem die extreme Ausbeutung der 274 Millionen Wanderarbeiter.8 Die chinesische Regierung hat Anklage gegen mehrere Arbeiteraktivisten erhoben, die die Wanderarbeiter dabei unterstützen, sich zu organisieren und für ihre Rechte zu kämpfen. Das zeigt, welche Angst die Herrschenden in China vor dem kämpferischen Zusammenschluss der Millionen von Industriearbeitern in ihrem Land haben.
1 BRICS-Länder: Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika. MIST-Länder: Mexiko, Indonesien, Südkorea, Türkei
2 Chinesisches Statistikamt unter www.stats.gov.cn
3 Kursangaben nach www.finanzen.net
4 IMF, World Economic Outlook October 2015, S. 147
5 Chinesisches Statistikamt unter www.stats.gov.cn
6 BDI Länderbericht China 30.11.2015
7 www.dihk.de 26.10.2015
8 Chinesisches Statistikamt, Statistical Communiqué 2014