Weltfrauenkonferenz in Kathmandu – die Bewegung der „Weltfrauen“ erstarkt
Schwierigkeiten und Probleme durch das schwere Erdbeben und die Blockade der indischen Regierung konnten die Weltfrauen nicht aufhalten. 2 000 Menschen, vorwiegend Frauen, nahmen an der Auftaktdemonstration durch die Straßen Kathmandus teil. 1 300 bis 1 600 beteiligten sich als ständige Teilnehmerinnen an den verschiedenen Aktivitäten der Konferenz. Hunderte weitere nahmen am Kultur- und Rahmenprogramm teil. 74 gewählte Delegierte aus 40 Ländern repräsentierten Frauenorganisationen mit zum Teil Hunderten, Tausenden und Zehntausenden Mitgliedsfrauen. Knapp 250 Frauen und Männer als freiwillige Helfer – darunter circa 40 deutsche Brigadistinnen und Brigadisten, hatten diese selbstfinanzierte und selbstorganisierte Konferenz schon Wochen vorher vorbereitet, bekannt gemacht und dafür Spenden gesammelt.
Was ist die Weltfrauenkonferenz?
Die Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen ist eine Organisationsform, die die länderübergreifende Koordinierung und Kooperation der weltweiten kämpferischen Frauenbewegung fördert. Vor zehn Jahren wurde dieser Gedanke auf dem Frauenpolitischen Ratschlag 2006 geboren, angeregt durch Monika Gärtner-Engel. 2011 fand in Caracas/Venezuela die erste Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen statt. Sie war nicht zuletzt eine Antwort auf die stillschweigende Beerdigung von Weltfrauenkonferenzen durch die UNO seit deren letztem Treffen 1995 in Peking. Gleichzeitig machte sie sich frei vom Stil der UN-Konferenzen. Sie waren von offiziellen Regierungsdelegationen geprägt und hatten das Ziel, die Frauenbewegung an die Leine der UNO zu legen. Das parallele Forum der Nichtregierungsorganisationen (NGO) praktizierte hauptsächlich Lobbying für umkämpfte Formulierungen in den Resolutionen der Regierungen. Die klangen dann teils wunderbar – doch zehn Jahre später hatte sich die Lage der Masse der Frauen der Welt weiter verschlechtert.
Die „Weltfrauen“, wie sich die Aktivistinnen der Weltfrauenkonferenzen selbstbewusst nennen, legen besonderen Wert auf die Zusammenkunft der wirklichen Basisfrauen. Ihr Alleinstellungsmerkmal ist, ausgehend von den Konferenzen die nachhaltige kämpferische Zusammenarbeit zu entwickeln. Seit Caracas förderten die Weltfrauen intensiv und erfolgreich die kämpferische Frauenbewegung in den einzelnen Ländern als Basis der Weltfrauenbewegung. Dort wurde mit dem Beschluss, die Konferenzen alle fünf Jahre durchzuführen, der Grundstein für den weiteren Aufbau der Weltfrauenkonferenzbewegung gelegt. Die Weltfrauen verwirklichen ihre beschlossenen Prinzipien wie Überparteilichkeit, finanzielle Unabhängigkeit und demokratische Entscheidungsfindung in einem gleichberechtigten gegenseitigen Vertrauensverhältnis. Auch dies sind Alleinstellungsmerkmale gegenüber unverbindlichen und de facto oft undemokratisch agierenden Zusammenschlüssen wie den Weltsozialforen, die mehr und mehr zu einem kritisch-dekorienden Feigenblatt des Imperialismus degenerieren. So soll das nächste Weltsozialforum im August 2016 in Montreal (Kanada) stattfinden. Die Organisatoren betonen ihre Hoffnung auf den liberalen Regierungswechsel in Kanada.
Die Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen beruht auf zwei Säulen: Erstens der Generalversammlung der gewählten Delegierten der kämpferischen Frauenbewegung der einzelnen Länder. In ihr diskutieren gewählte Repräsentantinnen der Basisfrauen Kernthemen der weltweiten Lage und Kämpfe der Frauen, fassen Beschlüsse und verabschieden Resolutionen. Zweitens die massenhafte offene Beteiligung von Frauen, Initiativen und Organisationen, die vielfältigste Veranstaltungen, Workshops, Kulturbeiträge und weitere Aktivitäten durchführen.
Die zweite Weltfrauenkonferenz 2016 fand in einer Situation statt, in der sich die Krisenhaftigkeit des imperialistischen Weltsystems verschärft, die kämpferische Frauenbewegung aber zugleich einen Aufschwung erlebt. Armut, Elend, Wirtschaftskrisen, politische Unterdrückung, Kriege, Flüchtlingsströme und Umweltzerstörung kennzeichnen die Lebenslage der Massen in vielen Ländern. Frauen sind besonders betroffen – durch Niedriglöhne, Altersarmut, Gewalt, Sexismus und Unterdrückung. Gleichzeitig entwickelt sich weltweit das Frauen- bewusstsein. „Wir sehen sehr wichtige Bewegungen, in denen Frauen an vorderster Front stehen: Wir lernen von den harten Kämpfen der jungen Textilarbeiterinnen in Bangladesch! Wir lernen von den zähen und gut organisierten Kämpfen der Putzfrauen und Pflegekräfte in den Niederlanden und der Erzieherinnen in Deutschland. … Und – wir sind begeistert über den harten und erfolgreichen Kampf der kurdischen Bewegung, insbesondere der Frauen, die gegen ISIS/Daesh kämpfen, … Es geht um das Zusammenwachsen, das gegenseitige Lernen und den Beginn einer internationalen Befreiung der Frau, die organisiert und kämpferisch ist! Und um die Schaffung einer befreiten neuen Welt!“, so Monika Gärtner-Engel in ihrer Begrüßungsrede. Tatsächlich beginnt die internationale Frauenbewegung, eine Phase der Lähmung durch die Absorption in NGOs, Institutionalisierung durch Staatsapparate und Integration in kontrollierte „Gender“-Programme zu überwinden.
Gesellschaftliche Fragen
Der Beschluss der Weltkoordinatorinnen, die Workshops zu den brennenden Fragen der Frauenbewegung nicht parallel zur Generalversammlung durchzuführen, war genau richtig. In zehn Workshops diskutierten etwa 500 Frauen tiefgehend, intensiv und produktiv.
Am dritten und vierten Tag stand die Generalversammlung der Delegierten auf dem Programm. Sie bewältigte teilweise unter miserablen technischen Bedingungen ein Mammutpensum. Nach gründlich vorbereiteten Kontinentalberichten zeugten die anschließenden Diskussionen von der Lebens- und Kampferfahrung der weltweiten Frauenbewegung. Das große Leid durch Imperialismus und Kapitalismus wurde deutlich. So wenn Frauen in Mali industriell genutztes Land nicht betreten dürfen und die Suche nach Weideland, Wasser und Holz für die dringendsten Lebensbedürfnisse zum Scheitern verurteilt ist. Doch die Frauen der Welt kämpfen und organisieren sich. Das zeigt die Repräsentanz von deutlich mehr Ländern, vor allem aus Afrika, bei der Konferenz. Ein Wehrmutstropfen war, dass es nur zwei Delegierte aus Lateinamerika gab.
Die Generalversammlung entschied einstimmig die Resolution von Kathmandu sowie rund 20 weitere Resolutionen, unter anderem aus den Workshops. Heftig und kontrovers diskutiert wurden Anträge, die die weltanschauliche Grundlage der Weltfrauenkonferenz verändert und eingeschränkt hätten. So die von einigen Delegierten geforderte Vereinheitlichung auf sozialistische Ziele oder die Befürwortung des Klassenkampfs als Grundlage der Frauenbewegung. Die Generalversammlung positionierte sich letztlich klar zur Beibehaltung des überparteilichen Charakters und der weltanschaulichen Offenheit.
Diese Weltfrauenkonferenz war ein qualitativer Sprung
Die Konferenz in Kathmandu war ein qualitativer Fortschritt gegenüber der ersten Weltfrauenkonferenz in Caracas:
Sie hatte eine Massenbasis im ganzen Land. Hunderte von Frauen aus einem breiten Parteienspektrum in Nepal haben diese Konferenz über Jahre vorbereitet. Auf den Pressekonferenzen waren 15 bis 20 große Tageszeitungen und TV-Sender anwesend. Sie berichteten fasziniert von den Frauen, die hier zusammengekommen sind. Zum Schluss der Konferenz war eine 40-köpfige Delegation zu einem Besuch bei der Präsidentin des Landes, Bidhya Devi Bhandari, eingeladen. „Ich habe die Resolution von Kathmandu mit meinem Herzen unterschrieben“, betonte Nepals Präsidentin.
Die Konferenz repräsentiert ein wachsendes breites gesellschaftliches Spektrum von christlich organisierten Frauen aus Uganda, Landfrauen aus Namibia, Textilarbeiterinnen aus Bangladesch, junge Industriearbeiterinnen aus Europa, Gewerkschaftsfrauen aus Marokko, Aktivistinnen des Kampfs gegen Gewalt an Frauen aus Indien, Repräsentantinnen des Weltfrauenmarsches aus Afrika, Repräsentantinnen internationaler Zusammenschlüsse wie Solvodi, bedeutender Organisationen der Revolutionäre der Internationalen Koordinierung Revolutionärer Parteien und Organisationen (ICOR) und ILPS oder internationaler Frauenorganisationen wie der International Women Alliance (IWA), deren neu gewählte Vorsitzende Azra Sayeed viel Verantwortung für das Gelingen übernahm.
Die Konferenz gab ein Signal, sich über weltanschauliche oder politische Differenzen hinweg zusammenzuschließen. Das schloss sachliche Auseinandersetzung über Konflikte nicht aus, sondern gerade ein! Diese Leitlinie verwirklichten vorneweg die acht Frauenorganisationen aus Nepal, die zu untereinander teils sehr zerstrittenen Parteien gehören. Auch die indischen Frauen setzten ein Signal: Nachdem eine vorher nicht erwartete Frauenorganisation in Kathmandu dazustieß, gaben andere nach lebhaften Diskussionen einen Delegiertensitz für sie ab. Das Zurückstellen von Organisationsinteressen zugunsten der überparteilichen Repräsentanz der Delegation war auch ein Signal für den Einigungsprozess in der indischen Frauenbewegung.
Der Kampf um die Befreiung der Frau in Kurdistan ist Teil der Weltfrauenbewegung geworden. Mit Meral Ciçek und Özlem Yasak sind inzwischen zwei führende Frauen aus der kurdischen Bewegung prägend im Weltfrauenprozess als Koordinatorinnen vertreten. Der Kampf um die Befreiung der Frau und um Demokratie und Freiheit in Rojava (Nordsyrien) wurde in Kathmandu zur Sache der Frauen auf der ganzen Welt. Die Kurdinnen wiederum sind heute bewusst zum aktiven Teil der internationalen Frauenbewegung geworden. Einstimmig wurde eine internationale Frauendelegation nach Rojava beschlossen.
Jugendliche werden „junge Weltfrauen“ und übernehmen Verantwortung für die Zukunft der Frauenbewegung. In Kathmandu gab es erstmals ein Podium der jungen Frauen als Teil der Generalversammlung. Selbstbewusst brachten sie ihre Visionen und Positionen für ihren Zukunftskampf in einer befreiten Gesellschaft vor.
Die finanzielle Unabhängigkeit ist eines der am meisten beachteten, aber auch umkämpften Alleinstellungsmerkmale. Diese Konferenz selbst mit Spenden zu finanzieren ist eine gigantische Leistung. Man denke alleine an die Reisekosten der Delegierten aus 40 Ländern. Bis zum letzten Tag wurde in Nepal unter der Bevölkerung auf der Straße gesammelt. Die Konferenz machte sich damit unabhängig von staatlichem oder halbstaatlichem Sponsoring, das oft mit massiver Einflussnahme der Geldgeber verbunden ist.
Die Konferenz diskutierte nicht nur, sondern machte sich auch praktisch einen Namen. Die europäische Spendensammlung zum Wiederaufbau einer Schule nach dem großen Erdbeben in Nepal erregte landesweit Aufsehen. Feierlich wurde die Schule in Maga Pauwa im Vorfeld der Konferenz eingeweiht.
Berichte und Analysen der Weltfrauen brachten neue Erkenntnisse. Beeindruckend war, dass es eine klassenkämpferische Tendenz in der Bauernschaft auf der ganzen Welt gibt. Dadurch, dass der Gegner immer mehr internationale Monopole sind, gibt es eine materielle Grundlage für die Ausrichtung auf diesen Feind. Das Landgrabbing (Landraub) wird hauptsächlich von Monopolisten (unter anderem Thyssen) durchgeführt – oft auch mit dem Ziel, Großprojekte zu installieren. Hier wehren sich die Bauern gegen die Vertreibung von extrem fruchtbarem Land – an vorderster Front die Frauen.
Die Konferenz war politisch erkämpft! In Venezuela waren Hunderte von Kolumbianerinnen an der Grenze festgehalten worden. Sie konnten nicht an der ersten Weltfrauenkonferenz teilnehmen, weil die Gastgeberinnen Proteste gegen „ihre linke Regierung“ unterbanden. In Kathmandu wurden die größten Visahürden genommen. Tag und Nacht waren einige nepalesische Frauen – allen voran Durga Paudel – dafür im Einsatz. Mit Erfolg! So- wohl die syrischen Delegierten aus Rojava als auch die bereits nach Dubai zurückgeschickte Shamla mit afghanischem Pass wurden „hereingekämpft“.
Kurz vor der ersten Weltfrauenkonferenz war 2010 die ICOR gegründet worden. Ihre Repräsentantinnen spielten auch in Caracas schon eine verantwortliche Rolle. Im Vorfeld von Kathmandu hatte es auf der 2. Weltkonferenz der ICOR lebhafte Auseinandersetzungen um den selbständigen Charakter der Weltfrauenkonferenz gegeben. Durch die Vereinheitlichung, sich aktiv für die von den Frauen selbst gesteckten Ziele und Prinzipien der Weltfrauenkonferenz einzusetzen und dabei für die revolutionäre Perspektive zu überzeugen, wurden die ICOR-Repräsentantinnen diesmal zu einem starken, tragenden Gerüst der Weltfrauenkonferenz mit großer Ausstrahlung. Fast 60 Frauen aus aller Welt wurden „Freundinnen der ICOR“.
Der gemeinsame Wunsch nach organisierter vertiefter Diskussion und theoretischer Verarbeitung der vielen praktischen Erfahrungen ist ein wesentliches Ergebnis der Beratungen. Einstimmig wurde ein gemeinsames internationales Seminar zur Theorie zur Befreiung der Frau 2017 oder 2018 beschlossen. Mit der Vorbereitung wurden Frauen aus Kurdistan, Indien, Bangladesch, den Philippinen, Nepal und Deutschland beauftragt.
Eine Bewegung der Weltfrauen ist entstanden
In Kathmandu wurde deutlich: Aus einer Bewegung zur Vorbereitung von Weltfrauenkonferenzen ist eine Bewegung der „Weltfrauen“ mit festen Wurzeln in relevanten Bewegungen und Organisationen der Basisfrauen geworden. Für die Beschlüsse von Kathmandu ist jetzt viel zu tun: „Erst wenn die Berge Kurdistans, die Täler Lateinamerikas, die Wüsten und Dörfer Afrikas und die Städte Europas die Stimmen der Weltfrauen erhören, dann haben wir Frauen die höchsten Berge erklommen“, prophezeit Meral Cicek von der kurdischen Delegation in ihrer Abschlussrede. Die internationale kämpferische Frauenbewegung stärkte und bekräftigte ihre Entschlossenheit, eine bedeutende Rolle in wichtigen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen einzunehmen. Mit Kathmandu entstand großes Zukunftspotenzial! Ein neues Kapitel hat begonnen und „wir freuen uns auf die nächste Weltfrauenkonferenz in fünf Jahren, 2021, auf einem anderen Kontinent“1.
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